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Studie: Gentech-Fische lassen Population aussterben  
  Genetisch modifizierte Organismen - sei es in Form von Pflanzen oder Tieren - sind vor allem in Europa grundsätzlich umstritten. Eine der Fragen lautet, was mit ihnen "in freier Wildbahn" passieren würde. Ein solches Szenario haben nun US-Wissenschaftler anhand konkreter Experimente mit Fischen sowie mithilfe von Modellrechnungen untersucht. Ihr Ergebnis ist nicht eben beruhigend: Innerhalb von rund 50 Generationen könnte die untersuchte Fischpopulation als Ergebnis eines "Trojanischen Gen-Effekts" völlig aussterben.  
Welches ökologische Risiko geht mit der Verbreitung von so genannten transgenen Organismen in der Natur einher?

Dieser Frage haben sich die Forscher um Richard Howard von der Purdue University in West Lafayette angenommen. Die Ergebnisse ihrer Studie sind im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS) erschienen.
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Der Artikel "Transgenic male mating advantage provides opportunity for Trojan gene effect in a fish" erscheint in den kommenden Tagen (zwischen 16. und 20. Februar 2004) als Online-Publikation in den PNAS (doi:10.1073/pnas.0306285101).
->   PNAS
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Gentech-Fische werden deutlich schwerer
Wie also sieht es aus mit der Risikoabschätzung solcher Forschungen? Einen Aspekt haben nun die Forscher von der Purdue University untersucht - und statteten dafür männliche Japankärpflinge (Oryzias latipes) mit einem bestimmten Lachs-Gen aus.

Dieser Erbgutfaktor kodiert für ein Wachstumshormon und führte in Folge dazu, dass die genveränderten Fische um ganze 83 Prozent größer bzw. schwerer waren als ihre unbehandelten Artgenossen.
Körpergröße als Vorteil bei der Fortpflanzung
Die Körpergröße ist allerdings, so berichten die Wissenschaftler in ihrem Artikel, in einer ganzen Reihe von Arten - darunter auch Fische - ein nicht unwesentlicher Aspekt, geht es um die Fortpflanzung.

Mit anderen Worten: Je größer der jeweilige Vertreter einer solchen Spezies, desto höher ist aller Wahrscheinlichkeit nach sein individueller Paarungserfolg.
Beobachtungen im Labor-Aquarium ...
Bei der reinen Theorie beließen es die Forscher aber auch im Folgenden nicht: Sie wollten nun ganz genau wissen, wie sich ihre Züchtungen im Vergleich mit den wilden Populationen schlagen würden - und beobachteten beider Fortpflanzungsverhalten im Labor.
... zeigen "überwältigenden Paarungsvorteil"
Die Fische lieferten sich in den Labor-Aquarien einen Konkurrenzkampf um die verfügbaren Weibchen, den allerdings die weit größeren Gentech-Kärpflinge klar gewannen, wie die Forscher in den PNAS berichten.

Die genetisch modifizierten Japankärpflinge verwehrten den kleineren Konkurrenten demnach den Zugang zu den paarungsbereiten Weibchen und kamen dadurch weitaus häufiger selber zum Zuge.

75 Prozent aller Paarungen wurden von ihnen bestritten - ein "überwältigender Paarungsvorteil" durch das Wachstumshormon, wie die Forscher feststellen.
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Gentech-Pflanzen in der Umwelt: Ambivalente Studie
Die Frage der Risiken von GM-Organismen beschäftigte auch die britische Regierung, die eine Studie über die Auswirkungen von gentechnisch veränderten landwirtschaftlich genutzten Pflanzen in Auftrag gab. Die ambivalenten Ergebnisse lagen im Oktober 2003 vor. Demnach kamen die Experten in zwei Fällen - bei Rüben und Raps - zu dem Ergebnis, dass sich die GV-Varianten negativ auf die Umwelt auswirkten, bei Mais war es allerdings umgekehrt. Im Rahmen der Studie wurden auf den Versuchsfeldern etwa auch Insekten wie Schmetterlinge und Bienen untersucht.
->   Mehr dazu: Artikel vom 20. Oktober 2003
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Der Schönheitsfehler: Weniger fitte Nachkommenschaft
Aus Sicht der gesamten Fischpopulation ist diese Vorherrschaft allerdings nicht unbedingt erstrebenswert, wie weitere Untersuchungen der Wissenschaftler zeigten. Denn: die Nachkommenschaft der größeren weil genetisch modifizierten Männchen entpuppte sich als vergleichsweise wenig widerstandsfähig.

Der Vorteil durch das Wachstumshormon-Gen wird also auf längere Sicht durch eine geringere Überlebensrate aufgehoben - was die Forscher als "Trojanischen Gen-Effekt" bezeichnen.
Modellrechnung zur Zukunft der Population
Nun ist es natürlich schlecht möglich, die Probe aufs Exempel in der freien Natur zu machen. Sprich: die Fische freizusetzen.

Die Forscher verwendeten also die gewonnenen Daten dazu, ein mathematisches Modell zu füttern. Dieses sollte die Zukunft einer wilden Population von Japankärpflingen vorhersagen, die von den genetisch modifizierten Fischen unterwandert würde.
Düstere Aussichten: Aussterben droht
Das Ergebnis ist - aus Sicht der Fische zumindest - wenig erfreulich: Innerhalb von nur 50 Generationen würde die gesamte Population dem extremsten Szenario des Modells zufolge ausgelöscht.

Und selbst wenn die genetisch nicht veränderten Männchen alternative Paarungsstrategien anwenden würden, könnte dies laut Berechnung das Aussterben der Population lediglich "moderat verzögern", wie die Forscher weiter berichten.
Invasion der GM-Organismen als "Idealfall"
Im idealsten Fall schließlich würde die Population zwar nicht aussterben - der Siegeszug der GM-Fische jedoch wäre auch nicht aufzuhalten, so groß ist laut Berechnung der Paarungsvorteil durch die Größe.
Szenario mit ungewissem Ausgang
Natürlich gibt das Modell der Wissenschaftler lediglich mögliche Szenarien wieder. Schließlich spielen in der Realität auch Faktoren wie die natürliche Umgebung oder die gegebene Dichte an männlicher Konkurrenz eine nicht unwesentliche Rolle, wie die Forscher anmerken.

Die Ergebnisse zeigen aber, dass weitere Forschungen auf diesem Gebiet notwendig sind. Denn die genveränderten Fische - oder auch andere solchermaßen modifizierte Organsimen - könnten in freier Wildbahn eben zu äußerst unangenehmen Überraschungen führen.

Würden sich etwa die GM-Fische tatsächlich durchsetzen, so könnte eine "Population mit unterschiedlichem Verhaltensprofil und Potenzial für neuartige ökologische Effekte auf andere Arten" die Folge sein, lautet die abschließende Warnung der Forscher.

Sabine Aßmann, science.ORF.at
->   Department of Forestry and Natural Resources Purdue University
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01.01.2010