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Hochspannung plus Ratten ergibt hohe Ozonwerte  
  Die Debatte um mögliche gesundheitliche Folgen durch elektromagnetische Felder, wie sie etwa durch Stromleitungen oder auch Mobiltelefone erzeugt werden, erhält durch eine aktuelle Studie neue Nahrung: US-Forscher haben dafür Ratten in die Nähe von sehr starken elektromagnetischen Feldern gebracht. Die Folge: Es bildeten sich große Mengen des schädlichen Gases Ozon.  
Allerdings nicht in den Tieren, sondern vielmehr in der Luft um diese herum. Die Wissenschaftler vom Pacific Northwest National Laboratory stellen ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Bioelectromagnetics" vor.
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Die Studie "Corona discharge influences ozone concentrations near rats" ist in "Bioelectromagnetics" (Bd. 25, S. 107, Ausgabe vom Februar 2004) erschienen.
->   Original-Abstract ("Bioelectromagnetics")
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"Elektrosmog" durch Handy und Co
Mikrowellenherd, Mobiltelefon, Fernsehgerät sowie Stromleitungen und Sendeanlagen von Rundfunk- und Telefongesellschaften sind heute allgegenwärtige Begleiter des modernen Lebensalltags.

Doch diese Geräte und Anlagen geraten immer wieder auch als gesundheitsschädlich unter Verdacht, denn sie sind Quellen von elektromagnetischen Feldern, die in ihrer Gesamtheit als "Elektrosmog" bezeichnet werden.
Zahlreiche Studien, kein klares Ergebnis
Diverse Studien kamen diesbezüglich zu unterschiedlichen Ergebnissen. Hieß es zuletzt etwa in einer dänischen Untersuchung, Handystrahlung erhöhe die Krebsgefahr nicht, so zeigte wiederum eine finnische Studie, dass die elektromagnetische Strahlung der Mobiltelefone zumindest auf Laborkulturen menschlicher Gehirnzellen deutlich negativ wirkte.

Nun haben die Forscher um Steven Goheen Ratten dazu verwendet, die Auswirkungen von elektromagnetischen Feldern zu untersuchen - allerdings konzentrierten sie sich nicht auf mögliche Effekte in den Tieren, sondern überwachten vor allem deren Umgebung.
Teilweise sehr hohe Ozon-Konzentrationen
Dort wurde das Forscherteam tatsächlich fündig: In Gegenwart der Tiere entstanden teilweise bedenkliche Konzentrationen an Ozon, das giftig ist und beim Menschen zu Reizungen der Schleimhäute sowie Störungen des Zentralnervensystems führen kann.

Das Spurengas entstand im Rahmen eines Phänomens, das als "Koronaentladung" bekannt ist. Dabei "entkommen" Elektronen bei hoher elektrischer Feldstärke an scharfen Kanten oder Drähten - beispielsweise aus Hochspannungsleitungen.
->   Alles zum Stichwort Ozon in science.ORF.at
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Details zu Versuchsanordnung und gemessenen Werten
Die Wissenschaftler plazierten die Ratten in einen Plexiglaskäfig, der mit einem etwa zehn Kilovolt produzierenden Gerät zusammen geschaltet war. Solange der Käfig noch leer war, wurden maximale Ozonkonzentrationen von 22 Teilen pro Milliarde ("parts per billion" oder kurz ppb) festgestellt. Befanden sich jedoch die Tiere darin - und waren etwa einen Zentimeter von der Koronaquelle entfernt (eine Elektrode, die an der Käfigdecke befestigt war), so maßen die Forscher mehr als 200 ppb. Diese Menge sei doppelt so hoch wie Werte, die bei chronischer Einwirkung als giftig für Menschen gelten. Das Ozon wurde anschließend - für die Messung - sehr rasch aus den Käfigen abgeleitet, den Ratten ist den Angaben zufolge nichts passiert.
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"Erstmals schlüssige Verbindung"
Dies sei das erste Experiment, das ein elektromagnetisches Feld schlüssig mit einem gesundheitsschädlichen chemischen Effekt in Gegenwart von Tieren verbinde, erklärte der federführende Autor Steven Goheen in einer Aussendung.

"Wir haben die ganze Zeit an der falschen Stelle gesucht", wird Goheen zitiert. "Wir haben in den Tieren nach Effekten durch die elektromagnetischen Felder gesucht. Nun scheint es so, als ob die Gefahr in der Luft um die Tiere herum besteht."
Welche Folgen für den Menschen?
Das in den Versuchen verwendete elektrische Feld ist allerdings nach Angaben von Goheen sehr viel größer, als jenes, dem etwa Passanten in der Nähe einer Hochspannungsleitung ausgesetzt wären.
Ausschlaggebend ist die Entfernung
Vor allem die Entfernung ist dabei ganz offensichtlich ausschlaggebend. "Waren die Ratten mehr als fünf Zentimeter von der Koronaquelle entfernt, so sahen wir keine großen Auswirkungen", erklärte der Forscher.

Wirklich betroffen von den Studienergebnissen wären demnach nur Menschen, die sehr nahe an Starkstromleitungen arbeiten oder täglich viele Stunden im Umfeld von Hochspannungsgeräten verbringen.
Auch andere schädliche Stoffe könnten entstehen
Doch Goheen wies auch darauf hin, dass angesichts der Ozonproduktion auch andere so genannte reaktive Spezies in Gegenwart von Menschen neben Hochspannung entstehen könnten und dass "diese Ergebnisse neue Fragen über das Verhältnis zwischen elektrischen Feldern und ungünstigen biologischen Effekten aufwerfen."
Offene Frage: Was genau passiert dabei?
Neben diesen Fragestellungen beschäftigen sich die US-Forscher derzeit vor allem damit, was genau bei der Umwandlung in Ozon vor sich geht. Koronaentladungen werden etwa auch durch hohe Luftfeuchtigkeit begünstigt.

Die meisten Säugetiere aber bestehen hauptsächlich aus Wasser und produzieren eine Art "Oberflächenfeuchtigkeit" in Schweißdrüsen, Speichel und Augen. Vielleicht lasse sich hier eine Verbindung finden, meinen Goheen und Kollegen.
->   Pacific Northwest National Laboratory
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->   Elektrosmog: Kommission fordert strengere Richtlinien (25.9.02)
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01.01.2010