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Unbewusste Wahrnehmungen lösen Gefühle aus  
  Bilder, die an schlechte Erfahrungen erinnern, können ein Gefühl des Unwohlseins hervorrufen. Wie Forscher nun berichten, zeigt der Körper diese Reaktion auch, wenn man die Bilder gar nicht bewusst wahrnimmt.  
Dies berichten Forscher vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität Tübingen in der britischen Fachzeitschrift "Nature Neuroscience".
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Die Studie erschien unter dem Titel "Parietal somatosensory association cortex mediates affective blindsight" als Online-Vorabpublikation in "Nature Neuroscience" (14. März 2004, doi:10.1038/nn1213).
->   Abstract der Studie in "Nature Neuroscience"
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Tests an Patienten mit geschädigtem Sehvermögen
Bilder, die etwa einen großen Hund mit gefletschten Zähnen oder den Blick in eine Zahnarztpraxis darstellen, können beim jeweiligen Betrachter recht unangenehme Empfindungen auslösen.

Doch müssen wir diese Bilder bewusst wahrnehmen, damit solche unguten Gefühle entstehen können? Die Tübinger Wissenschaftler sind dieser Frage mit Experimenten an Patienten nachgegangen, deren Sehrinde teilweise geschädigt war. Sie litten an so genannter Rindenblindheit.
Auge intakt, Verletzung in der Großhirnrinde
Bei dieser Erkrankung sind das Auge und der Sehnerv intakt, doch ein Teil der Bereiche in der Großhirnrinde, die eine bewusste visuelle Wahrnehmung erst möglich machen, geschädigt. Betroffene haben also ein eingeschränktes Blickfeld.
Emotionale Reaktionen ohne bewusste Wahrnehmung
Den Versuchsteilnehmern wurde zunächst ein Bild eines Mannes mit neutralem Gesichtsausdruck gezeigt, dass bald mit einem unangenehmen Schrei gepaart wurde.

Später wurde ihnen allein das Gesicht in dem geschädigten Teil ihres Gesichtsfeldes präsentiert - und obwohl die Versuchsteilnehmer es dann nicht bewusst sehen konnten, löste es emotionale Reaktionen aus.
Uralte Strukturen des Gehirns als Ursache?
Die Tübinger Biologin Silke Anders vermutet laut einer Aussendung der Universität, dass für diese Reaktionen stammesgeschichtlich alte Strukturen des Gehirns verantwortlich sind.

So könnten visuelle Informationen zur Amygdala (Mandelkern) tief im Innern des Gehirns gelangen und dort emotionale Reaktionen auslösen, ohne dabei die Sehrinde im Großhirn zu passieren.
Negative Gefühle als Folge
Doch die Darbietung des Gesichts führte nicht nur zu einer Verstärkung unwillkürlicher emotionaler Reaktionen. Die Versuchsteilnehmer berichteten auch von negativen Gefühlen in Gegenwart des Gesichts.

Offensichtlich kann also auch eine visuelle Wahrnehmung, die nicht bewusst wird, Gefühle auslösen.

Silke Anders sieht in diesen Studienergebnissen eine Bestätigung der mehr als hundert Jahre alten Vermutung des amerikanischen Psychologen William James: "Nicht weil wir etwas Bestimmtes sehen, beginnen wir uns zu fürchten und zu zittern, sondern weil wir zittern, fürchten wir uns."
->   Institut für Medizinische Psychologie der Universität Tübingen
->   Mehr zum Stichwort Wahrnehmung in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010