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Klonembryo: Fortschritt oder Tabubruch? Internationale Reaktionen  
  Südkoreanische Forscher haben einen menschlichen Embryo geklont und daraus erstmals entwicklungsfähige Stammzellen gewonnen. Die Forscher sehen mit diesem Experiment völlig neuartige medizinische Therapien in Reichweite gerückt. Kritiker befürchten hingegen, dass mit diesem Fortschritt auch dem Missbrauch der Technik Tür und Tor geöffnet werde. Eine Bestandsaufnahme.  
Die Forscher haben am Donnerstag in den USA ihren Erfolg beim Klonen menschlicher Embryonen und der Extraktion von Stammzellen daraus öffentlich vorgestellt - und an die Welt appelliert, das Klonen von Babys zu verbieten.
->   Koreanische Forscher klonten menschlichen Embryo (12.2.04)
Forscher fordern Verbot von reproduktivem Klonen
Ziel ihrer Forschung sei es, die geklonten Embryonen für therapeutische Zwecke zu nutzen, und nicht, sie zu Babys heranwachsen zu lassen, bekräftigten die Forscher von der Nationaluniversität der südkoreanischen Hauptstadt Seoul bei einer Pressekonferenz in Seattle.

Der südkoreanische Projektleiter Woo Suk Hwang verteidigte das therapeutische Klonen, lehnte es aber ab, die neue Technik dazu zu benutzen, Embryonen herzustellen, die in der Gebärmutter einer Frau zu einem Baby heranwachsen könnten.

"Wir fordern ein Verbot des reproduktiven Klonens", sagte auch Shin Yong Moon, Direktor des Forschungszentrums, das das Projekt betreibt. "Um das reproduktive Klonen zu verhindern, möchten wir jedes Land oder jeder Nation auffordern, ein Gesetz zu erlassen, das ein reproduktives Klonen verbietet."
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Markus Hengstschläger: Weitere Grenze überschritten
Für den Wiener Genetiker Markus Hengstschläger ist mit dem Klon-Experiment der koreanischen Wissenschaftler eine weitere "Grenze in der Wissenschaft" überschritten worden, wie er im Ö1-Mittagsjournal sagte.

Die wirkliche Neuheit sei nicht, dass hier das erste Mal ein Mensch im Sinne einer embryonalen Anlage geklont wurde. Vielmehr sei es nie zuvor gelungen, einen geklonten menschlichen Embryo so weit in der Petrischale zu entwickeln, "dass man ersten daraus Stammzellen gewinnen kann und zweitens man ihn auch in Folge in eine Gebärmutter einsetzen und austragen könnte."

Zumindest die Hälfte des Weges zum Klonen von Menschen sei damit wohl zurückgelegt, so Hengstschläger. Umso dringender sei daher eine ernsthafte weltweite Diskussion und Einigung über ein Verbot des Klonens von Menschen. Hengstschläger spricht sich gegen das therapeutische Klonen von Embryonen aus, also gegen das Klonen von Embryos zur Gewinnung von Stammzellen. Man solle auf adulte Stammzellen setzen.

Denn: "Das kann man nennen, wie man will - therapeutisch oder nicht, man verbraucht Embryonen um Stammzellen zugewinnen. Und wenn man den Beginn individuellen menschlichen Lebens davor ansetzt, dann ist das nun einmal sozusagen Verbrauchen menschlichen Lebens."
->   Mehr dazu im Inforadio (oe1.ORF.at)
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Die Dolly-Methode: Zellkern-Transfer
Die ersten Schritte für das Klonen zu medizinischen Zwecken und für die Herstellung eines Klonbabys sind dieselben: Eine Eizelle wird entkernt und stattdessen das Erbmaterial einer Körperzelle eingesetzt.

Es entsteht eine Zelle, die sich zu einem Embryo weiterentwickelt. Wird der Embryo in eine Frau eingesetzt, um zu einem Baby heranzuwachsen, spricht man vom reproduktiven Klonen.

