News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Uni Wien: Heftige Kritik an Reformplänen des Rektors  
  Der Entwurf zum neuen Organisationsplan der Universität Wien von Rektor Georg Winckler trifft auf wenig Gegenliebe: Nach heftigen Protesten der Studierenden im Jänner - Rektoratsbesetzung inklusive - äußert sich nun die neugegründete "Plattform universitäre Mitbestimmung" (PLUM) nicht minder kritisch. Alte Strukturen seien zerschlagen, neue noch nicht gefunden, Mitbestimmungsrechte v.a. des Mittelbaus abgeschafft und passende Diskussionsgremien verschwunden. Rektor Winckler signalisiert Gesprächsbereitschaft, die HochschülerInnenschaft unterstützt die neue Plattform.  
"Grauslich misslungen"
PLUM-Vertreter bezeichneten die Umsetzung des Universitätsgesetzes (UG) 2002 an der Uni Wien am Mittwoch bei einer Pressekonferenz als "grauslich misslungen".

Die Plattform setzt sich sowohl aus Professoren als auch aus Mittelbau-Vertretern zusammen, so Karl Ille vom Institut für Romanistik gegenüber science.ORF.at - für die an paritätische Kommissionen gewohnten Unis ein erstaunlicher Schritt.
"Diktatur ist nie modern"
"Diktatur ist nie modern", kritisierte der PLUM-Vertreter die geplanten Regelungen an Österreichs mit Abstand größter Hochschule. Vor allem der Mittelbau, als eigentlicher Leistungsträger der Universität, werde durch UG 2002 und in Folge durch den Organisationsplan zunehmend entrechtet.
Alte Strukturen zerschlagen, noch keine neuen
Margarethe Rubik, Professorin am Institut für Anglistik und Amerikanistik ortet unter der Kollegenschaft "Sorge und Verärgerung". Die alten Strukturen an der Uni Wien seien zerschlagen, dafür aber noch keine neuen geschaffen worden.

Was an die Stelle der Institute und Institutsvorstände treten solle, sei völlig unklar. Es gebe vor allem auch keine Diskussionsgremien mehr, in denen man sich informieren bzw. seine Sorgen äußern könnte, so Rubik.
Chaos im Sommersemester?
Für den März befürchten die Vertreter der PLUM bezüglich der Lehre ein völliges Chaos. Bis jetzt wüssten weder Uni-Angehörige noch externe Lektoren im Detail, welche Veranstaltungen sie im bevorstehenden Sommersemester abhalten werden und wie die Arbeit abgegolten werden.

Etwa die Besteuerung der Lehrverpflichtungen für außeruniversitäre Lektoren sei noch völlig offen. Beim Verwaltungspersonal herrsche große Unsicherheit wer wohin versetzt werde und ob manche überhaupt weiter beschäftigt würden.
Struktur nach Vorbild von "Sultan und seinen Wesiren"
Für Herbert Hrachovec vom Institut für Philosophie hat "der Wahnsinn Methode". Rektor Winckler sei entweder ein "Radikaler" oder ein treibe ein "riskantes Spiel", er versuche eine Struktur nach dem Vorbild "Sultan und seine Wesire" einzurichten.

Deswegen habe er auch die Zahl der Fakultäten und Dekane (Wesire) erhöht, damit der einzelne gegenüber dem "Sultan" (Rektor) nicht zu viel an Macht gewinne. Letztendlich könnten die Führungsorgane schalten und walten, wie es ihnen beliebe.
...
Professoren und Mittelbauangehörige gemeinsam
Bei einer Versammlung der "PLUM" am Dienstag seien etwa 100 Lehrende der Universität Wien zusammengekommen, berichtete Karl Ille vom Institut für Romanistik gegenüber science.ORF.at. Die Zusammensetzung "kritischer Professoren und Mittelbauangehöriger" ging auf eine Initiative von Herbert Hrachovec zurück. "Fast schon zu spät", denn in den vergangenen zwei Jahren habe "unter den Kollegen Resignation" geherrscht. Hrachovec verfasst neben einem eigenen Weblog zu den Änderungen an der Uni Wien seit Ende 2003 auch entsprechende Beiträge für science.ORF.at.
->   Herbert Hrachovec zu den Uni Wien-Reformen
...
Andere Unis zeigen: Es geht auch anders
Auch wenn das UG 2002 Auslöser für die Probleme sei, so habe sich doch an praktisch allen anderen Unis gezeigt, dass man sehr wohl damit umgehen könne. Nur an der Uni Wien gebe es die bekannten Probleme.
"Top down" führt nicht zum Ziel
Als weiteres Beispiel für den nach ihrer Meinung nach unsinnigen Organisationsplan nannten die PLUM-Vertreter die Curricularkommission. In dieser sollten in Zukunft alle Details für jede Lehrveranstaltung besprochen werden, bisher war dies Aufgabe der zahlreichen Studienkommissionen. Die Zentralisierung bedeute eine Delegierung an zunehmend Fach-Unkundige.

Für Karl Wagner vom Institut für Experimentalphysik bietet das UG 2002 durchaus Chancen, die es nur zu nutzen gelte. An einer Universität sei vor allem die Motivation wichtig, mit "top-down"-Ansätzen, Verordnungen von oben, funktioniere es nicht.
Rektorat signalisiert Gesprächsbereitschaft
Seitens des Rektorates wurde mittlerweile mittels Aussendung das Interesse bekundet, die Vertreter der PLUM in die Diskussion einbinden zu wollen. Die Chaos-Vorwürfe der Plattform weist Wincklers Büro zurück, die interne Gliederung der Fakultäten, die Einrichtung von Gremien sei den Fakultäten selbst frei gestellt.
Einrichtung von Fakultätsbeiräten?
Da der Wunsch nach universitätseinheitlichen Strukturen im Raume stehe, seien bereits Diskussionen - etwa mit Senatsmitgliedern - im Gange. Derzeit werde über die Einrichtung von so genannten Fakultätsbeiräten gesprochen.

Fakultätsbeiräte sollten sich aus Professoren, Mittelbau, Studenten und nicht-wissenschaftlichem Personal zusammensetzen. Deren Aufgaben könnten etwa die Stellungnahmen zur Errichtung und Veränderung der Binnenstruktur und zum Entwicklungsplan der Fakultät sein.
ÖH unterstützt PLUM
In einer ersten Reaktion kommt von Seiten der Österreichischen HochschülerInnenschaft Zustimmung zu den Vorschlägen der PLUM.

"Wir begrüßen die Initiative der Universitätslehrer. Wir wollen versuchen, unsere Kritikpunkte und Verbesserungsvorschläge gemeinsam einzubringen, um so unserem Ziel eines nachhaltigen Organisationsplans näher zu kommen", so Nina Abrahamczik vom Vorsitz-Team der ÖH Uni Wien in einer Aussendung.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at/APA
->   Uni Wien
->   Plattform "Universität und Demokratie"
Aktuelles dazu in science.ORF.at:
->   Uni Wien: Senat nimmt Organisationsplan an (15.1.04)
->   Christiane Spiel: Die Implementierung des UG 02 an der Universität Wien (13.2.04)
->   Peter Filzmaier: Zur Machtkonzentration an Universitäten (5.1.04)
->   Uni-Autonomie: Zum Teil radikale Umorganisation (22.12.03)
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010