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Muskel-Doping dank Gentechnik  
  Seit Jahren wird vermutet, dass in der Gentechnik das größte - und gefährlichste - Potenzial für Doping im Spitzensport liegt. Eine aktuelle Studie, die das Muskelwachstum genetisch modifizierter Ratten untersuchte, gibt der Diskussion neue Nahrung. Zumindest bei Nagern funktioniert die Leistungssteigerung auf diese Weise bestens, Sportler bekunden bereits ihr Interesse.  
Kombination von Training und Genmanipulation
Eigentlich sollte die gentechnische Verbesserung von Skelettmuskeln eines Tages dem Wohl von Patienten dienen, die unter Muskelschwund oder ähnlichen Krankheiten leiden. Die nun vorgestellte Technik erregt aber auch die Aufmerksamkeit von Athleten, die bereits heute in oft krank machender Konkurrenz stehen.

Der Physiologe Lee Sweeney vom Muscle Institute der University of Pennsylvania hat die Kombination von Genmanipulation und gezieltem Training bei Ratten studiert.

Ihre Beinmuskeln entwickelten sich dabei weit stärker und größer als bei nur einer der beiden Techniken, so seine Studie, die im "Journal of Applied Physiology" erschienen ist und auf der Jahrestagung der amerikanischen Wissenschaftsgesellschaft AAAS in Seattle vorgestellt wurde.
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Die Studie "Viral expression of insulin-like growth factor-I enhances muscle hypertrophy in resistance-trained rats" ist im "Journal of Applied Physiology" (Bd. 96 (3), März-Ausgabe 2004, S. 1097; DOI: 10.1152/japplphysiol.00479.2003) erschienen.
->   Original-Abstract ("Journal of Applied Physiology")
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Wachstumshormon und Leiter-Klettern
Sweeney und sein Team injizierten in die Muskulatur der Hinterbeine von Ratten ein rekombinantes Virus, das ein IGF-I Gen (Increased insulin-like growth factor-I) enthielt, wodurch die Produktion dieses Wachstumshormons angeregt wurde.

Entscheidend für die Erhöhung von Muskelmasse und -stärke waren die so genannten Satellitenzellen: Vorläuferzellen, die bei ihrer Aktivierung neue Muskelfaserzellen hervorbringen. Einschlägige körperliche Bewegungen - wie das Erklettern von Leitern oder das Tragen von Gewichten - sorgten bei der Studie für die nötige Stimulierung.

Die Zellen bildeten daraufhin verstärkt Rezeptoren für das Wachstumshormon, die sie empfänglicher für IGF-I machten - was wiederum zu einem verstärkten Muskelwachstum führte.
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IGF-I
IGF-I (Increased insulin-like growth factor-I) ist ein Wachstumsfaktor, der strukturell mit dem Insulin verwandt ist und vielfältige Wirkungen aufweist. Es wird hauptsächlich in der Leber gebildet, zirkuliert im Blut, vermittelt die Wirkung von Wachstumshormonen und fördert Zellwachstum und Zelldifferenzierung sowie die Synthese von spezifischen Bauelementen wie Kollagen und Myofibrillen. IGF-I wird therapeutisch bei der Behandlung von Kleinwüchsigkeit sowie einer Form von Diabetes angewendet. Bei fehlender medizinischer Indikation und in übermäßiger Dosierung kann das Hormon schädliche Nebenwirkungen haben.
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Ein Drittel mehr Muskeln, auch nach Trainingsende
Die Ergebnisse im Detail: Nach acht Wochen reinem Training war die Muskelmasse des flexor hallucis longus, einem Unterschenkelmuskel der Tiere, um 23,3 Prozent angewachsen. Die "IGF-I-Therapie" führte zu einem Wachstum von 14,8 Prozent. Wurden die beiden Methoden aber kombiniert, so ergab sich ein Wachstum von 31,8 Prozent.

Nach Angaben der Forscher haben die genmodifizierten Ratten mit einem höheren IGF-I-Level auch nach dem Aussetzen von körperlicher Bewegung mehr an Muskelmasse behalten als ihre natürlichen Artgenossen.
Viele Anfragen von Athleten
Obwohl der Schritt vom Tierversuch zum Menschen noch rein hypothetischer Natur ist, glauben die Forscher bei einem AAAS-Symposion, dass er schon in Kürze erfolgen wird.

Ein Beweis dafür: Laut BBC stammen 50 Prozent der Anfragen, die Studienautor Lee Sweeney bezüglich seiner Arbeit bekommt, von Patienten, die unter muskulärer Dystrophie leiden - bei den anderen 50 handelt es sich um Athleten.
Gen-Doping ist verboten, Biopsie als Nachweis
Auch wenn das vermutlich in der konkreten Praxis wenig ändern wird: Gentherapie-Technologien sind nach den weltweit gültigen Anti-Doping-Vorschriften verboten, betonte der Vorstand der World Anti-Doping Agency (WADA), Richard Pound, während des AAAS-Meetings.

Sein Kollege Donald Catlin vom Olympic Analysis Laboratory der Universität von Kalifornien in Los Angeles gab sich zuversichtlich, dass auch für genetische Mittel zum Doping eines Tages die passenden Tests gefunden werden können.'

Nur frage sich, zu welchem Preis. Laut Studienautor Sweeny ließe sich die Gentherapie bei Sportlern lediglich durch eine Biopsie von Muskelgewebe nachweisen.
Zwei Kategorien von Sportlern?
Alternativ sei es möglich, dass Sportler einmal in zwei Kategorien zum Wettbewerb antreten: in einer für getestete Teilnehmer und einer zweiten für Athleten, die alles einnehmen können, was sie wollen, dann aber auch nur unter einander antreten.

Womit das Selbstverständnis des Spitzensports - abzulesen etwa am WADA-Motto "Play true" - allerdings arg ins Wanken geraten würde.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Pennsylvania Muscle Institute
->   World-Anti-Doping-Agentur (WADA)
->   Jahrestagung der AAAS
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->   Forscher warnt vor "Gen-Doping" im Sport (29.10.03)
->   Gentherapie als Muskeldoping (8.2.02)
->   Doping und Dopingjäger: Wie Igel und Hase (21.8.01)
 
 
 
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01.01.2010