Diese Methode hatten schottische Forscher entwickelt, was zum Klonschaf Dolly führte. Trotz mehrere Ankündigungen gibt es bisher keinen Nachweis für die Existenz eines Klonbabys.
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Therapeutisches Klonen
Beim therapeutischen Klonen möchten die Forscher dagegen aus dem Embryo Stammzellen gewinnen. Der Embryo wird hierbei allein zu Therapiezwecken erzeugt und zerstört. Ziel ist es, neues Gewebe mit dem Erbgut eines Patienten zu züchten, das nicht vom Immunsystem abgestoßen wird. Daher wird das Erbmaterial aus gesunden Zellen des Patienten in eine entkernte Eizelle gespritzt. Diese teilt sich mehrfach. Nach einigen Tagen werden daraus Stammzellen entnommen.

Die Stammzellen sollen so programmiert werden, dass sie verschiedene Gewebearten wie Herzmuskeln oder Nerven bilden. Das ist in Tierversuchen bereits schon länger gelungen. Helfen soll dies beispielsweise einmal Parkinson- oder Alzheimerpatienten.
->   Mehr zum therapeutischen Klonen im science.ORF.at-Archiv
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USA: Negative politische Reaktion
In ersten Reaktionen in den USA lehnten Politiker den Erfolg der Wissenschaftler ab. "Das ist eine alarmierende Entwicklung", sagte der Mehrheitsführer im Senat, Bill Frist.

Der Chirurg ist auf die Transplantation von Herzen und Lungen spezialisiert. "Einen Menschen zu klonen bedeutet, von der Zeugung zur Produktion menschlichen Lebens zu wechseln", sagte er.
Experte Ganten: "Wichtiges wissenschaftliches Ergebnis"
Der deutsche Molekularmediziner Detlev Ganten dagegen würdigte die Stammzellgewinnung aus menschlichen Embryonen in Südkorea als ein "wichtiges wissenschaftliches Ergebnis".

Der Schritt bedeute aber nicht, dass man mit dieser Technik einen Embryo in eine Gebärmutter einpflanzen und somit einen Menschen herstellen könne, sagte Ganten.
"Anwendung noch weit entfernt"
Die Stammzellentherapie verfolge als medizinisches Ziel "keine Perversion", sondern den Ersatz kranker, nicht funktionstüchtiger Zellen wie beispielsweise der insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse bei Diabetes. Das Experiment in Korea sei aber noch "weit entfernt von der Anwendung".
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"Kein Wissensverzicht"
Ganten verteidigte die Forschung an embryonalen Stammzellen. Wer den Weg der Zellentwicklung verstehen wolle, dürfe nicht auf adulte (erwachsene) Zellen eingegrenzt werden. Welche Stammzellen eines Tages wichtiger würden, lasse sich noch nicht voraussagen.
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Medizinrechtler: "Keine übertriebenen Hoffnungen"
Der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz wiederum hat vor übertriebenen Hoffnungen beim therapeutischen Klonen gewarnt.

"Die Wissenschaftler sollten sich zurückhalten und nicht so tun, als stünde der therapeutische Durchbruch unmittelbar bevor", sagte das Mitglied des Nationalen Ethikrates zu den jüngsten Berichten der südkoreanischer Forscher.
Das Problem des Missbrauchs
Taupitz forderte zudem ein weltweites Verbot des Klonens von Menschen zu Fortpflanzungszwecken. "Missbrauch lässt sich nicht ganz ausschließen. Eine weltweite Ächtung des reproduktiven Klonens wäre deshalb umso wichtiger, damit möglichst viele Länder gegen jegliche Versuche vorgehen."

Dass das bislang nicht gelungen sei, liege an der Haltung einiger Staaten, sowohl das reproduktive als auch das therapeutische Klonen verbieten zu wollen. "Diese Alles-oder-Nichts-Strategie hat verhindert, dass wenigstens das reproduktive Klonen untersagt wurde."

Die Vereinten Nationen hatten die Entscheidung über ein Klonverbot Ende vergangenen Jahres vertagt, weil sich die Staaten nicht über den Umfang einigen konnten. In Deutschland sind das reproduktive und das therapeutische Klonen verboten.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Geklonte embryonale Stammzellen gegen Parkinson (22.9.03)
->   Ulrich Körtner: Was ist ein Embryo? (2.7.03)
->   Klon-Baby unmöglich? Aktuelle Methoden scheitern bei Primaten (10.7.03)
->   Franz Seifert: Stammzellen - Warum die Tabus fallen müssen (23.1.01)
->   Mehr dazu im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010