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Forscher auf der Suche nach prähistorischen Lawinen  
  Ein Blick in die Vergangenheit kann mitunter helfen, aktuelle Probleme zu lösen. Diesen Ansatz verfolgt ein Lawinenforschungsprojekt, das Peter Pindur vom Institut für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in einem Gastbeitrag im Rahmen der Reihe "Young Science" vorstellt. Die Forscher suchen nach prähistorischen Lawinenereignissen, um diese Naturphänomene auch in der Gegenwart besser verstehen zu können. In den Zillertaler Alpen wurden sie bereits fündig.  
Prähistorische Lawinen in den Zillertaler Alpen
Von Peter Pindur

Im Bereich der Berliner Hütte (Oberer Zemmgrund) in den Zillertaler Alpen konnten vier prähistorische Lawinenereignisse festgestellt werden. Diese Großlawinenereignisse fanden in den Wintern 3834/3833 v. Chr., 2747/2737 v. Chr., 168/167 v. Chr. und um 505/506 n. Chr. statt.

Der Nachweis gelang durch die Auswertung von Moorhölzern mit Hilfe der Jahrringanalyse.
Die Jahrringanalyse (Dendrochronologie) als Hilfsmittel
Naturereignisse, die das Jahrringwachstum von Bäumen beeinflussen, können mit Hilfe der Dendrochronologie über Jahrtausende lange Zeitreihen mit jahresscharfer zeitlicher Auflösung erfasst werden.

Im alpinen Waldgrenzbereich wirkt vor allem der Wärmemangel während der Vegetationsperiode wachstumslimitierend.

Die schwankenden Temperaturverhältnisse des Sommerhalbjahres zeichnen sich daher im Jahrringbild der Bäume von hoch gelegenen Standorten deutlich ab. Hochlagenbäume stellen deshalb ein hervorragendes klimageschichtliches Archiv dar.
Die Zirbe als Waldgrenzbildner
Im Oberen Zemmgrund wird der Waldbestand von der Zirbe (Pinus cembra L.) gebildet. Der Zirbenwald erstreckt sich im Untersuchungsgebiet von ca. 1.700 Metern bis zur Waldgrenze auf etwa 2.200 Meter.
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Einzelne Zirben in bis zu 2.570 Metern Höhe
Der höchstgelegene Zirbenstandort der Ostalpen liegt in der Rieserfernergruppe (Südtirol). Dort steigen, nach Damm (1994), einzelne Exemplare bis auf 2.570 m.
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Der Lawinenhang
 


Bild links: Profilskizze des Lawinenhanges
Bild rechts: Blick auf den südexponierten Lawinenhang. Hinter der Rückfallkuppe liegt das Schwarzensteinmoor (Foto: Ungerank)


Die Abbildungen verdeutlichen die Geländesituation und zeigen, dass es sich beim Schwarzensteinmoor um ein Auffangbecken für abgehende Lawinen handelt. Der aufkommende Jungwuchs wird von kurzfristig wiederkehrenden Lawinenereignissen zerstört.

Dies bezeugt ein Lawinenschadholz aus dem bekannten Katastrophenwinter 1998/99, das während der Feldarbeiten auf der Mooroberfläche liegend gefunden wurde.
Schwarzensteinmoor als Auffangbecken der Lawinenhölzer
 


Blick nach Westen auf den untersten Bereich des Lawinenhanges mit dem Schwarzensteinmoor (Foto: Pindur)

Beim Schwarzensteinmoor, das auf 2.150 Metern liegt, handelt es sich um eine ca. 400 x 50 Meter große, von eiszeitlichen Gletschern gebildete Hohlform oberhalb der Berliner Hütte.

Da das Moor im aktuellen Waldgrenzbereich und im klimabedingten Schwankungsbereich der postglazialen Waldgrenze liegt, handelt es sich bei den Moorhölzern um Zeugen aus vergangenen Klimagunstphasen.
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt HOLA
 


Forschungsdesign von HOLA (Pindur/Luzian)

Am Institut für Lawinen- und Wildbachforschung des Bundesamtes und Forschungszentrums für Wald (BFW) wurde von Roland Luzian der Aspekt des prähistorischen Lawinengeschehens aufgegriffen.

Ausgehend von den bereits vorliegenden Ergebnissen von Pindur werden weiterführende Untersuchungen im Zuge eines interdisziplinären Forschungsprojektes im Oberen Zemmgrund durchgeführt.

In Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck sollen über eine umfassende Raumanalyse die sich verändernden Rahmenbedingungen im Untersuchungsgebiet (Klimaschwankungen, Einfluss des Menschen) für den Zeitraum des Postglazials rekonstruiert werden, um bestmögliche Grundlagen für die Interpretation des holozänen (nacheiszeitlichen) Lawinengeschehens zu schaffen.
->   Zusammenfassung der Ergebnisse von Peter Pindur (Bibliography of Dendrochronology)
->   Bundesamt und Forschungszentrum für Wald (BFW)
Nachweis weiterer Lawinenereignisse als Ziel
Ziel dieser Untersuchung ist der Nachweis von weiteren Lawinenereignissen und die Modellierung aller datierten Ereignisse mittels SAMOS (Snow Avalanche MOdelling and Simulation), um Informationen über die stattgefundenen Extremereignisse, die dafür notwendigen Schneemengen und deren Wiederkehrdauer zu erschließen.

Damit sollte es möglich sein, ein realistisches Worst-Case-Szenario für das rezente Lawinengeschehen unter Berücksichtigung der sich ändernden Klimaverhältnisse zu entwickeln.
Rückblick als Schlüssel zur Lösung aktueller Probleme
Mit dem Forschungsprojekt HOLA kann daher ein Beitrag zur anwendungsorientierten Lawinenforschung (z.B. Gefahrenzonenplanung) geleistet werden. Das Forschungsprojekt steht außerdem im Kontext zur aktuellen Klimadiskussion sowie zur Diskussion um den Konflikt zwischen der Nutzung des Raumes und den herrschenden Naturgefahren.
->   Weitere Informationen zu HOLA beim BFW
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Informationen zum Autor: Peter Pindur
Diplomstudium für Geographie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (1994-2000). Arbeitsschwerpunkte und Forschungsinteressen: Alpenforschung (Kulturraum: Siedlungsentwicklung im Bereich des österreichischen Alpenanteils/ Naturraum: Prähistorische Lawinenforschung).

Seit 15. April 2001: Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW; Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Forschungsprojekt: RAUMALP (Raumstrukturelle Probleme im Alpenraum).

YOUNG SCIENCE ist eine Kooperation zwischen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und science.ORF.at. Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stellen ihre Arbeiten und Projekte in Originalbeiträgen vor.
->   Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW
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->   Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
->   Die "Young Science"-Beiträge im Überblick
->   Alle Beiträge zum Stichwort Lawine im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010