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Buch zur Entstehung von Wittgensteins Tractatus  
  Der "Tractatus" von Ludwig Wittgenstein gilt als eines der wichtigsten philosophischen Werke des 20. Jahrhunderts. Eine aufwändige Neuerscheinung dokumentiert nun erstmals eine historisch-kritische Entstehungsgeschichte des Textes.  
Wittgenstein hat zu Lebzeiten ein einziges Buch und einen einzigen Zeitschriftenartikel veröffentlicht. Nichtsdestoweniger hat der berühmte "Tractatus logico-philosophicus" weite Bereiche der westlichen Philosophie des 20.Jahrhunderts nachhaltig beschäftigt.

Die beiden an der Universität Bern tätigen Wissenschaftsphilosophen Gerd Graßhoff und Timm Lampert haben mit ihrem Buch nun erstmals eine philologisch abgesicherte Genese des Textes vorgelegt.
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Gerd Graßhoff, Timm Lampert: "Ludwig Wittgensteins Logisch-Philosophische Abhandlung. Entstehungsgeschichte und Herausgabe der Typoskripte und Korrekturexemplare"; Springer Verlag, Wien/New York 2004; 465 Seiten
->   Das Buch im Springer Verlag
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Erste Fassung ein "Raubdruck voller Fehler"
Unter Heranziehung bisher unveröffentlichten Briefmaterials und aller verfügbaren Originaldokumente wird die Publikationsgeschichte der "Logisch-Philosophischen Abhandlung" schlüssig nachgezeichnet.

Im April des Jahres 1922 erschien eine erste Fassung nach zahlreichen vergeblichen Bemühungen bei diversen Verlegern in der vom Chemiker Wilhelm Ostwald herausgegebenen Zeitschrift "Annalen der Naturphilosophie", von Wittgenstein bei Gelegenheit als "Raubdruck voller Fehler" bezeichnet.
Wurde erst nach "linguistic turn" bekannt
Monate später kam das Werk in einer englisch-deutschen Version in London bei Routledge & Kegan Paul unter dem geläufigen Namen "Tractatus-logico philosophicus" heraus, blieb aber dennoch für lange Zeit nur Insidern ein Begriff. Erst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts begann im Sog der angloamerikanisch dominierten "sprachanalytischen Wende" ("linguistic turn") der Philosophie die weltweite Auseinandersetzung mit Wittgensteins Gedanken.
Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte
Durch minutiösen Text- und Korrekturvergleich werden Entstehungsgeschichte und Zusammenhang der Typoskripte, Abschriften und der Korrekturverlauf rekonstruiert. Die Autoren verwenden zur Verdeutlichung dieser Zusammenhänge vor allem tabellarische Übersichten, die Textabweichungen zwischen den Manuskripten in einer Art Synopse gegenüber stellen und damit Gedanken- und Arbeitsschritte akribisch vergleichbar machen.
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Manuskripte im Besitz der Nationalbibliothek
Der Großteil der verwendeten Originalschriftstücke befindet sich heute im Besitz der Handschriftensammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB). Von dort kam auch die Anregung an die Autoren, die Typoskripte originalgetreu wiederzugeben.
->   ÖNB erwarb Wittgenstein-Manuskripte (14.11.03)
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Fünf Typoskripte im Original-Umfang
In vollem Umfang abgedruckt als Faksimiles in Originalgröße wurden im zweiten Teil des Buches - unter Einsatz modernster Bildbearbeitungstechnologien - schließlich fünf Typoskripte samt Korrektureinträgen und Notizen: Das lange Zeit als verschollen geltende, ursprünglich von Wittgenstein für den Druck vorgesehene Manuskript, dann jene Fassung, die als Vorlage für den Druck der "Abhandlung" in Ostwalds "Annalen" diente, eine Abschrift der ursprünglichen Fassung für den Freund und Architekten Paul Engelmann sowie je ein Exemplar der deutschsprachigen und englischsprachigen Korrekturfahnen für die "eigentliche" Buchausgabe des November 1922.
->   Homepage Timm Lampert
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wittgenstein privat: Philosophie und Leben (Herbert Hrachovec; 21.3.03)
->   Wittgensteins kommentierter Nachlass (Monika Seekirchner; 26.11.01)
 
 
 
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01.01.2010