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"Geothermie": Das Erdinnere als lokale Energiequelle  
  Die Erde lässt täglich ein Vielfaches des menschlichen Energiebedarfs in Form von Wärme in den Weltraum verpuffen. Doch die Energiequelle lässt sich durchaus anzapfen. Das Zauberwort lautet "Geothermie": Nutzung der Erdwärme. Ein europäisches Pilotprojekt versucht dies nun im geologisch eigentlich weniger geeigneten Mitteleuropa. Bis 2007 soll im Elsass eine Sechs-Megawatt-Pilotanlage realisiert werden. Dafür bohren die Forscher 5.000 Meter tief in das Erdinnere.  
Je tiefer man in das Erdinnere gräbt, desto höher steigen die Temperaturen - in etwa um drei Grad pro 100 Meter. Diese Tatsache nützt die Technologie der "Geothermie" zur Energieproduktion:

Wasser wird in Rohren und dichten "Rissen" kilometertiefer Felsformationen im Kreislauf geschickt, dadurch erhitzt und über Wärmetauscher für den Antrieb von Strom-Turbinen eingesetzt. Auf diesem - eigentlich simplen - Grundprinzip basiert das "European Hot Dry Rock"-Projekt im elsässischen Soultz nahe der deutschen Grenze am Rheingraben.
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Geothermie: Die Nutzung der Erdwärme
Geothermie spielt eine zunehmende Rolle für die "saubere" Energiegewinnung: Mit der entsprechenden Technologie könnte diese praktisch an jedem Ort der Welt als Wärmelieferant genutzt werden, meinen Fachleute. Die Grundlagen: Im Inneren der Erde herrschen Schätzungen zufolge Temperaturen von 5.000 bis 6.000 Grad Celsius, in der Erdkruste immerhin noch bis zu 1.000 Grad. Je nach den geologischen Bedingungen muss man mehr oder weniger weit in die Tiefe gehen, um diese Temperaturen für die Energiegewinnung anzuzapfen.
->   Ausführliche Informationen zu Geothermie (www.geothermie.de)
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Pilotanlage bis 2007: Leistung von sechs Megawatt
"Bis 2007 werden wir eine Pilotanlage mit einer elektrischen Leistung von sechs Megawatt realisieren", kündigte Projektkoordinator Jörg Baumgärtner von der deutschen Bestec Gmbh bei einem Medienbriefing der EU-Kommission zu geförderten Initiativen auf dem Sektor Erneuerbarer Energien im spanischen Almeria an.

Dazu muss Wasser - 360 Kubikmeter pro Stunde - in eine Felsformation in rund 5.000 Meter Tiefe gepresst werden, wo etwa 200 Grad Celsius herrschen. Derzeit laufen die Explorationsarbeiten, u.a. auch für eine Erweiterung natürlicher Risse im Fels durch Wasserdruck, um das Volumen für den "Wärmeträger" zu erhöhen.

Eingesetzt werden für die "Geothermie" Technologien, die sich bereits bei der Erdöl- und Erdgaserschließung bewährt haben.
->   Weitere Informationen zum HDR-Verfahren (www.geothermie.de)
Geringe Auswirkungen auf die Umwelt
"Die Umweltauswirkungen sind - ebenso wie die geologischen Risiken - sehr gering. Das Wasser wird im Kreislauf geführt, die darin enthaltenen Mineralien gehen daher nicht verloren", betonte Baumgärtner.

"Dafür ist der Öko-Effekt über Boden sehr groß - und zwar im positiven Sinn." Denn durch die Ausbeutung des Erdinneren als lokale Energiequelle könne man sich tendenziell von anderen (fossilen) Energie-Quellen abkoppeln.
Das HDR-Pilotkraftwerk in Soultz-sous-Forets
 
Bild: Tom Hettkamp

So soll das HDR-Pilotkraftwerk in Soultz-sous-Forets nach seiner Fertigstellung aussehen.

Die Abkühlung eines "Blockes" von einem Kubikkilometer von 200 auf 180 Grad Celsius setzt nach Angaben des Fachmannes so viel Energie frei, dass damit rund 1,3 Millionen Tonnen Rohöl ersetzt substituiert werden können.

Das reiche, um eine Stadt mit 10.000 Einwohnern 20 Jahre lang mit Elektrizität zu versorgen, so Baumgärnter.
Standortwechsel nach 15 bis 20 Jahren
Die für die "Geothermie" benützten tiefen "Reservoirs" kühlen im Lauf von 15 bis 20 Jahren ab. Dann muss der Standort gewechselt werden, die Felsformation erwärmt sich nach einiger Zeit wieder auf das frühere Niveau.
Experte: Riesiges Potenzial für "Geothermie"
Bild: Tom Hettkamp
Temperaturverteilung in Europa - in einer Tiefe von etwa 5.000 Metern - je dunkler der Rotton, desto höher die Temperaturen.
Grundsätzlich sieht der Experte ein riesiges Potenzial für die "Geothermie": Entsprechende aktive Regionen - im Allgemeinen das, was man "Erdbebenzonen" nennt - gebe es genug, etwa in Mittel- und Südeuropa, in Afrika, in Nord- und Südamerika (jeweils an der Westküste) sowie im Osten Asien und in Ozeanien.

Ein - noch theoretisches - Rechenbeispiel von Baumgärtner: Die in Europa verfügbaren Ressourcen (Zonen mit über 200 Grad in fünf Kilometer Tiefe) belaufen sich auf 125.000 Quadratkilometer.

Würde man auch nur zehn Prozent davon nutzen, so könnte man aus einer etwa einen Kilometer dicken Schicht unterhalb dieser 12.500 Quadratkilometer im Jahr 900 Terrawattstunden (TWh) gewinnen - und damit mehr als die derzeitige Produktion aller europäischen AKW zusammen.

Werner Müllner, APA
science.ORF.at
->   Projekt-Homepage Soultz-sous-Forets
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01.01.2010