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Allergien: DNA-Impfstoffe als Therapie der Zukunft  
  Auch in Österreich leiden immer mehr Menschen unter Allergien. Wer gerade jetzt unter Birken-, Hasel- oder Erlenpollen leidet, muss sich noch mit den gebräuchlichen Therapieformen begnügen. Doch für künftige Generationen von Allergikern könnte ein genetischer Impfstoff, der ganz gezielt und individuell abgestimmt vor Allergien schützt, schon Realität sein. Ein Team von Salzburger Wissenschaftlern arbeitet an der Grundlagenforschung - und kann auf Erfolg versprechende Ergebnisse verweisen.  
Ganz gezielt ansetzende DNA-Impfstoffe, die in minimalen Mengen große Wirkung zeigen und sich - nachdem sie ihre Aufgabe erfüllt haben - selbst zerstören, seien im Tierversuch bei der Maus schon Realität, erläuterte Josef Thalhamer, Biochemiker an der Universität Salzburg, im Gespräch mit der APA.
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Noch langer Weg bis zu ersten Tests am Menschen
Die Erfolge der Forscher, die in Salzburg den Grundstein für Impfstoffe der Zukunft legen, geben Hoffnung. Doch bis es so weit ist, dass diese Form der Immunisierung im klinischen Versuch bei Menschen angewandt werden kann, muss noch ein langer Weg zurückgelegt werden, weiß Thalhamer. Immerhin wird dabei schon an der "dritten Generation" der DNA-Vakzine geforscht.

Die Salzburger sind in ein internationales Netzwerk von Allergieforschern eingebunden. Die Suche nach DNA-Vakzinen ist Teil der Allergieforschung, die an der Universität Salzburg im Rahmen des Schwerpunkts "Biowissenschaften und Gesundheit" gemacht wird. Rund 20 Forscher arbeiten an den DNA-Vakzinen, im Allergiebereich sind in Salzburg rund 60 Forscher beschäftigt.
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Die "erste Generation" funktioniert
Mit der "ersten Generation" der DNA-Vakzine wird Information in die Zelle eingebracht. Mit dieser produziert sich der Körper selbst seinen Impfstoff und die Zelle erhält zusätzlich den Befehl, was sie mit diesem Stoff tun soll, damit das Immunsystem optimal reagiert:

Sie transportiert den Impfstoff nach außen, belässt ihn in der Zelle oder klebt ihn an die Zell-Außenwand.

"Diese Klaviatur beherrschen wir", erläutert Thalhamer. Nun gehe es an die Feinarbeit: Minimierung der Dosierung, Verbesserung der Wirkung oder das Herausfinden jener Unterschiede, die solche Impfstoffe bei der Maus besser funktionieren lassen als beim Menschen.
Auch Nebenwirkungen im Blickpunkt
In der zweiten Generation dieser DNA-Vakzine ging es darum, die Nebenwirkungen, die mit einer Allergieimpfung verbunden sind, zu reduzieren oder überhaupt verschwinden zu lassen.

Erkennt der Körper nämlich das Allergen, das ihm zur Immunisierung gespritzt wird, reagiert er manchmal mit Schwellungen, Asthmaanfällen oder anderen Schocksymptomen. Ein Grund, warum viele Patienten die Immuntherapie nach einiger Zeit abbrechen.
Allergene in den Körper "eingeschmuggelt"
Die Forscher haben nun die DNA-Vakzine so verändert, dass die Oberflächen der Allergene im Impfstoff nicht mehr erkannt werden. Sie werden quasi eingeschmuggelt: Die einem Wollknäuel ähnlichen Eiweiß-Stränge würden zu Fragmenten "zerrissen" und wieder zusammengeknüllt, veranschaulicht Thalhamer diesen komplizierten Prozess.

Die für eine schützende Immunreaktion notwendigen Informationen blieben erhalten, die Oberflächen seien aber für allergie-auslösende Zellen nicht mehr als "Feinde" erkennbar. Das Ergebnis: Der Körper reagiert auf die Impfung nicht mehr mit einem allergischen Schock.
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Molekül Ubiquitin soll Effekt verstärken
Weil dieser "Trick" bei den Birkenpollen perfekt funktioniere, bei Gräserpollen aber nicht, sei man noch einen Schritt weiter gegangen, erläutert der Forscher: Sie fügen zu den Vakzinen der Zukunft Ubiquitin dazu. Dieses Molekül zieht den Impfstoff innerhalb der Zellen in eine winzige "Häckselmaschine", auch Proteasom genannt, schildert Thalhamer.

Das Proteasom zerschneidet die Allergene in solche Fragmente, die der Körper nicht mehr als gefährlich erkennt, die Impf-Informationen bleiben aber erhalten. "Der Mechanismus sorgt außerdem für einen Verstärkereffekt. Der Impfstoff wird in der Form präsentiert, in der er gebraucht wird", freut sich Thalhamer über die Erfolge, die im Tierversuch schon eindeutig bewiesen sind.
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Wie der Impfstoff entsorgt werden kann
Und auch auf einem anderen Gebiet sind die Salzburger Forscher schon einen großen Schritt weiter gekommen: Die Impfstoffe sollen, nachdem sie ihre wohltuende Wirkung entfaltet haben, auch wieder aus dem Körper verschwinden.

Die erste Generation der DNA-Vakzine bleibt wochen- und monatelang im Organismus. "Wir wollen diese Zeit möglichst kurz halten", nennt Thalhamer als Anforderung. Mit Hilfe eines viralen Mechanismus sind die Forscher auf die richtige Spur gekommen:
Gezielter Zell-Selbstmord nach Impfung
Eine Replicase, die eine Art Turbo-Effekt bei der Vermehrung des Impfstoffes in den Körperzellen auslöst, wird auf die DNA-Vakzine übertragen.

Dadurch reichen minimale Dosierungen, um das gewünschte Impfergebnis zu erzielen. Und gleichzeitig gehen die Zellen mitsamt dem genetischen Impfstoff - nachdem dieser seine Wirkung entfaltet hat - "in gezielten Selbstmord", erläutert der Wissenschafter.
Generelle Schutzimpfung für die Zukunft?
Diese DNA-Vakzine bieten für Thalhamer viele Vorteile: Sie sind billig in der Herstellung, problemlos zu transportieren und widerstandsfähig. Eine generelle Schutzimpfung gegen Allergien hält der Forscher dennoch für Zukunftsmusik.

Aber für bestimmte Berufsgruppen - wie beispielsweise Ärzte und Krankenschwestern mit Latexallergie - seien solche Schutzimpfungen gezielt einsetzbar. Außerdem könnten Menschen, die eine genetische Prädisposition für bestimmte Allergien haben, vorzeitig geschützt werden.
->   Die Website zum Forschungsschwerpunkt (www.dnavaccine.at)
->   Institut für Chemie und Biochemie der Universität Salzburg
Mehr zu Allergien im science.ORF.at-Archiv:
->   Weihnachtsgebäck kann Pollenallergiker gefährden (5.12.03)
->   Neue Impfung für Hausstaubmilben-Allergiker (10.0.03)
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->   Nahrungsmittelallergie: Weniger häufig als angenommen (23.5.03)
->   In jedem Alter: Westlicher Lebensstil - Mehr Allergien (29.8.02)
 
 
 
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01.01.2010