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Einfache Infekte bei Kindern: Zumeist ganz "normal"  
  Säuglinge, Klein- und Schulkinder sind häufig von Atemwegs-Infektionen betroffen. Überschreitet die Häufigkeit nicht ein gewisses Maß, ist das durchaus "normal" und kein Anlass zu Sorge.  
Dies erklärte Wilhelm Kaulfersch vom LKH Klagenfurt bei der 37. Wissenschaftlichen Fortbildungswoche der Österreichischen Apothekerkammer in Saalfelden in Salzburg (29. Februar bis 5. März). Die traditionell größte Fortbildungstagung der Apotheker befasst sich in diesem Jahr mit der Kinderheilkunde (Pädiatrie).
->   Programm der Fortbildungswoche (Apothekerkammer)
Unreifes Immunsystem: Acht Infektionen pro Jahr üblich
"Die meisten Kinder zeigen im Säuglings- und Kleinkindesalter, bedingt durch eine partielle 'Unreife' des Immunsystems, eine hohe Zahl von Infektionskrankheiten. Laut der so genannten Tecumseh-Studie sind bis zu acht unkomplizierte respiratorische Infektionen (Atemwegsinfekte, Anm.) pro Jahr in den ersten Lebensjahren durchaus als normal zu betrachten", stellte der Experte vom Gesundheitszentrum für Kinder, Jugendliche und Frauen in Klagenfurt fest.

Der Grund dafür liegt darin, dass das Immunsystem der Kinder erst lernen muss, mit "einfachen" Infektionen zurecht zu kommen.
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Die Durchschnittswerte im Lauf der Kindheit
Das zeigt sich laut dem Kärntner Fachmann auch über die Altersgruppen bis 14 Jahre hinweg:

- Säuglinge (bis zum vollendeten ersten Lebensjahr) erkranken im Durchschnitt 6,1 Mal im Jahr an solchen Infektionen (Husten, Schnupfen, etc.). Das "normale" Maximum liegt bei 11,3 Fällen.
- Ein- bis Zweijährige bringen es auf durchschnittlich 5,7 solcher Erkrankungen pro Jahr (Maximum: 11,7).
- Drei- bis Vierjährige haben durchschnittlich 4,7 Infekte pro Jahr (Maximum: 10,5).
- Bei den Fünf- bis Neunjährigen "schlagen" offenbar Kindergarten und Schule wieder stärker zu. Sie erkranken an 5,5 derartigen Infektionen pro Jahr (Maximum: 8,7).
- Einen starken Abfall - also auch ein Hinweis auf ein bereits sehr gut funktionierendes Immunsystem - in der Häufigkeit dieser Infekte zeigen dann schon die Zehn- bis 14-Jährigen mit durchschnittlich nur noch 2,7 derartiger Krankheiten pro Jahr (Maximum: 7,2).
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Medizin reagiert oft falsch: Antibiotika-Einsatz
Doch so ruhig die Eltern in solchen Fällen bleiben sollten, die Medizin reagiert zumeist mit den falschen Maßnahmen. Kaulfersch: "Atemwegsinfekte sind der häufigste Grund für Antibiotika-Einsatz außerhalb der Spitäler. Mehr als 50 Prozent der Antibiotika sind hier unnötig. 80 Prozent aller Atemwegsinfekte sind viralen Ursprungs (Antibiotika unwirksam, Anm.)."

So würden drei Viertel aller ambulant verschriebenen Antibiotika gegen Mittelohrentzündungen, Sinusitis (Nebenhöhlenentzündungen), Bronchitis, Pharyngitis (Kehlkopfentzündung) und andere nicht spezifische Infekte verschrieben. Besonders bei Mittelohrentzündungen oder Sinusitis könnte man auch ein oder zwei Tage zuwarten und einen Antibiotikagebrauch vermeiden.
Ausbildung eine immunlogischen Gedächtnisses
Laut dem Kärntner Kaulfersch kommt es im Laufe des Heranwachsens der Kinder zur Ausbildung eines "immunologischen Gedächtnisses", das sie später besser vor Infekten schützt. Das Immunsystem ist zumeist nicht Schuld an häufigen Infektionen.

"In Österreich wird jährlich nur bei 30 bis 40 Kindern ein schwerer und behandlungsbedürftiger angeborener Immundefekt festgestellt. So muss man nicht sofort an das Immunsystem denken, wenn ein Kind häufig Bronchitis, etc. hat. Da wird man eventuell auf chronische Erkrankungen wie Asthma oder Allergien untersuchen", so der Experte.
Immun-Defekte vergleichsweise selten
US-Wissenschaftler haben versucht, Standards für das Erkennen eines möglichen Immundefekts zu erstellen. Der Kärntner Experte: "Diese Kriterien sind ziemlich hoch angesiedelt. Das sind zum Beispiel acht oder mehr Mittelohrentzündungen oder zwei oder mehr Nebenhöhlenenzündungen pro Jahr, zwei oder mehr Lungenentzündungen oder zwei oder mehr Monate Antibiotika-Therapien ohne ausreichenden Effekt. Wer hat das schon?"

Deshalb sollten sich - so Kaulfersch - Eltern und Ärzte mit der Anwendung spezifischer Therapien bei banalen Infekten zurückhalten: "Die physiologisch ("normal") infekt-anfälligen Kindern brauchen keine spezifische Therapie. Sie brauchen auch keine Antibiotika gegen solche Infekte."
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Tipps zur Verhinderung der Krankheiten
Hingegen gibt es - so der Fachmann - durchaus Möglichkeiten, bei Kindern solche Krankheiten zu verhindern:
- Vier Monate Stillen ist auf jeden Fall ein Schutz.
- Kinder, die nicht Zigarettenrauch ausgesetzt sind, erkranken um 30 Prozent seltener an Atemwegsinfektionen.
- Die Impfungen sind überhaupt der Faktor Nr. 1, der dazu geführt hat, dass viel weniger Menschen erkranken oder an Infektionen sterben.
- Die Wirkung von Echinacea-Präparaten bei Kindern ist nicht ausreichend geklärt. Laut Studien an Erwachsenen gibt es dafür aber Hinweise.
- Bei normal ernährten Kindern hat Vitamin C keinen Effekt auf die Häufigkeit von Infekten.
- Bakterien-Extrakte: etc.: Hier sind noch weitere wissenschaftliche Studien notwendig.
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Auch Homöopathie effektiv
Eine Auswertung von 98 wissenschaftlichen Studien hat ergeben, dass die Homöopathie bei der Reduzierung der Häufigkeit von Atemwegsinfekten bei Kindern einen über ein Placebo (Scheinmedikament) hinaus gehenden Effekt hat. Es dürfte auch zu einer Verminderung des Antibiotika-Gebrauchs kommen.
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01.01.2010