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Fall Dutroux: Psyche und Netzwerke der Pädophilen  
  Am ersten Tag des Prozesses gegen den mutmaßlichen Mörder und Kinderschänder Marc Dutroux und seine Komplizen werden sich Millionen Menschen wieder Gedanken machen und Fragen stellen: Was geht in Tätern vor, die Kinder sexuell missbrauchen und wie können weitgesponnene pädophile Netzwerke jahrelang geheim bleiben? Ein österreichischer Sexualwissenschaftler unterzieht sich seit Jahren der Aufgabe, die Psyche pädophiler Menschen zu erkunden und ihren Netzwerken durch die halbe Welt nachzuspüren.  
Der Sexualwissenschaftler Rainer König-Hollerwöger unterhält seit Jahren enge Kontakte zu Opfern und Ex-Tätern sexueller Übergriffe an Kindern. Im In- und Ausland ist er ein gefragter Gutachter - Aufsehen erregte vor genau einem Jahr seine Studie über den Ende der 90er Jahre aufgeflogenen Pädophilen-Ring in Bad Goisern.

Seit damals trifft sich der Sexualforscher nahezu wöchentlich mit Opfern und Ex-Tätern im Salzkammergut und versucht, den Hebel zu finden, mit dem man dem Phänomen Kindesmissbrauch beikommen kann.
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Hintergrund: Prozessbeginn im Fall Dutroux
Ganz Belgien stellt sich seit Montagvormittag einem der schmerzhaftesten und schockierendsten Kapitel seiner jüngeren Vergangenheit. Es geht um den Fall Dutroux und damit um Entführung, Kindesmissbrauch und mehrfachen Mord.
->   ORF.at: Die Verstrickungen im Fall Dutroux
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Lust am Autoritätsverhältnis gegenüber Kindern
Marc Dutroux' Luststrategie - wie König -Hollerwöger sie nennt - ging bis zur Tötung seiner minderjährigen Opfer. Fundament dafür sei die Lust am Autoritätsverhältnis gegenüber Kindern.

Und da geht es für den Sexualforscher schon über die Einzelperson des Täters hinaus und führt ins Reich der unausgesprochenen gesellschaftlichen Tabus von Abhängigkeit und Autorität gegenüber Kindern.
Vom Arbeiter bis zum Universitätsprofessor
Bei viel mehr Zeitgenossen als man gemeinhin annehmen würde, äußere sich diese Lust in sexueller Gewalt ,sagt Rainer König-Hollerwöger, und verweist auf die Erkenntnisse aus Kinderporno-Razzien der letzten Jahre, an deren Bearbeitung auch er Anteil hatte:

"Dass das nur Menschen aus den so genannten 'unteren Schichten' betrifft, stimmt nicht. In Wahrheit - und darum ringe ich - sind Menschen vom Arbeiter bis zum Universitätsprofessor betroffen."

Gesellschaftlich gebe es verschiedene Manöver, Masken und Inszenierungen - "quer durch alle Lager, ob in der Kirche oder außerhalb der Kirche. Die Täterschaften laufen immer in den gesellschaftlichen Spielregeln; dadurch war es lange Zeit so schwer, darüber zu sprechen."
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Aufdeckung wird umso schwieriger
Vor allem, weil sich unter den Angehörigen der Kinderschänder-Ringe in allen Ländern einflussreiche Personen aus Politik, Wirtschaft und Kultur befänden, werde die Aufdeckung umso schwieriger.
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Einblick in Täterpsyche und Organisationsform
König-Hollerwögers Spezialität ist nun, dass er nicht nur mit Opfern und Zeugen von Kindesmissbrauch spricht, sondern auch mit überführten Tätern. So gewinnt er Einblicke in deren Psyche, aber auch die Organisationsform ihrer Netzwerke - Ländergrenzen sind dabei kein Hindernis.
Kinderbilder in der Werbung als "Startschuss"
Bereits simple Darstellungen von Kindern in der Werbeindustrie könnten für solche Täter zu Botschaften, Reizüberflutungen und quasi Startschüssen werden, sagt etwa der Sexualforscher.
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Buch: "Kindsein im Würgegriff sexueller Gewalt"
Den verwinkelten seelischen und gedanklichen Wegen von Kinderschändern versucht Rainer König-Hollerwöger in seinem Buch: "Kindsein im Würgegriff sexueller Gewalt" auf den Grund zu gehen. Erschienen 2003 im Rita Fischer Verlag.
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Gerne in der Rolle von Monstern
Nicht jeder Pädophile wird aufgrund solcher Botschaften gleich zum zweiten Dutroux, aber es gehört zum Psychogramm einschlägiger Täter, die Autorität mit Sexualität koppeln, dass sie sich gerne in der Rolle von Monstern sehen.

Sexual- und Sozialforscher König-Hollerwöger braucht jedenfalls gute Nerven für seine Talfahrt in monströse Abgründe, deren Eigentümer sich selbst meistens als zu Unrecht verfolgte Hüter phantasierter alt-griechischer Sexualmoral sehen. Dennoch steht er zu seiner Methode:

"Dass man sich in die Höhle des Löwen wagt, ist ein Beitrag zur Prävention gegen den Kindesmissbrauch in der Zukunft."
Martin Haidinger, Ö1-Wissenschaft
->   Informationen zu Pädophilie im www.medicine-worldwide.de
 
 
 
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01.01.2010