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Die Sicherheitsbewertung von Gentech-Lebensmitteln  
  Vor allem in Europa sind gentechnisch veränderte Lebensmittel umstritten. Diese Produkte müssen allerdings eine Reihe von Tests durchlaufen, die ihre Sicherheit für den Verbraucher - etwa im Hinblick auf mögliche allergische Reaktionen durch ein zugefügtes Gen - sicherstellen sollen. In einem Gastbeitrag für science.ORF.at beschreibt der Lebensmittel- und Biotechnologe Albert Karsai in Kooperation mit "dialog<>gentechnik" die Sicherheitsbewertung von Genfood - und weist etwa auch darauf hin, dass viele Experten diese Tests für unzureichend halten.  
Sicherheitsbewertung von Genfood
Von Albert Karsai, dialog<>gentechnik

Im Allgemeinen gelten die Lebensmittel, die wir tagtäglich verzehren, als weitgehend sicher für unsere Gesundheit. Dies gilt selbstverständlich auch für die landwirtschaftlichen Kulturpflanzen, die einen großen Teil unserer Nahrung ausmachen.

Gentechnisch veränderte Pflanzen enthalten ein oder auch mehrere Gene zusätzlich, die eine gezielte Änderung in der Pflanze bewirken. Dabei sind die neu eingebrachten Gene keine "Kunstprodukte".

Es handelt sich vorwiegend um Gene, wie sie in anderen Organismen bereits in der Natur vorkommen. Der Austausch von Genen findet auch in der Natur laufend statt. Doch endet er im Gegensatz zur Gentechnik an den artspezifischen Fortpflanzungsgrenzen.
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Beispiel Mais-Pflanze: Rund 30.000 Gene
Das Erbgut der Mais-Pflanze beispielsweise ist von der Zahl der Gene her vergleichbar mit dem menschlichen Genom. Bei einer geschätzten Zahl von 30.000 Genen scheinen ein oder mehrere zusätzliche Gene eine vernachlässigbare Größe zu sein. Doch jedes Gen spielt seine Rolle in einem komplexen Netzwerk - vergleichbar einer Schraube in einem Motor, deren Entfernen gravierende Konsequenzen haben kann.
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Welche Wirkung haben eingefügte Erbfaktoren?
Welche Auswirkungen haben die neu hinzu gekommenen Gene eigentlich? Hierzu muss man wissen, dass die Gene an zufälligen Positionen im pflanzlichen Erbgut integriert werden. Abgesehen von den erwünschten Änderungen, die durch das Hinzufügen oder Ausschalten eines Gens auftreten, kann es zu einer Reihe von unbeabsichtigten Effekten kommen:

Die Aktivität anderer Gene kann erhöht oder reduziert werden, auch der komplette Ausfall eines Gens kann passieren.

Da die Produkte der Gene - die Proteine - in einem komplizierten Wechselspiel zueinander stehen, sind die daraus resultierenden Effekte teilweise nur schwer nachzuvollziehen. Es könnte also zu einer gesteigerten bzw. verminderten Produktion von bestimmten Inhaltsstoffen kommen, mit möglicherweise nachteiligen Auswirkungen.
Lebensmittel: Viele nicht identifizierte Inhaltsstoffe
Lebensmittel sind komplexe Systeme, die eine Vielzahl identifizierter und nicht identifizierter Inhaltsstoffe enthalten. Über die Wirkung einer Vielzahl dieser Substanzen auf den menschlichen Körper ist wenig bis gar nichts bekannt.

Aus der faktischen Unmöglichkeit, ein Nahrungsmittel bis ins kleinste Detail zu analysieren, wurde das Prinzip der substanziellen Äquivalenz entwickelt. Es werden eine Reihe von wertverleihenden und -mindernden Inhaltsstoffen ausgewählt, anhand derer die Gleichwertigkeit zweier vergleichbarer Produkte festgestellt wird.

Im konkreten Fall bedeutet dies, dass das gentechnisch veränderte Lebensmittel in den definierten Kriterien dem konventionell hergestellten entsprechen muss. Ist dies nicht der Fall, sind die darüber hinausgehenden Unterschiede näher zu prüfen.
Sicherheitsbewertung von "Novel Food"
Das Prinzip der substanziellen Äquivalenz ist momentan eines der wichtigsten Werkzeuge bei der Sicherheitsbewertung von "Novel Food". Zusätzlich werden auch Prüfungen auf die Toxizität und das allergische Potential des Lebensmittels durchgeführt.

Toxikologische und allergologische Tests finden nicht nur im Labor statt - auch der Computer ist zu einem unverzichtbaren Werkzeug geworden. Strukturvergleiche des neuen Proteins mit bekannten toxischen oder allergenen Proteinen lassen Rückschlüsse auf eine mögliche Gefährdung zu.

In-vitro-Tests auf die Stabilität gegenüber Säureeinwirkung zeigen, wie lange das Protein den Bedingungen im Magen standhält, bevor es in seine Bestandteile zerlegt und damit "unschädlich" gemacht wird (Simulation der Verdauung). Je stabiler das Protein, desto höher das Risiko im Falle toxischer oder allergener Eigenschaften.
Bislang Konzentration auf die Proteine
Bisherige Evaluierungsstudien konzentrierten sich in erster Linie auf das Produkt des neu hinzu gekommenen Gens, d.h. das entsprechende Protein.
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Tests auf Toxizität und allergenes Potenzial
Dieses wird verschiedenen Toxizitätstests unterworfen und auf sein allergenes Potenzial hin überprüft. So will man zum Beispiel verhindern, dass Gene aus Pflanzen mit einem sehr hohen allergenen Potentzial (z.B. Erdnüsse) diese Allergenität auf die neue Pflanze übertragen. Würde eine Person mit einer Allergie gegen Erdnüsse ein Produkt aus dieser Pflanze essen, könnte es schlimmstenfalls zu einer unerwarteten allergischen Reaktion kommen.
->   Mehr Informationen dazu: Risikoabschätzung im Detail (Albert Karsai)
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Kritik: Maßnahmen würden nicht ausreichen
Viele Experten kritisieren jedoch, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen. So geschehen im Rahmen eines Symposiums des Umweltbundesamtes, wo ExpertInnen die gängigen Praktiken der Sicherheitsbewertung diskutierten.
->   UBA-Veranstaltung "Scrutinizing GMO Risk Assessment"
In-vivo-Tests sowie "ganze Lebensmittel"?
Experten wie der Toxikologe Heinz Hofer von der ARC Seibersdorf Research GmbH und der Allergologe Rudolf Valenta vom Wiener AKH bezweifeln, ob Homologie-Vergleiche und In-vitro-Versuche genügen.

Strukturvergleiche von Genen und Proteinen seien hilfreich, aber nicht ausreichend, um ein toxikologisches oder allergenes Potential zu beurteilen. Weiters seien In-vitro-Tests durch In-vivo-Tests zu ergänzen bzw. auch ganze Lebensmittel in die Untersuchungen mit einzubeziehen.

Weitere Forderungen, die während der Veranstaltung erhoben wurden: keine ausschließliche Bewertung aufgrund des Prinzips der substanziellen Äquivalenz sowie die Vereinheitlichung der Verfahren zur Sicherheitsbewertung auf internationaler Ebene.
->   dialog<>gentechnik
->   Mehr Beiträge von dialog<>gentechnik in science.ORF.at
->   www.transgen.de
->   www.genfood.at
 
 
 
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01.01.2010