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Wie Vogel-Viren Menschen infizieren können  
  Die Verwandlung eines Vogelgrippe-Virus in einen für Menschen gefährlichen Erreger kann offenbar schneller erfolgen als bisher angenommen. Das legen zwei soeben erschienene Untersuchungen zu der verheerenden Grippe-Pandemie von 1918 nahe.  
Angesichts der in Asien grassierenden Geflügelpest dürfte folgender Befund von allgemeinem Interesse sein: Die Rekonstruktion von Erregern der so genannten Spanischen Grippe zeigt, dass diese sich erstaunlich wenig von Vogelgrippe-Viren unterscheiden.
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Zu diesem Thema wurden am 6. Februar 2004 auf der Website der Fachzeitschrift "Science" zwei Studien veröffentlicht: "The Structure and Receptor-Binding Properties of the 1918 Influenza Hemagglutinin" (DOI: 10.1126/science.1093155) von S.J. Gamblin et al. sowie "Structure of Human H1 Hemagglutinin Precursor from the Extinct 1918 Influenza Virus" (DOI: 10.1126/science.1093373) von J. Stevens et al.
->   "Science Express"
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Alle Grippekrankheiten stammen von Vögeln
Zwar gehen Experten schon lange davon aus, dass alle Grippekrankheiten ihren Ausgang bei Vögeln nehmen.

Unklar ist aber, welche genetischen Mutationen die Übertragung eines Influenza-Virus von Vögeln auf Menschen ermöglichen, wie wahrscheinlich also eine solche Übertragung ist.

Für den Ausbruch der Spanischen Grippe war den Forschungsergebnissen zufolge die Veränderung einer Proteinstruktur an der Oberfläche eines Vogelgrippe-Virus verantwortlich.
Konservierte Grippe-Opfern als Quelle
Amerikanische und britische Wissenschaftler rekonstruierten dieses Protein anhand konservierter Lungenzellen von Opfern der Spanischen Grippe, die aus dem Permafrostboden in Alaska stammen.
Protein ermöglicht Infektion von Lungenzellen
Das Hämagglutinin genannte Protein ermöglicht es dem Grippevirus, an Lungenzellen anzudocken und in sie einzudringen. Das Hämagglutinin auf Vogelgrippe-Viren hat eine Struktur, die auf menschliche Lungenzellen normalerweise nicht passt.

Im Falle der Spanischen Grippe hatte sich diese Struktur aber so verändert, dass das Virus in menschliche Lungen eindringen konnte - obwohl das Protein ansonsten die für Vogelgrippe-Viren typischen Eigenschaften behielt.
->   Mehr zu Grippe-Viren und Hämagglutinin (fachberatung-biologie.de)
Pandemie von 1918 wegen fehlender Abwehrkräfte
Gerade weil das Vogelgrippe-Virus sich nur geringfügig veränderte, entfaltete es beim Menschen verheerende Wirkung, glauben die Wissenschaftler. Die Spanische Grippe kostete in den Jahren 1918 und 1919 weltweit mindestens 20 Millionen Menschen das Leben.

Die Forscher erklären dies damit, dass das menschliche Immunsystem kaum Abwehrkräfte gegen Vogelgrippe-Viren besitzt, eben weil diese so selten in ihrer ursprünglichen Form auf Menschen überspringen.
Geflügelpest: Ansteckungsgefahr vergleichsweise gering
Bei der aktuellen Form der Geflügelpest scheint die Gefahr einer Übertragung auf Menschen vergleichsweise gering. Bisher steckten sich nur wenige Personen an. Das Geflügelpest-Virus H5N1 gehört einem anderen Virenstamm an als der Erreger der Spanischen Grippe, der zur Familie H1 zählt.
Unscheinbare Mutationen haben oft große Wirkung
Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch, dass ein Vogelgrippe-Virus relativ schnell auf den Menschen überspringen kann, wenn sich bestimmte Schlüsselmerkmale des Erregers verändern - bei der Spanischen Grippe war es offenbar das Hämagglutinin.

Damit liefert die Untersuchung auch Hinweise darauf, welche molekularen Strukturen von Viren besonders beobachtet werden müssen, um die Gefahr einer Übertragung von Vogelgrippe auf Menschen vorherzusagen.
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Vogelgrippe: Mensch als Überträger? (2.2.04)
->   Experten warnen vor Viren aus dem Tierreich (26.1.04)
->   Globale Grippe-Epidemie: Ist die Welt gewappnet? (27.11.03)
->   Das Stichwort Viren im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010