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Phänologie: Wenn die Natur erwacht  
  Auch wenn es im heurigen langen und kalten Winter nicht danach aussieht: In den vergangenen Jahrzehnten haben gestiegene Temperaturen dazu geführt, dass Pflanzen immer früher zu blühen begannen. Wissenschaftlich setzt sich damit die "Phänologie" auseinander. Die beiden Meteorologen Elisabeth Koch und Helfried Scheifinger stellen sie in einem Gastbeitrag vor - und fordern zum Mitmachen auf, falls Sie selbst Naturbeobachtungen machen.  
Was ist Phänologie?
Von Elisabeth Koch und Helfried Scheifinger

Die Phänologie beschäftigt sich mit den jahreszeitlich bedingten Erscheinungen (als Phasen bezeichnet) bei Tier und Pflanze. Wenn man den Begriff Phänologie etwas erweitert, kann sie allgemein als die Untersuchung von Naturereignissen einschließlich biologischer Ereignisse, die mit dem Jahreszyklus des Klimas in Beziehung stehen, verstanden werden.

Der Zeitpunkt, an dem diese Phasen (etwa das Blühen von Pflanzen, das Brüten von Vögeln) eintreten, wird als Datum oder als Tag ab Jahresbeginn notiert. Diese Daten erlauben es, über die reine Beobachtung hinaus eine Charakterisierung der Pflanzen- und Tierentwicklung eines Jahres, eine räumliche Analyse auf unterschiedlichen Skalen sowie Untersuchungen zeitlicher Verschiebungen anhand langjähriger Reihen vorzunehmen. Der zeitliche Aspekt rückte in der phänologischen Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten in den Vordergrund.
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Das phänologische Netz in Österreich: Machen Sie mit
Derzeit sind etwa 120 ehrenamtliche Beobachter im Rahmen des phänologischen Messnetzes der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) tätig. Leider ist die Messnetzdichte sehr unterschiedlich. Vor allem in Tirol, den südlichen Landesteilen von Oberösterreich und der Steiermark sowie in den Tauerntälern Kärntens bestehen größere Lücken.

Falls Sie Interesse haben, diese Lücken zu füllen, melden Sie sich bitte bei der ZAMG, 1190 Wien, Hohe Warte 38 oder per E-Mail: klimat@zamg.ac.at. Wir geben Ihnen dann nähere Details zum phänologischen Beobachtungsprogramm bekannt.
Elisabeth Koch, Helfried Scheifinger
1190 Wien, Hohe Warte 38
->   ZAMG
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Forschungsschwerpunkt Global Change
Europa besitzt für Global-Change-Studien ein reichhaltiges, lang zurückreichendes Datenmaterial, das nicht nur auf "physikalischen Elementen" wie Temperatur, Feuchtigkeit und Ähnlichem beruht, sondern wesentlich umfassender ist.

Dazu zählen die phänologischen Beobachtungen, die von vielen europäischen Wetterdiensten erhoben werden (z. B. Deutscher Wetterdienst, Schweizerische Meteorologische Zentralanstalt, Czech Hydro Meteorological Institute etc.).
ZAMG-Messnetz seit 150 Jahren
In Österreich betreibt die ZAMG seit 1852, also bereits ein Jahr nach ihrer Gründung, ein derartiges Messnetz, das von Carl Fritsch, Vizedirektor der k. k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus aufgebaut wurde.

Er verfasste im Jahr 1853 eine "Instruction für Vegetationsbeobachtungen" (Fritsch, 1853), um Beobachtungen an Pflanzen untereinander vergleichbar und damit einer wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich zu machen. Dieses Netz fand zwar mit dem Tod von Fritsch sein Ende und viele Daten des Folgenetzes gingen in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren. Seit 1950 ist ausreichend Material für eine wissenschaftliche Bearbeitung vorhanden.
Pflanzen reagieren auf geringe Temperaturänderungen
Für einen Laien mag der Anstieg der globalen Mitteltemperatur um 0,6 Grad Celsius (plus/minus 0,2 Grad) und um etwa 1,2 Grad Celsius in Mitteleuropa belanglos erscheinen. Untersuchungen langer phänologischer Beobachtungsreihen ergeben jedoch, dass Pflanzen durchaus auf diese vergleichsweise geringen Veränderungen ihrer atmosphärischen Umwelt vor allem in mittleren und höheren Breiten der nördlichen Hemisphäre reagieren.

