News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 
Orakeln nach Zahlen - Numerologie  
  Unter Zuhilfenahme der vier Grundrechenarten wollen Numerologen aus dem Namen und/oder Geburtsdatum eines Menschen sein Schicksal, seine Talente und natürlich seinen Charakter erschließen können.  
Das ist für sie keine Kunst, denn, wie das Medium Irene Schumacher formuliert: "In jedem Blutstropfen ist der ganze Mensch enthalten und im Geburtsdatum die ganze Seele."
Eins bis Neun
Für eine solche Seelenanalyse benötigt zumindest die so genannte hermetische Numerologie, die von Numerologen mit der ägyptischen Kunstfigur Hermes Trismegistos in Verbindung gebracht wird, nur das Geburtsdatum eines Menschen.

Durch Addition der einzelnen Ziffern erhält man eine Zahl, der bestimmte Bedeutungen zugeordnet sind. Weil für die Bestimmung der "Grundschwingung" nur die Grundzahlen von eins bis neun interpretiert werden, müssen aus zweistelligen Ergebnissen wiederum einstellige Summen gebildet werden.
...


Hermes Trismegistos
Hermes Trismegistos
Die Figur des Hermes Trismegistos gilt als der Urvater der Alchemie und Naturmystik. Auf den ihm zugeschriebenen "Tabula Smaragdina" hinterließ er den Alchemisten die Gesetze und Gebote ihrer Kunst. Unklarheit besteht darüber, wer Hermes Trismegistos eigentlich war: In der Spätantike identifizierten griechische Kolonisten ihren Götterboten Hermes (lat. Mercurius) mit dem altägyptischen Gott Thot, dem "Dreimal Größten". Ebenso wie Hermes galt Thot als "Psychopompos", Seelenführer. Thot war auch der Gott der Schrift und Magie. Manchmal wird Hermes Trismegistos auch mit jenem sagenhaften Pharao in Verbindung gebracht, der den Ägyptern die Hieroglyphenschrift hinterließ. Der Astronom Johannes Kepler (1571-1630) vermutete gar, Pythagoras sei Hermes Trismegistos.
...
Wie man seine magische Zahl findet
Ob nur der Geburtstag in die Analyse miteinbezogen wird oder auch der Monat und das Jahr, hängt von der Methode ab, nach der vorgegangen wird.

Entsprechend des Cheiro-Systems, das mutmaßlich der Kabbala entnommen wurde, ist es zur Bestimmung des Charakters ausreichend, die Quersumme des Geburtstages zu bestimmen. Die Numerologin Vera F. Birkenbihl setzt auf das gesamte Datum, um daraus das Schicksal respektive die Lebensaufgabe eines Menschen zu ersehen und die Summe von Jahr und Monat bildet in ihrem System die "Talentzahl" eines Menschen.
Nomen est Omen?
Die Rechenkünste der Numerologie werden geradezu artistisch, wenn auch der Name in die Analyse einbezogen wird. Während im Hebräischen und Griechischen den Buchstaben gleichzeitig bestimmte Zahlenwerte entsprechen, müssen die Buchstaben anderer Sprachen erst den Ziffern zugeordnet werden.

Für diese Zuordnung gibt es wiederum unterschiedliche Systeme, wovon das pythagoreische das vermutlich älteste und unter Numerologen das gebräuchlichste ist. Dabei werden die Buchstaben des Alphabets fortlaufend durchnummeriert, aus den zweistelligen Ziffern werden einstellige Summen gebildet. Umlaute werden getrennt.

Für Partnerberatungen leiten Numerologen aus den Zahlenwerten der Namen zweier Personen ihre Seelenverwandtschaft ab. Je näher sich zwei Zahlen entsprechend der numerologischen Zahlenmystik sind, umso glücklicher wird die Beziehung.
Ene mene muh
So vielfältig und wundersam die Wege auch sind, auf denen die Numerologen zu ihren magischen Zahlen gelangen - die Bedeutungen, die den verschiedenen Zahlen zugeschrieben werden, nehmen sich merkwürdig eindeutig aus: So steht die eins für die Einheit (NoNa), Einsermenschen neigen zu Zweifeln und sind egoistisch, dafür aber treu.

Ebenso wie die Vierertypen, die sich angeblich für Routinearbeiten begeistern können, weil sie so beharrlich sind, während der übliche Fünfer in der Typenlehre der Numerologie nach Ausdehnung und Selbsterweiterung strebt.
->   Seelenanalyse zum Selbermachen
->   Bedeutung der Zahlen
Berühmt-berüchtigte Quellen
Diese Art der Selbsterkenntnis durch Abzählen hätte Pythagoras von Samos (um 580-496 v.Chr.) vermutlich verblüfft. Dennoch ist es seine Harmonielehre, auf die sich die Numerologie beruft und aus der sie unter anderem in mehr oder weniger freier Interpretation die Bedeutung der Ziffern ableitet.
...


