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Mikrobielle Brennstoffzelle zur Abwasseraufbereitung  
  Abwasser reinigen und dabei noch Energie gewinnen: Es klingt zu schön um wahr zu sein. US-amerikanische Forscher versichern jedoch, dass es funktioniert. Sie konstruierten eine Brennstoffzelle, in der sich gewöhnliche Abwasserbakterien tummeln und Schadstoffe abbauen. Mit den dabei auftretenden Stoffwechselprodukten lässt sich auch eine gewisse Menge an Elektrizität gewinnen.  
Wie ein Team um Bruce Logan von der Penn State University berichtet, dürften damit zwar nicht die Energieprobleme der Menschheit gelöst werden. Aber die Abwasseraufbereitung könnte sich durch diese Innovation in Zukunft deutlich preiswerter gestalten.
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Die Studie "Production of Electricity during Wastewater Treatment Using a Single Chamber Microbial Fuel Cell" von Hong Liu, Ramanathan Ramnarayanan und Bruce E. Logan erschien als Online-Veröffentliochung im Fachmagazin "Environmental Science & Technology" (DOI: 10.1021/es034923g).
->   Zum Original-Artikel
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Brennstoffzelle - Batterie im Fließgleichgewicht
Die Grundidee ist schon länger bekannt: Bereits im Jahr 1839 entdeckte der britische Physiker W. Grove das Prinzip der Brennstoffzelle. Der allgemeinen Bauart nach handelt es sich dabei um ein gewöhnliches galvanisches Element, wie etwa auch bei Batterien und Akkumulatoren.

Der wichtigste Unterschied zu letzteren ist jedoch, dass die Energie liefernden Materialien nicht verbraucht, sondern kontinuierlich zugeführt werden. Der Vorteil daran: Solange Reaktionskomponenten bereitgestellt werden, können Brennstoffelemente bis zum Verschleiß der Bauteile unbegrenzt elektrische Energie erzeugen.
->   Mehr zu Brennstoffzellen ("fuel cells") bei Wikipedia
Mögliche Brennstoffe: Von Alkohol bis Wasserstoff
Als Brennstoffe in solchen Zellen kommen alle möglichen Substanzen in Frage. So etwa Formaldehyd, Ammoniak, Erdgas, Methan oder verschiedene Alkohole. Der wichtigste ist jedoch: Wasserstoff.

Wie man aus dem Schulunterricht weiß, löst die Zusammenführung von zwei Teilen Wasserstoff und einem Teil Sauerstoff die berühmte Knallgasreaktion aus. Der Name kommt nicht von ungefähr. Denn bildet man Wasser über diesen Reaktionsweg bei 600 Grad, so wird explosionsartig eine große Menge an Energie freigesetzt.
->   Knallgasreaktion bei Wikipedia
Problem: Woher kommt der Wasserstoff?
Abgesehen vom Show-Effekt für Unterrichtseinheiten ist diese Energie auch anderweitig einsetzbar. Gelingt es, diese nicht als Wärme verpuffen zu lassen, sondern in elektrischer Form nutzbar zu machen, dann liegt eine Anwendung für die menschliche Energieversorgung auf der Hand. Und genau das leistet die Brennstoffzelle.

Das Problem ist nur, dass es molekularen Wasserstoff eben nicht "gratis" gibt. Mit anderen Worten, dessen Herstellung ist selbst ein energiezehrender Prozess. Im Sinne nachhaltiger Energiewirtschaft bietet sich daher z.B. die Kombination mit Solarzellen an.
->   Mehr zu Solar- und Brennstoffzellen (Uni Hannover; pdf-File)
Mikrobielles Brennstoffelement konstruiert
Bild: Bruce E. Logan et al./ES&T
Schematischer Aufbau des Prototyps
Wie Bruce Logan und seine Kollegen nun berichten, gibt es eine noch viel simplere Möglichkeit, um an den begehrten Wasserstoff zu gelangen.

Sie konstruierten ein Brennstoffelement bestehend aus einem Plexiglaszylinder in der Größe einer Mineralwasserflasche mit einer hohlen Platin-Kathode sowie acht Anoden aus Graphit.

An letztere lagerten sich gewöhnliche Abwasserbakterien. Gefüttert mussten diese Mikroben nicht werden - sie taten sich an dem Abwasser gütlich, das die Forscher in den Zylinder füllten.
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Bisherige Modelle verwendeten andere Betriebsstoffe
Das Konstruktionsprinzip der US-amerikanischen Forscher ist zwar nicht völlig neu. Schon bisher gab es Veröffentlichungen, in denen von mikrobiellen Brennstoffelementen berichtet wurde. Nur wurde bei diesen Modellen kein Abwasser sondern etwa Glukose oder Ethanol als Betriebsstoff verwendet.
->   Weitere Informationen zum Stand der Forschung (University of Reading)
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Energiegewinn ist eher spärlich
Bild: Bruce E. Logan et al./ES&T
Photo der mikrobiellen Brennstoffzelle
Gewissermaßen als Nebenprodukt dieser metabolischen Reaktion setzten die Einzeller Elektronen und positiv geladene Wasserstoffionen frei. Diese vereinigten sich via Transport an den geladenen Elektroden mit Luftsauerstoff zu Wasser.

Die dabei gewonnene Energiemenge lag zwischen zehn und 50 Milliwatt pro Quadratmeter Elektrodenoberfläche. Das ist nicht besonders viel: Es entspricht etwa einem Zwanzigstel jener Energie, die für den Betrieb einer elektrischen Weihnachtskerze benötigt wird.
Wasserqualität steigt deutlich
Viel interessanter ist jedoch ein zweiter Effekt, den diese Reaktion hervorrief. Der biochemische Sauerstoffbedarf (kurz: BOD), ein Maß für die Belastung von Abwasser, wurde um 78 Prozent reduziert. Zum Vergleich: Gewöhnliche Kläranlagen schaffen um die 90 Prozent.
->   Mehr zum BOD bei wasser-wissen.de
Kostengünstige Aufbereitung in Griffnähe
Der Clou an dieser neuen Technik ist, dass damit die Abwasseraufbereitung in Hinkunft viel kostengünstiger gestaltet werden könnte. Um das zu erreichen, muss man den Prototyp für großtechnische Anwendungen nutzbar machen und außerdem die eingesetzten Metalle durch preiswertere Materialien ersetzen.

Das scheint im Bereich des Möglichen zu liegen: "Deutlich billigere Systeme stehen kurz vor der Anwendung", gibt sich Studienleiter Bruce Logan in einer Aussendung optimistisch.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Penn State University
Mehr zu diesem Thema im science.ORF.at-Archiv
->   Energie der Zukunft: Wasserstoff aus Alkohol (16.2.04)
->   Energie aus Brennstoffzellen mit Biogas (27.5.03)
->   Kleine Bio-Brennstoffzellen als Batterie-Ersatz (25.3.03)
->   Das Stichwort Brennstoffzelle im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010