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Stellenabbau: Gesundheit verbleibender Angestellter leidet  
  Unter Schlagworten wie Rationalisierung folgen Unternehmen in Krisenzeiten häufig einer Strategie: dem Stellenabbau. Dass der Verlust des Arbeitsplatzes für die Betroffenen gesundheitliche Folgen haben kann, scheint einleuchtend. Wie aber sieht es mit den im Betrieb verbleibenden Angestellten aus? Auch ihre Gesundheit leidet deutlich unter der neuen Situation, wie nun finnische Wissenschaftler berichten.  
Die Forscher um Jussi Vahtera von Institute of Occupational Health in Helsinki haben dafür mehr als 22.000 Angestellte im Staatsdienst untersucht, wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" meldete. Die Studie ist im "British Medical Journal" erschienen.
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Die Studie ist unter dem Titel "Organisational downsizing, sickness absence, and mortality: 10-town prospective cohort study" am 23. Februar 2004 als Online-Vorabpublikation im BMJ erschienen (doi:10.1136/bmj.37972.496262.0D).
->   Die Studie im "British Medical Journal"
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Daten von mehr als 22.000 Staatsangestellten
Vahteras Team untersuchte die verfügbaren Personaldaten von insgesamt 22.430 finnischen Staatsangestellten im Alter von 19 bis 62 Jahren über einen Zeitraum von siebeneinhalb Jahren, beginnend 1991.

Der Hintergrund: Zwischen 1991 und 1996 kam es in Finnland annährend zu einer Verdreifachung der Arbeitslosigkeit. Die Quote lag bei ganzen 16,6 Prozent, bis 1996 die nationale Rezession endete.
Gesundheitliche Folgen für verbleibende Angestellte
Dabei befanden sich allerdings nicht jene Arbeitnehmer im Blickpunkt der Forscher, die in dieser Zeit ihre Stelle verloren. Die Wissenschaftler konzentrierten sich vielmehr auf die Frage, wie es den verbleibenden Angestellten ergangen war.

Das Ergebnis ihrer Studie: Jene Angestellten, die am stärksten von den Entlassungen betroffen waren - sie verloren während der schlimmsten Jahre der Rezession mehr als 18 Prozent ihrer Kollgen - litten unter einem deutlich höheren Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben.

Sie waren demnach in den darauffolgenden vier Jahren fünf mal mehr gefährdet als jene Angestellten, die durch die Entlassungswelle kaum oder keine Kollegen verloren. Über die Gesamtdauer der Studie betrachtet lag ihr Risiko immer noch zwei mal so hoch.
"Mehr Arbeit, weniger Kontrolle, höhere Unsicherheit"
Die Forscher führen das höhere Sterberisiko vor allem auf den Faktor Stress zurück: "Wir sollten Arbeitsstress ernst nehmen", wird Jussi Vahtera im "New Scientist" zitiert.

Das nach massiven Stellenkürzungen zurückbleibende Personal habe "mehr Arbeit, weniger Kontrolle über die Arbeit und eine höhere Jobunsicherheit".
Viele Kollegen entlassen: Häufiger krank
Die besonders stark betroffenen Angestellten waren im Vergleich zu ihren vom "Mitarbeiter-Abbau" nicht betroffenen Kollegen zudem auch häufiger krank, so ein weiteres Ergebnis der Studie.

Diese gesundheitlichen Veränderungen waren bei unbefristet Angestellten am ausgeprägtesten, wie Vahtera und Kollegen weiter berichten. Dies deutet darauf hin, dass befristet Angestellte im Zweifelsfall auch krank zur Arbeit gehen.
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Arbeitsstress beschleunigt Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln sich in aller Regel über mehrere Jahren hinweg, wie die Forscher zugeben. Sehr wahrscheinlich sind also die verstorbenen Angestellten bereits vor dem massiven Stellenabbau davon betroffen gewesen. Doch der dadurch ausgelöste Stress könnte den Herz- oder Schlaganfall auslösen, wird Vahtera zitiert. Er verweist unter anderem auch auf Studien, denen zufolge der Verlust des Lebenspartners ein höheres Risiko bedeute.
->   Mehr dazu in: Stress & Scheidung -Tödliche Mischung für Männer (11.2.02)
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Risiko möglicherweise noch weit größer
"Arbeitgeber und Politiker sollten sich fragen, ob der Stellenabbau der einzige Weg ist, die Situation zu bewältigen", so Vahtera. "Und wenn sie es tun, dann ist es gut, dass sie das Risiko kennen."

Und tatsächlich könnte jenes Risiko für verbleibende Angestellte noch weit höher liegen, als die Studie ergeben hat. Denn einige Faktoren wirkten sich laut Vahtera eher günstig auf diese Zahlen aus: Demnach waren etwa die untersuchten Angestellten im Durchschnitt gesünder als ihre Kollegen, die entlassen wurden.
Außerdem: Fast drei Viertel Frauen
Zudem waren die Frauen unter den Studienteilnehmern deutlich in der Mehrheit, sie stellten annähernd drei Viertel der Untersuchten (5.909 Männer gegenüber 16.521 Frauen).

Frauen aber sind rein statistisch betrachtet noch immer weit weniger durch Herz-Kreislauferkrankungen gefährdet als Männer. (Wobei sie derzeit aufholen, was Mediziner vor allem auf die steigende Zahl an Raucherinnen zurück führen.)

Nach Angaben von Studienleiter Jussi Vahtera handelt es sich um eine der ersten Untersuchungen, die konkrete gesundheitliche Auswirkungen von Stellenabbau festgestellt hat. Frühere Studien haben etwa einen Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf-Erkrankungen und "Dienstrang" aufgedeckt.
->   Institute of Occupational Health
->   University of Helsinki
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Unzufriedenheit: Langzeitfolge von Arbeitslosigkeit (21.10.03)
->   WU Best Paper Award 2003: Regionale Arbeitslosigkeit (26.11.03)
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01.01.2010