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Mathematiker berechnen Erfolgsaussichten von Therapien  
  Ob Virus, Bakterium oder bösartig mutierte Krebszelle: Sie alle können gegen die zu ihrer Bekämpfung eingesetzten Medikamente resistent werden, indem einige Vertreter der jeweiligen Krankheitsverursacher sich der so genannten Flucht-Dynamik bedienen. Diese evolutionäre Strategie hat nun ein österreichischer Mathematiker genauer untersucht - und gemeinsam mit Kollegen eine Methode entwickelt, um die Erfolgsaussichten von Therapien gegen Krebs und Co zu berechnen.  
Die Forscher um den gebürtigen Österreicher Martin Nowak von der Harvard University haben ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Proceedings B" (Biological sciences) der britischen Royal Society veröffentlicht.
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Der Artikel "Evolutionary dynamics of escape from biomedical intervention" von Martin Nowak, Franziska Michor und Yoh Iwasa ist erschienen in den "Proceedings: Biological Sciences", Bd. 270, Ausgabe vom 22. Dezember 2003 (DOI 10.1098/rspb.2003.2539).
->   Abstract des Artikels in den "Proceedings"
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Viren und Co: Das Problem der Resistenz
Viren, Bakterien oder Krebszellen haben eines gemeinsam: Bekämpft man sie mit Chemotherapie, Antibiotika oder anderen Medikamenten können einzelne Mikroorganismen bzw. Zellen resistent dagegen werden.

Denn durch die Therapie werden sie einem Selektionsdruck ausgesetzt, den einzelne Organismen bzw. Zellen durch so genannte Flucht-Dynamik zu entgehen versuchen.
Wie viele Erreger entkommen der Therapie?
Der Mathematik- und Biologe-Professor Martin Nowak hat nun gemeinsam mit Kollegen eine Methode entwickelt, mit der die Wahrscheinlichkeit berechnet werden kann, ob und wie viele Erreger bzw. Krebszellen durch evolutionäre Dynamik der Therapie entkommen.
Flucht-Dynamik am Beispiel eines Krebs-Patienten
Im Gespräch mit der APA erklärt Nowak das Problem der evolutionären Flucht-Dynamik anhand der Behandlung eines Krebs-Patienten:

Dessen Krebs-Zellen haben - so wie alle Zellen - durch zufällig entstandene Mutationen ein leicht unterschiedliches Erbgut. Wird der Patient nun mit Chemotherapie behandelt, unterscheiden sich die Krebszellen je nach Mutation in ihrer Empfindlichkeit gegenüber dem Medikament.

Manche der vorhandenen Mutationen können teilweise oder völlige Resistenz gegenüber dem Chemotherapeutikum mit sich bringen. Außerdem können während der Behandlung noch neue Resistenz-Mutationen entstehen.
Behandlung kontra "Flucht-Mutanten"
Erfolgreich wird die Behandlung nur sein, wenn alle Krebszellen vernichtet sind, ehe eine zu große Zahl an "Flucht-Mutanten" entstanden ist, die ihr unkontrolliertes Wachstum fortsetzen können.
Berechnung der Erfolgsaussichten einer Therapie
"Wir haben nun eine mathematische Methode entwickelt, um die Wahrscheinlichkeit auszurechnen, ob die Chemotherapie erfolgreich ist oder nicht", betont Nowak. Dafür sind allerdings zahlreiche Daten notwendig:

In der Berechnung müssen die Mutationsraten der Mikroorganismen bzw. Krebszellen, die Konsequenzen der unterschiedlichen Mutationen auf die Zelle bzw. Mikroorganismus, deren Empfindlichkeit gegenüber dem Therapeutikum sowie deren Anzahl im Organismus berücksichtigt werden.
Von Interesse für Mediziner und Pharmaindustrie
Von Interesse sind solche Methoden, die der Wissenschaftler in der publizierten Arbeit an Hand der Beispiele einer HIV- und einer Krebstherapie vorgestellt hat, für Mediziner und die pharmazeutische Industrie.

"Sie können damit die Erfolgsaussichten verschiedener Behandlungsmethoden abschätzen und auch ein quantitatives Verständnis der Resistenz erhalten", betonte Nowak.

Die Berechnungen können aber nicht nur für die Erfolgsaussichten einer Therapie in einem Individuum angewendet werden. Sie eignen sich auch dafür, den Erfolg von Krankheits-Bekämpfungsmaßnahmen in einer Bevölkerung abschätzen zu können.
->   Program for Evolutionary Dynamics der Harvard University
->   Martin Nowaks Homepage (www.harvard.edu)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Neues Mittel gegen resistente Bakterien entwickelt (10.12.03)
->   HIV-Resistenz als Erbe der Pockenepidemien (18.11.03)
->   Neue Technologie gegen Antibiotika-Resistenzen (8.10.03)
 
 
 
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01.01.2010