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Wie Fledermäuse ihre Umwelt wahrnehmen  
  Fledermäuse sind raffinierte Rechner. Sie verlassen sich beim Fliegen auf Statistik, um sich aus Tausenden von Reflexionen ein Bild auch von sehr komplexen Objekten in ihrer Flugbahn machen zu können. Auf diese Weise sind sie etwa imstande, zwischen Laub- und Nadelbäumen zu unterscheiden.  
Diese Erkenntnis hat ein Team der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität aus Testreihen mit vier Früchte fressenden Fledermäusen gewonnen.
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Der Artikel "Classification of natural textures in echolocation" von Jan-Eric Grunwald, Sven Schörnich, and Lutz Wiegrebe erschien als "PNAS Online Early Edition" auf der Website der Fachzeitschrift "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073_pnas.0308029101).
->   PNAS
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Orientierung durch Sonar
Fledermäuse orientieren sich bekanntlich anhand ausgesendeter Ultraschallsignale, die von den Umweltobjekten reflektiert werden.

Mittels dieser so genannten Echolokation (engl. "echolocation") können die flugfähigen Säuger nicht nur die räumliche Position der Umweltobjekte ausmachen, sondern auch deren dreidimensionale Struktur.

Bisher wurden in Studien über die Orientierung der Fledermäuse jedoch meist kleine und relativ einfache Objekten berücksichtigt.
->   Mehr zur Echoortung bei Fledermäusen (www.szgdocent.org)
Wie werden komplizierte Objekte erkannt?
Die natürliche Umwelt der Flattertiere besteht allerdings zu einem guten Teil auch aus großen, kompliziert gebauten Gebilden, wie etwa Bäumen.

Solche Objekte bestehen aus Tausenden von Blättern und Ästen mit unterschiedlichen Orientierungen und Reflexionseigenschaften. Dementsprechend weisen die von ihnen zurückgeworfenen Echos ein chaotisches Muster von Ultraschallwellen auf.

Hinzu kommt, dass diese Muster nicht zwingend zeitlich stabil sein müssen. Echos können je nach "Betrachtungswinkel" durchaus unterschiedlich ausfallen, ebenso bestimmt etwa der Wind die Form eines Baumes oder Strauches. In Extremfällen kann eine Feldermaus sogar zwei verschiedene Echos von ein und dem selben Objekt empfangen.
->   Mehr zu Fledermäusen bei Wikipedia
Objekterkennung im Experiment untersucht
Kurzum: Dass sich Fledermäuse mit ihrer Echoorientierung so gewandt in ihrer Umwelt bewegen und zurechtfinden, ist durchaus erstaunlich. Wie deren Objekterkennung im Detail funktioniert, haben nun Jan-Eric Grunwald, Sven Schörnich und Lutz Wiegrebe untersucht.
Tiere unterscheiden Laub- und Nadelbäume
Bild: PNAS
Dabei konnten sie zeigen, dass etwa die "Kleine Lanzennase" (Phyllostomus discolor) zwischen Laub- und Nadelbäumen unterscheidet.

Das von letzteren vermittelte akustische "Bild" besteht aus vielen, aber sehr schwachen Einzelsignalen. Laubbäume weisen im Gegensatz dazu weniger, aber dafür stärker reflektierende Flächen auf. Dementsprechend ist das von ihnen stammende Echo weniger "glatt" (Bild rechts).

Wie die deutschen Biologen herausfanden, erkennen die Tiere offenbar nicht das individuelle Objekt anhand seiner konkreten Form, sondern ziehen vielmehr statistische (Echo-)Eigenschaften zur Kennzeichnung der einzelnen Objekte heran.
Statistische Eigenschaften als "Visitenkarte" der Objekte
Die Münchner Forscher verwendeten im Rahmen ihrer Studie maßgeschneiderte Phantom-Echobilder. Sie stellten fest, dass die Kleinen Lanzennasen nicht aus den Tausenden Einzelechos ein Bild zusammensetzen, sondern beispielsweise die Rauigkeit (engl. "roughness") des Gesamtechos statistisch bewerten.

Auf diese Weise fanden sich die an einer etwas flacheren Nase zu erkennenden Tiere zwischen verschiedenen Hindernissen zurecht, ohne dass ihnen deren Formen vertraut sein musste.
->   Ludwig-Maximilians-Universität
->   Fledermäuse in Österreich
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Studie: Wie individuell sieht der Mensch die Welt? (12.3.04)
->   Das subjektive Reich der Sinne (9.2.04)
->   Das Stichwort Fledermäuse im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010