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Kulturzeitschrift "magnum": Modern oder reaktionär?  
  Mit der kulturellen Entwicklung Österreichs in der Nachkriegszeit und ihrer Ambivalenz zwischen Moderne und Tradition beschäftigt sich derzeit die Kunsthistorikerin Margarethe Szeless am IFK in Wien - und zwar am Beispiel von "magnum", einer Kulturzeitschrift, die von ihren Lesern geradezu als "eye-opener" für die Moderne empfunden wurde.  
"Auge statt Vernunft"

von Margarethe Szeless

Mein Forschungsprojekt beschäftigt sich mit der Kulturzeitschrift "magnum - Die Zeitschrift für das moderne Leben", die von 1954 bis 1957 in Wien und anschließend bis 1964 in Köln erschien.

Ihr Herausgeber, Karl Pawek (1906-1983), war zu diesem Zeitpunkt kein unbeschriebenes Blatt. Er gab nämlich ab 1935 das Renommierblatt des österreichischen Ständestaates, die Kulturzeitschrift "die pause", heraus. In dieser Zeit, so meine These, liegen die ideologischen Wurzeln von Karl Paweks Weltanschauung, die er sowohl in "magnum" als auch in seiner umfassenden Kultur- und Medientheorie der 1960er Jahre zum Ausdruck bringt.
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Margarethe Szeless spricht zum Thema am Montag, 22. März 2004, um 18 Uhr c.t. am IFK Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Reichsratsstraße 17, 1010 Wien.
->   IFK
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Avancierte Bildsprache

"Magnum" hat bis dato eine durchaus affirmative Rezeption als "Mulitplikator der Moderne" erfahren. Als modern gilt die Zeitschrift wegen ihres eigenständigen und suggestiven Einsatzes von Life-Photographie.

Typisch dafür ist die Gegenüberstellung von zwei Photos auf einer Doppelseite, was Pawek einen "Dialog der Bilder" nennt. Die weitaus größte Anzahl der Bildkonfrontationen folgt dem Prinzip der Polarität oder Opposition. Dementsprechend wird Moderne in "magnum" bevorzugt in den Gegensatzpaaren Archaik-Moderne, Tradition-Moderne oder in der Gegenüberstellung von früher und heute thematisiert.
Organische Beziehung von Tradition und Moderne

Damit konstruiert Pawek eine scheinbar organische Beziehung zwischen vergangenen und aktuellen Stilen sowie zwischen Tradition und Moderne. Dementsprechend werden in der Zeitschrift stilistische und weltanschauliche Gegensätze neutralisiert und in ein dichtes Netzwerk aus kulturellen und historischen Bezügen transformiert.

Die Vergangenheit, die gezeigt wird, ist eine Vergangenheit der ewigen Werte, des Christlichen und der Tradition. In der permanenten Gegenüberstellung von Vergangenem und Aktuellem in "magnum" wird eine bestimmte Vergangenheit (das Erbe, wie es in der Zeitschrift so oft heißt) wieder belebt und als integraler Bestandteil der Gegenwart reklamiert.
Rückwärtsgewandte Weltanschauung
"Magnums" visuelle Rhetorik dient somit dem Entwurf einer christlich überformten Moderne, die zutiefst reaktionäre Züge trägt. Denn Paweks Kulturbegriff stammt aus der Zwischenkriegszeit. Damals besuchte er als Theologiestudent die Seminare des Nationalökonomen Othmar Spann (1878-1950) und verfasste im Jahre 1931 eine Dissertation über dessen Gesellschaftslehre.

Othmar Spann gilt als intellektueller Vordenker und Wegbegleiter des Österreichischen Ständestaates. Er setzt sein Gesellschaftsmodell gezielt politisch ein und fungiert als programmatischer Berater der Heimwehren der Ersten Republik und als Propagandist eines ständischen Gesellschaftsaufbaus.
"Tolerantes Auge" statt "kalter Vernunft"
In diesem frühen Bekenntnis zur Lehre Spanns liegt der Schlüssel zu Paweks Kulturtheorie nach 1945, in der er das Gedankengut seines Lehrers aufgreift und unter dem Deckmantel einer zeitgemäßen Medientheorie zu aktualisieren sucht.

"Auge statt Vernunft" lautet das Grunddiktum von Paweks "optischem Zeitalter", in dem Photographie das neue Erkenntnismittel darstellt. Mit diesem Slogan schließt er direkt an die Polemik Othmar Spanns gegen Vernunft und Aufklärung an. Bei Pawek wird die "kalte Vernunft" vom "toleranten Auge" abgelöst, das für Intuition, für inneres Wissen und für Irrationalität steht.

Diese Eigenschaften, einst Hoffnungsträger von Spanns protofaschistischer Ideologie, werden von Pawek Mitte der 1960er Jahre zu Kernqualitäten des "optischen Zeitalters" umgedeutet.
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Margarethe Szeless, Mag. phil., studierte Kunstgeschichte in Wien, Paris und Budapest. 2001-2002 Mitarbeiterin in dem Forschungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur: "Masse - Kultur - Raum. Wiener Moderne 1950-1970". 2002 Forschungsprojekt am Ungarischen Museum für Fotografie in Budapest und freiberufliche Kunstkritikerin.
2003/2004 IFK_Junior Fellow mit dem Projekt "Fotografie zwischen Modernität und Restauration: Karl Paweks Kulturzeitschrift "magnum" im Wiener Kontext der 1950er Jahre".

Publikationen u.a.: Sozialdokumentation und Narrativisierung. Der Lichtbildervortrag "Durch die Wiener Quartiere des Elends und des Verbrechens", in: Fotogeschichte 74 (1999), S. 35-44; Der Beethovenfries - Provenienz- und Ausstellungsgeschichte, in: Gustav Klimt, Beethovenfries/Secession, Wien 2002, S. 49-67; Burda Fashions - A Wish That Doesn't Have to Be Wishful Thinking: Home-Dressmaking in Austria 1950-1970, in: cultural studies 16 (2002) 6, S. 848-862
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01.01.2010