Pythagoras, Mathematiker, Mystiker und Bohnenverächter
Pythagoras
Egon Friedell beschreibt die Gemeinschaft der Pythagoreer, die Pythagoras in Kroton (Italien) stiftete, als "Genossenschaft halb religiösen, halb politischen Charakters", die sich strenge Regeln auferlegte: Ehelosigkeit, tägliche Selbstprüfung, Leinenkleidung, Verbot von Fleisch, Eiern und Bohnen. Von Pythagoras sind keine schriftlichen Zeugnisse überliefert, das heißt, seine Lehre ist allein eine mündliche Tradition.
->   Mehr über Pythagoras
...
Schöne Töne
Die Erkenntnis, dass Tonwerte (Schwingungen) quantitativen Beziehungen entsprechen, kam Pythagoras, einer Legende des Jambilochos zufolge, als er in einer Schmiede die unterschiedlichen Aufschläge der Hämmer hörte. In Experimenten mit Saiteninstrumenten entdeckte er schließlich den Zusammenhang von Schwingungsfrequenz und Tonhöhe. Dem Weltaufbau liegen die Tonabstände Quart, Quint und Oktave zugrunde, die sich durch die Zahlenverhältnisse 3:4, 2:3 und 1:2 ausdrücken lassen. Die Summe von eins, zwei, drei und vier ergibt zehn, die "Urmutter aller Dinge".

Daraus leiteten die Pythagoreer die These ab, dass das gesamte Universum, sowohl die Seele (Mikrokosmos) als auch das Planetensystem und die Natur (Makrokosmos), Musik sei, das heißt Harmonie (Proportion) und Zahl. Die Ordnung der Dinge und der Seelen lässt sich damit mathematisch beschreiben bzw. folgt sie der Ordnung der Mathematik.
Romantische Mathematik
Eine These, die nach dem Geschichtsphilosophen Egon Friedell schon in der späteren Antike "niemand mehr verstand". Was aber Novalis einige Jahrhunderte später nicht darin hinderte, begeistert auszurufen: "Echte Mathematik ist das eigentliche Werkzeug des Magiers; das höchste Leben ist Mathematik; das Leben der Götter ist Mathematik; reine Mathematik ist Religion."
Mittelalterliche Mystik
Die pythagoreische Zahlenhermeneutik fand auch Eingang in die Mystik des Mittelalters, insbesondere in die Kabbala, von der die Numerologie eigensinnigen Gebrauch macht.
Sefer Jezirah - das Buch der Schöpfung
Das Sefer Jezirah, der vermutlich älteste Text der Kabbala, ist den Sefiroth (von safar, Zahl) gewidmet, den zehn Urzahlen, in denen sich in Verbindung mit den 22 Buchstaben des hebräischen Alphabets das Geheimnis der Weltordnung ausdrückt.

Die oberste Sefira ist die kether (Krone, eins) des Sefiroth-Baumes, der anfängliche Wille. Daraus zweigen chochma (Weisheit, Zwei) und bina (Intelligenz, Drei) ab. Eine darunter liegende Ebene bilden chessed (Liebe, Vier) und gebura (Strenge, Fünf). In der Mitte befindet sich tifereth (Barmherzigkeit, Sechs) von der nezach (Beständigkeit, Sieben) und hod (Herrlichkeit, Acht) abzweigen und in jessod (zeugende Kraft, Neun) zusammenfinden. Die Zehn (malchut) steht für das Königreich Gottes.

Weil die Ziffern hebräischen Buchstaben entsprechen, konnte mit dem Sefer Jezirah eine zahlenmystische Bibelinterpretation entstehen. Die daraus abgeleitete Hermeneutik ist für die numerologische Interpretation bis heute von zentraler Bedeutung - auch wenn ihr Sinn dabei auf ein kleines Einmaleins zusammenschrumpft.
->   Kabbala zur Einführung
Mathematik im Dienste der Reformation
Die Zuordnung von Zahlen und Buchstaben dient dabei, wie bereits in der pythagoreischen und kabbalistischen Zahlenmystik, der Aufdeckung von verborgenen Zusammenhängen und Affinitäten, zum Beispiel zwischen Personen. Der Zahlenwert des Namens einer Person gibt Auskunft über ihr wahres Wesen.

So brachte eine entsprechende Buchstabenrechnerei den lutherischen Mathematiker Michael Stifel darauf, dass der Name des Papstes Leo Decimus der satanischen Zahl 666 entspricht. Kein gutes Omen für einen Christen.

Cathren Müller
...
Literatur
Egon Friedell, Kulturgeschichte Griechenlands, München 1999, dtv;
Gershom Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt/Main 2000, Suhrkamp.
...
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung .  Gesellschaft 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010