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Flexible Flugzeugflügel für mehr Aerodynamik  
  Die Tragflächen heutiger Flugzeuge stellen einen aerodynamischen Kompromiss dar. Die unterschiedlichen Bedingungen bei Start, Flug und Landung werden nur eingeschränkt berücksichtigt. Die Folge: abhängig vom Flugzustand erhöht sich der Luftwiderstand - und damit Treibstoffverbrauch und Schadstoffausstoß. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts arbeiten Luftfahrtingenieure daher an flexiblen Flügeln mit optimalen Strömungseigenschaften.  
Für den uralten Menschheitstraum vom Fliegen stand einst die Vogelwelt Pate. Der Sage nach schmückte sich schon Ikarus mit fremden Federn - das Abenteuer endete bekanntlich fatal.
Vorbild Vogelflug: Flexible Anpassung
Auch die Pioniere der Luftfahrt orientierten sich am Vogelflug: Otto Lilienthal etwa baute Flugapparate, die eindeutig an Vogelschwingen erinnern.

Und als den Brüder Wilbur und Orville Wright vor etwas mehr als 100 Jahren der erste dokumentierte Motorflug der Geschichte gelang, steuerten sie ihren "Flyer One" so, wie es auch Vögel tun: Sie verformten die Wölbung der Tragflächen.

Denn Vögel beherrschen den gleitenden Übergang: Sie können ihre Schwingen der jeweiligen Flugsituation flexibel anpassen.
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Flugzeuge: Stabile, aber starre Tragflächen
Seit den Anfangstagen der Luftfahrt hat sich die Flugzeugtechnik stark weiter entwickelt. Die Konstrukteure gingen zu stabilen, aber starren Tragflächen über. Dennoch reagiert ein Flugzeug im gesamten gesehen elastisch auf die Kräfte, denen es während des Fluges ausgesetzt sind.

"Der Flügel verbiegt sich durch die Aerodynamik nach oben und durch die Belastung aus dem Eigengewicht und aus dem Treibstoff nach unten", erläutert Projektleiter Johannes Schweiger vom europäischen Luftfahrtkonzern EADS. "Während des Fluges wird der Flügel durch die anströmende Luft nach oben verbogen. Wenn der Treibstoff abnimmt, wird er noch stärker nach oben gebogen. Das verursacht speziell beim Pfeilflügel Verwindungen in Strömungsrichtung, die negativ auf die Aerodynamik wirken."
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"Aeroelastik" nach Möglichkeit vermieden
Die Kräfte, die bei einem Flugzeug in der Luft auftreten, werden unter dem Begriff Aeroelastik zusammengefasst. Bisher versuchten die Ingenieure, aeroelastische Effekte durch möglichst steife Bauteile zu unterdrücken - und das mit gutem Grund.

Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen könnten während des Fluges unerwünschte Schwingungen entstehen und sich immer weiter aufschaukeln. Dieses so genannte "Flattern" führt im Extremfall bis zur Zerstörung des Flugzeugs.

Steife Strukturen verhindern diesen gefährlichen Effekt. Zugleich erhöhen sie jedoch das Gewicht - und damit den Treibstoffverbrauch.
Neue Konzepte mit tragender Rolle
Bild: Modern Times
Bei ihrem Projekt "3AS" (Active Aeroelastic Aircraft Structure) untersuchen die europäischen Forscher nun neue Konzepte, mit denen sie die Aerodynamik von Tragflächen optimieren wollen.

Immerhin tragen die Flächen im Flug bis zu einem Drittel zum gesamten Luftwiderstand eines Flugzeugs bei. Strömungsgünstigere Konstruktionen könnten aber nicht nur Treibstoff sparen, sondern auch die Flugeigenschaften weiter verbessern.
->   Website des "3AS"-Projekts
Von der Not zur Tugend
Künftig wollen die beteiligten Wissenschafter aus der Not eine Tugend machen: Sie versuchen, die aeroelastischen Eigenschaften von Flugzeugflügeln gezielt zu nutzen.

So sollen etwa kleine zusätzliche Steuerflächen das Verwinden der Tragfläche im Flug beeinflussen - und die Aerodynamik dadurch stets im optimalen Bereich halten.
Testflug im Windkanal
Bild: Modern Times
Im Windkanal eines Moskauer Instituts für Luftfahrtforschung erprobten die Ingenieure das realitätsnahe Modell einer Tragfläche. Die ersten Versuche verliefen vielversprechend - die kleinen Zusatzflächen an der Flügelspitze haben tatsächlich die gewünschte Wirkung.

Die Forscher untersuchten auch aerodynamische Grenzfälle. Flatterhaftes Verhalten ist dabei eindeutig fehl am Platz - hat im Flugzeugbau doch Sicherheit oberste Priorität.
"Vogelschwingen" im Flugverkehr brauchen ihre Zeit
Daher rechnet Projektleiter Johannes Schweiger damit, dass es noch mindestens zehn Jahre dauern wird, ehe Passagierflugzeuge mit "Vogelschwingen" abheben.
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NASA-Pendant "Twist Wing": Erste Testflüge absolviert
Auch die NASA arbeitet schon seit einiger Zeit an einem Projekt zu "flexiblen Flügeln" - und ist dabei schon ein paar Schritte weiter. Hauptinteressent und Projektpartner der NASA ist - wenig überraschend - die U.S. Airforce: Die Militärs erhoffen sich wendigere Maschinen für extreme Flugmanöver.

Ein Kampfjet vom Typ F-18, der mit der neuen "Twist Wing"-Technik ausgerüstet wurde, hat bereits erfolgreiche Testflüge absolviert.
->   "Twist Wing"-Projekt der NASA
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Vision der Zukunft: Formflexible Flügel
Bild: Modern Times
Doch die Zukunftspläne gehen noch sehr viel weiter: Amerikanischen Luftfahrtingenieuren schwebt ein Flugzeug vor, das nicht allein die Wölbung der Tragflächen den jeweiligen aerodynamischen Verhältnissen anpasst.

Vielmehr soll dieser Flugapparat mit dem Arbeitstitel "Morphing Aircraft" einen "fliegenden Wechsel" absolvieren können. Laut Plan wird der Pilot gleich die gesamte äußere Form der Tragflächen während des Fluges verändern können.

Erste Entwürfe für eine unbemannte Version existieren bereits - wenn auch vorerst nur im Computer.

Ivo Filatsch, Modern Times
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Mehr Informationen zu diesem Thema erhalten Sie in der Sendung "Modern Times" am Freitag, 19.3.2004 um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   Modern Times
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Mehr rund um das Fliegen in science.ORF.at:
->   Astronomische Beobachtungen vom Flugzeug aus (28.11.03)
->   Wissenschaftler warnt vor mehr Flugzeugkollisionen (13.11.03)
->   Forschungsprojekt zu "Lärm im Flugzeug" (2.5.03)
->   Der "Cartercopter": Hubzeug oder Flugschrauber? (22.11.02)
 
 
 
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01.01.2010