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ORF ON Science :  News :  Umwelt und Klima 
 
Emissionshandel: Kyoto-Strategie für ein immer ferneres Ziel  
  Österreich hat sich 1997 im Rahmen des Kyoto-Protokolls zum Schutz des Weltklimas verpflichtet, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis etwa 2010 um 13 Prozent zu verringern. Nicht erst seit der Unterzeichnung des Protokolls entfernt sich das Land aber immer weiter von dieser Zielvorgabe - mittlerweile muss der Kohlendioxidausstoß schon um 25 Prozent reduziert werden, will man dieser internationalen Verpflichtung nachkommen. Als ein Instrument ist der Handel mit Emissionen vorgesehen, das entsprechende Gesetz soll nun nächste Woche in den Ministerrat kommen.  
Hauptursache der sich weiter öffnenden "Schere" ist der rasch wachsende Verkehr, aber auch in Industrie und Energiewirtschaft ist eine Trendwende bei weitem noch nicht in Sicht.

Um das Ziel dennoch zu erreichen, hat die Regierung im Sommer 2002 eine "Klimastrategie" beschlossen, die schon zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in wesentlichen Grundannahmen überholt war.
Bereits 2001 86 Mio. Tonnen an Treibhausgasen
So geht das Papier in seinem "Trendszenario" davon aus, dass Österreich ohne "zusätzliche Maßnahmen" im Jahr 2010 etwa 84 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen wird. Tatsächlich wurden aber bereits 2001 rund 86 Millionen Tonnen an Treibhausgasen emittiert - Tendenz steigend.
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Emissionshandelsgesetz kommt in den Ministerrat
Im Emissionshandelsgesetz, das nächste Woche in den Ministerrat kommen soll, werden die gesetzlichen Grundlagen für den Handel mit Ausstoßrechten gelegt, an dem in Österreich etwa 240 Betriebe aus der Industrie und Energiewirtschaft (z.B. Stahlindustrie, thermische Kraftwerke) teilnehmen werden.

Ab 2005 müssen diese Betriebe für jede Tonne CO2, die sie an die Atmosphäre abgeben, Berechtigungen ("Zertifikate") vorweisen. Kommt das Unternehmen mit den von der Regierung gratis zugeteilten Zertifikaten aus, weil es zum Beispiel in energiesparende Technik investiert hat, oder hat es sogar zu viel davon, kosten die Emissionen nichts bzw. kann es die überschüssigen Zertifikate verkaufen. Hat der Betrieb zu wenig davon, muss er Zertifikate auf dem Markt zukaufen. Derzeit werden die Kosten für eine Tonne CO2 auf etwa 13 Euro geschätzt.
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Einsparungen per Emissionshandel geplant
Laut "Klimastrategie" 2002 soll die Industrie bis 2010 nun 1,25 Mio. Tonnen, die E-Wirtschaft 2,1 Mio. Tonnen Treibhausgase/Kohlendioxid (Jahresausstoß) einsparen - hauptsächlich über den Emissionshandel.

Diese Größe entspricht etwa 20 Prozent des gesamten Einsparbedarfs bei den Treibhausgasen, der sich bis Ende 2001 angesammelt hat (etwa 18 Mio. Tonnen). Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) sind Industrie und E-Wirtschaft aber für 43 Prozent des Ausstoßes verantwortlich.

Eine streng proportionale Kürzung über alle Verursacher würde Industrie und E-Wirtschaft daher mehr als doppelt so stark als in der Klimastrategie vorgesehen belasten.
Private Haushalte, Landwirtschaft und Verkehr
Auf die Kappe der privaten Haushalte gehen etwa 18 Prozent, auf den Verkehr etwa 23 Prozent des Ausstoßes.

Der Verkehr ist der bei weitem am schnellsten wachsende Emittent von Kohlendioxid, dem wichtigsten Treibhausgas. Zwischen 1990, dem Basisjahr für das Kyoto-Abkommen, und 2001 ist der CO2-Ausstoß aus dem Verkehr um etwa 50 Prozent in die Höhe geschnellt.

Der restliche Ausstoß von Treibhausgasen verteilt sich auf die Landwirtschaft (9 Prozent) sowie auf die Kategorie "Sonstige" (6 Prozent, z.B. Mülldeponien). Die Emissionsangaben des Umweltbundesamts beziehen sich auf das Jahr 2001, die Zahlen für das Jahr 2002 sollen in den nächsten Wochen bekannt gegeben werden.
Experte: Heimisches Reduktionsziel "derzeit nicht sichtbar"
Der Grazer Volkswirtschaftler und Klimaschutzexperte Stefan Schleicher etwa hält die Erreichung des österreichischen Klimaschutzziels, ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen einzusparen, für "nicht sichtbar.

So wie sich derzeit die Glaubwürdigkeit in der Umsetzung darstellt, ist das österreichische Reduktionsziel nicht erreichbar", sagt der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO).

Technisch machbar sei die Reduktion von 18 Millionen Tonnen aber auf jeden Fall, meinte Schleicher am Mittwoch in einem Gespräch mit der APA.
Skepsis der Industrie gegenüber dem Emissionshandel
Er habe Verständnis für die skeptische Stimmung der Industrie gegenüber dem Emissionshandelsgesetz, schließlich werde sie als erster Emissionsverursacher von der Politik in die Pflicht genommen, "während gleichzeitig Commitments für die anderen Sektoren fehlen", sagte Schleicher.

Aber Maßnahmen in der Industrie seien eben "am leichtesten administrierbar". Eine Reduktion von 300.000 bis 600.000 Tonnen als Zwischenziel der Industrie bis 2007 sei "fair" und "konsensfähig".
Beispiel Verkehr: Teurerer Treibstoff?
Was die anderen Emittenten betrifft, müssten zum Beispiel im Individualverkehr, dem am stärksten wachsenden Bereich, endlich Maßnahmen getroffen werden - etwa, um den in Österreich im Vergleich zu den Nachbarländern zu billigen Treibstoff zu verteuern.

Auch öffentliche Verkehrsmittel in den Ballungsräumen müssten ausgebaut werden, um den Autofahrern eine akzeptable Alternative zu bieten. Weitere riesige Potenziale schlummerten beim Neubau/der Renovierung (Wärmedämmung) sowie in der Innovations- und Technologiepolitik, sagte Schleicher.
Kyoto-Mechanismen erlauben Strategien im Ausland
Der WIFO-Experte verwies darüber hinaus auf die Niederlande, die sich vorgenommen haben, 50 Prozent ihres Reduktionsziels durch die die im Kyoto-Prozess erlaubten Mechanismen ("Joint Implementation", "Clean Development Mechanism") im Ausland zu realisieren.

Auch eine solche Strategie könne dabei helfen, die Vorgaben zu erfüllen, meinte Schleicher.
->   Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO)
->   Der Text des Kyoto-Protokolls (englisch)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Klimaschutz: Technologie im Tausch gegen Emissionen (20.10.03)
->   Österreich von Kyoto-Ziel weit entfernt (22.5.03)
->   Treibhausgas-Emissionen in der EU 2001 gestiegen (7.5.03)
->   Was bringt der Handel mit CO2-Emissionen? (4.2.03)
 
 
 
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01.01.2010