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Schlechte Herzinfarkt-Versorgung in Österreich  
  Menschen mit einem akuten Herzinfarkt haben in Wien und in mehreren Regionen Österreichs schlechtere Chancen auf Überleben als Bürger Tschechiens. Der flächendeckende Aufbau von Möglichkeiten zur Intensivbehandlung im Akutfall fehlt laut Experten.  
Dies wurde am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Medienakademie Gesundheit in Wien erklärt.
Übliche Methode: Ballon-Katheter, Stent
Beim Herzinfarkt kommt es auf jede Minute an. Die weltweit anerkannt beste Behandlungsmethode: Sofortige Einlieferung des Patienten nach dem Auftreten von Symptomen per Notarztwagen in eine spezialisierte Krankenhausabteilung. Dort wird der Zustand der Herzkranzgefäße - oft schon binnen 15 bis 20 Minuten (gefordert: zumindest weniger als 45 Minuten, Anm.) nach dem Eintreffen - im Rahmen einer Herzkatheter-Untersuchung bestimmt und gleichzeitig eine verstopfte Herzkranzarterie per aufblasbarem Ballon-Katheter wieder geöffnet (Akut-PTCA).

Dann wird ein aufklappbares Drahtgitter (Stent) als Gefäßstütze eingesetzt. Ist das nicht möglich, gibt es noch immer die Möglichkeit einer Auflösung des Infarktgerinnsels durch Medikamente (Thrombolyse).
"Door-to Needle"-Zeit: Je kürzer, desto besser
Doch das erfordert flächendeckend den Betrieb von Herzkatheter-Labors für die "interventionelle Kardiologie" rund um die Uhr. Die Anfahrtszeit sollte nicht länger als 60 bis 90 Minuten betragen. Die "Door-to Needle"-Zeit (Einlieferung bis Behandlung) kann auf bis zu 15 Minuten reduziert werden.

Erfolgt die Behandlung aber nicht binnen höchstens sechs Stunden (am besten innerhalb von drei Stunden nach Auftreten der Symptome, Anm.) nach dem Infarkts, geht Herzmuskelgewebe unrettbar verloren.
15 Prozent-Rate der Akut-Behandlungen
Gerade das fehlt flächendeckend in Österreich. Oberarzt Georg Norman von der I. Medizinischen Abteilung des Wiener Donauspitals: "Wir haben vielleicht eine Akut-PTCA-Rate (Ballonkatheter-Behandlung beim akuten Infarkt, Anm.) von 15 Prozent (österreichweit, Anm.)."
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Bessere Versorgungssituation in Tschechien
Im internationalen Vergleich ist offenbar die Versorgungssituation in Wien - dort läuft ein Pilotversuch mit 24 Stunden-Dienst aufgeteilt auf das AKH, das Donauspital und andere Krankenhäuser - und vor allem in manchen ländlichen Regionen suboptimal bis schlecht.

Norman in der schriftlichen Zusammenfassung seines Statements: "In der tschechischen Republik ist es in weiten Landesteilen gelungen, einen fixen akuten PTCA-Dienst zu institutionalisieren. Nicht nur in Prag, wo alle Herzkatheterlabors 24 Stunden Akutdienst anbieten, sondern auch in Brünn und Olmütz, wo 70 Prozent der Betroffenen mit Akut-PTCA versorgt werden können, in Königgrätz immerhin über 40 Prozent. Da trennen uns Eishockey- und auch Fußballwelten. - Ziel muss das Niveau des heimischen alpinen Skisports sein."
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Gut: Oberösterreich, schlecht: Steiermark, NÖ
Während laut Norman offenbar in Oberösterreich in den vergangenen Jahren viele solcher Akut-PTCA-Labors "auf engem Raum" entstanden sind, gibt es echte Mangelgebiete, welche die Todesgefahr der Betroffenen erhöhen. Norman: "Weite Teile der Steiermark oder Niederösterreichs sind hingegen sicher unterversorgt."
Personal ist entscheidend
Das gelte - so die Aussagen bei der Pressekonferenz am Mittwoch in Wien - auch für das Burgenland. In Wien handelt es sich bei dem Service um einen Pilotversuch, der vor allem auf der "Opferbereitschaft des beteiligten Personals" basiere.

Die technischen Einrichtungen sind nicht das Problem. Vielmehr geht es vor allem um die Bereitstellung und die Bezahlung des notwendigen Personals für den 24-Stunden-Betrieb solcher Zentren.
->   Wiener Donauspital
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01.01.2010