Sie können damit gleichsam als empfindliche Messinstrumente der lokalen Atmosphäre betrachtet werden. Unter anderem wurde im Rahmen des EU-Projektes "Positive" - ein Projekt, an dem die ZAMG als österreichischer Partner beteiligt war und das durch das Wissenschaftsministerium mitfinanziert wurde - die Steuerung der Eintrittstermine der Pflanzenphasen durch die Atmosphäre untersucht.
->   Positive
Ein Grad mehr heißt eine Woche frühere Blüte
Bis zu 90 Prozent der Variabilität der Eintrittstermine der phänologischen Phasen von Jahr zu Jahr können durch die Variabilität der bodennahen Lufttemperatur erklärt werden. Eine Temperaturzunahme um ein Grad Celsius im Frühjahr bedingt ein um etwa eine Woche früheres Einsetzen von Frühlingsphasen, wie die Blüte der Hasel oder der Kirsche.
Verstärkte Verfrühungstendenz
Die Zeitreihen zeigen ab Mitte der 1980er Jahre eine verstärkte Verfrühungstendenz fast aller Frühlingsphasen. Im Mittel ergibt sich für die Blattentfaltung und Blüte in Europa eine Verfrühung von 1,4 bis 3,1 Tagen pro Jahrzehnt bzw. um 1,2 bis 2,0 Tage pro Dekade in Nordamerika.
Boden-Lufttemperatur hängt von Luftdruckverteilung ab
Des Weiteren zeigt sich, dass die bodennahe Lufttemperatur und damit Pflanzenentwicklung im Frühling in Nord- und Mitteleuropa von der Verteilung des Luftdrucks über dem Atlantik gesteuert wird.

Der Sprung zu deutlich früheren Eintrittsterminen der Pflanzenphasen, der in den phänologischen Zeitreihen Mitte der 1980er Jahre zu beobachten ist, kann bis zu einem hohen Grad durch das Verhalten des NAO-Index, das ist der Nordatlantische Oszillations-Index, erklärt werden.
Trend zu früherem Beginn der Pflanzenphasen
Die Phase "Beginn des Stäubens des Haselstrauches" gehört zum phänologischen Vorfrühling und fällt damit genau in den Zeitbereich, währenddessen der NAOI die bodennahen Temperaturverhältnisse am stärksten steuert. So lässt sich beobachten, dass der Haselstrauch seit 1951 um zehn bis 15 Tage früher zu stäuben beginnt.

Der Trend zu einem zeitigeren Beginn der Pflanzenphasen wird im weiteren Verlauf des Frühlings bis zum Frühsommer hin geringer. Herbstliche Phasen hingegen weisen eine Tendenz zu verspätetem Beginn auf, allerdings nicht in dem Maße wie die Frühjahrsphasen zu früheren Eintrittszeiten. In Summe ergibt sich eine Verlängerung der Vegetationsperiode, regional unterschiedlich, um 3,6 Tage pro Dekade in den letzten drei bis fünf Jahrzehnten.
Spätfrostrisiko wurde geringer
Phänologie und Spätfrostschäden sind miteinander ursächlich verbunden. Im Laufe des Frühlings verringern die Holzgewächse nach und nach ihre Widerstandsfähigkeit gegen den Frost, beginnen Laub auszutreiben und Blüten zu bilden. Ereignen sich während dieser sensiblen Periode Kälterückfälle verbunden mit tiefen Temperaturen, können die Pflanzen nachhaltig geschädigt werden.

Vergleicht man die Zeitreihen der Tagesminima der Lufttemperatur mit den Zeitreihen der phänologischen Frühjahrsphasen, so zeigt sich, dass sich die letzten Frostereignisse rascher zu früheren Terminen hin verschieben als die Pflanzenphasen. Die Pflanzen scheinen also "vorsichtig" auf die Erwärmung im Frühjahr zu reagieren. Das tatsächliche Spätfrostrisiko ist daher in den letzten Dekaden geringer geworden.
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Über die Autoren
Die Klimatologin Elisabeth Koch und der Umweltmeteorologe Helfried Scheifinger arbeiten an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien, Spezialgebiet Phänologie.
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Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Wie Pflanzen wissen, wann sie blühen müssen (20.2.04)
->   Gene lassen Blumen den Frühling erkennen (19.9.02)
->   Klimawandel verändert Fauna und Flora (2.1.02)
 
 
 
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01.01.2010