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Stammt die Form der Biomoleküle aus dem Kosmos?  
  Rein chemisch betrachtet bestehen Lebewesen aus den selben elementaren Bausteinen, wie auch so manche tote Materie. Bis auf eine wichtige Ausnahme: Zuckermoleküle und Aminosäuren kommen in unserem Körper nur in ihrer rechts- bzw. linkshändigen Form vor. Die spiegelbildlichen Varianten dieser Atomverbindungen gibt es hingegen so gut wie nicht. Das wirft die Frage auf: Wie kam es zu dieser Asymmetrie? US-Amerikanische Forscher schlagen nun folgende Antwort vor: Besondere Molekülmischungen von auf die Erde gestürzten Meteoriten könnten diesen "Dreh" in der chemischen Evolution ausgelöst haben.  
Wie Sandra Pizzarello von der Arizona State University und Arthur L. Weber vom NASA Ames Research Center nachwiesen, können gewisse Aminosäuren ihre Raumorientierung an Zuckermoleküle weitergeben. Damit ließe sich erklären, wie es zu dieser auffälligen Einseitigkeit vor der Entstehung des Lebens gekommen ist.
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Die Studie "Prebiotic Amino Acids as Asymmetric Catalysts" von S. Pizzarello und A.L. Weber erschien in der Fachzeitschrift "Science" (Band 303, S. 1151, Ausgabe vom 20.2.04).
->   Science
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Elementare Bausteine: Zucker und Aminosäuren
Aminosäuren und Zucker gehören zu den allerwichtigsten Bauelementen der Lebewesen. Erstere sind die Grundbausteine der Proteine, die etwa lebenswichtige Zellstrukturen ausbilden oder vermittels ihrer Fähigkeit zur Katalyse sämtliche biochemische Reaktion antreiben.

Zuckermoleküle wiederum bauen wichtige Speicherstoffe oder Membranmoleküle der Zelle auf. Nicht zu vergessen die Erbsubstanz: Auch sie besteht zu einem gewissen Teil aus Zucker.
Links- und rechtshändige Moleküle
Viele Mitglieder der beiden Stoffklassen zeichnen sich durch eine Besonderheit aus: Es gibt von ihnen zwei spiegelbildlichen Versionen, die sich in ihren physikalischen Eigenschaften durch nichts unterscheiden.

Chemiker sprechen in diesem Zusammenhang von so genannten Enantiomeren, die entweder in einer linkshändigen oder einer rechtshändigen Form vorkommen (üblicherwiese nach lat. "laevus" und "dexter" mit L- bzw. D- abgekürzt).

Nur in einer Hinsicht sind die chemischen Zwillinge nicht gleich: Die Reaktionen mit anderen spiegelbildlichen Molekülen fallen durchaus unterschiedlich aus.
->   Mehr zu Enantiomeren (Wikipedia)
Lebewesen verwenden nur D-Zucker und L-Aminosäuren
Im Sinne der chemischen Ökonomie macht es daher durchaus Sinn, dass man - bis auf seltene Ausnahmen - in Lebewesen nur eine der beiden räumlichen Versionen antrifft: Aminosäuren kommen in der L-Form vor, Zucker gibt es hingegen nur in der D-Version.

Wäre das nicht so, versänke der Organismus im Chaos. Wie sensibel die menschliche Biochemie in dieser Hinsicht ist, zeigt etwa die Substanz Thalidomid (besser bekannt unter der Bezeichnung "Contergan").

Die vom vormals verbreiteten Medikament ausgelösten Missbildungen rühren nämlich von den unterschiedlichen Wirkungen der beiden enantiomeren Formen.
->   Mehr zu Contergan bei medicine worldwide
Woher stammt die Einseitigkeit der Moleküle?
Allgemein kann man festhalten: Die auffällige Einseitigkeit der Biomoleküle ist eine notwendige Voraussetzung für das Funktionieren der gesamten Biochemie - und somit des Lebens überhaupt. Sie muss sich also bereits vor der Entstehung des Lebens herausgebildet haben. Fragt sich nur: Wie?
Erster Hinweis: Meteoriten enthalten linkshändige Stoffe
Sandra Pizzarello von der Arizona State University gab bereits vor sieben Jahren einen Hinweis, wie man dieses Rätsel lösen könnte.

Damals berichtete sie, dass sich in einem 1969 in Australien nieder gegangenen Meteoriten gewisse Aminosäuren fanden, die mehrheitlich der L-Form zuzurechnen waren.

Angesichts des - in geologischen Zeiträumen - regelmäßigen Bombardements der Erde durch solche Himmelskörper legt das folgenden Schluss nahe: Die biochemische Linkslastigkeit der Aminosäuren könnte schlichtweg ein kosmisches Importprodukt sein.
->   Mehr zum "Murchinson Meteorit" (University of Cambridge)
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Der Artikel "Enantiomeric Excesses in Meteoritic Amino Acids" John R. Cronin and Sandra Pizzarello erschien in der Fachzeitschrift "Science" (Band 275, S.951-5, Ausgabe vom 14.2.97).
->   Zum Orginal-Abstract (kostenpflichtig)
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Experiment: Aminosäuren "vererben" Orientierung an Zucker
In ihrer neuen Publikation entwickelt Pizzarello mit ihrem Kollegen Arthur Weber diesen Gedankengang nun um einen wichtigen Schritt weiter.

Die beiden verwendeten die Aminosäuren Alanin und Isovalin als Katalysatoren für eine chemische Reaktion, bei der Zucker gebildet werden. Setzten sie dabei reine L-Formen ein, dann bildeten sich vor allem rechtshändige Zucker.

Der Effekt blieb auch aufrecht, wenn Gemische von L- und D-Aminosäuren verwendet wurden, wie sie etwa in Meteoriten vorkommen.
->   Mehr zur Katalyse von Reaktionen bei Wikipedia
Bleibt nur noch ein Problem ...
Wie die beiden Autoren in ihrem Artikel schreiben, ist damit ein plausibler Weg angezeigt, den die chemische Evolution auf der Erde eingeschlagen haben könnte.

Bleibt nur noch folgendes Problem: Wie entstand die Asymmetrie der Molekülgemische in den Meteoriten? Eine Möglichkeit wäre die selektive Zerstörung von Aminosäuren durch polarisiertes UV-Licht, wie es etwa durch Supernovae erzeugt wird.

Doch wie Sandra Pizzarello im Gespräch mit science.ORF.at betont, sind die gefundenen Überschüsse einer bestimmten Molekülversion viel höher als sie gemäß dieser Hypothese sein dürften. Mit anderen Worten, man hat noch keine überzeugende Erklärung für dieses Phänomen gefunden.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Arizona State University
->   NASA Ames Research Center
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
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->   Eine Billion Jahre: Chemische Reaktion ohne Enzyme (7.5.03)
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->   Mehr zum Stichwort Evolutionstheorie im science.ORF.at-Achiv
 
 
 
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01.01.2010