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1951: Erste Kandidatin für die Bundespräsidentschaft  
  Inzwischen haben es viele Frauen getan, 1951 war sie die erste weltweit: Ludovica Hainisch-Marchet kandidierte für das höchste Amt im Staat Österreich, die Bundespräsidentschaft.  
Parteilose erhielt 0,05 Prozent der Stimmen
Sie trat bei der Wahl 1951 als Parteilose an und erhielt aufgrund der schwierigen Zeit für Frauen - sie wurde verlacht und diffamiert - nur 2132 Stimmen (0,05 Prozent), berichtet "Die Universität", die Online-Zeitung der Universität Wien.

"Die Zeit war noch nicht reif für eine Bundespräsidentin", erklärt Elsa Koss, die in einer Diplomarbeit am Institut für Geschichte der Uni Wien das Leben Ludovica Hainisch-Marchets aufarbeitete.
Tochter aus gutbürgerlichem Hause
Ludovica Hainisch-Marchet, geboren am 29. Juni 1901 in Wien, stammte aus privilegierten Verhältnissen. Ihr Vater, Gustav Marchet, war langjähriger Rektor der Universität für Bodenkultur und Unterrichtsminister (1906-1908).

Schon sehr früh war sie vom Gedanken der Völkerverständigung begeistert und arbeitete in den 1920er Jahren im Sekretariat der juristischen Sektion des Völkerbundes in Genf. 1929, zurück in Wien, studierte sie Deutsch und Französisch für das Lehramt. Von 1933 bis 1937 unterrichtete sie an einer AHS in Linz, danach kehrte sie nach Wien zurück, um an einem privaten Mädchengymnasium zu unterrichten.
Emigration nach Schweden
Im Herbst 1938 ging Hainisch-Marchet nach Italien, wo sie die Kinder einer Adelsfamilie betreute. Bei Kriegsausbruch emigrierte sie nach Schweden. In Skandinavien verdiente sie Geld mit Übersetzungen, Privatunterricht und mit der Arbeit mit schwer erziehbaren Kindern. Erst 1949 kehrte sie nach Wien zurück, 1956 übersiedelte sie nach Deutschland.
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Bild: Women in Leadership
Beherrschte die wichtigsten Sprachen, Esperanto inklusive
Hainisch-Marchet war hochgebildet und beherrschte die wichtigsten europäischen Sprachen einschließlich Esperanto. Von 1933 bis 1937 war sie mit Erwin Hainisch, Kunsthistoriker am Bundesdenkmalamt in Linz, Sohn des parteilosen Altbundespräsidenten Michael Hainisch und Enkel der Grande Dame der Frauenbewegung um die Jahrhundertwende, Marianne Hainisch, verheiratet. Die Ehe wurde geschieden und kirchlich annulliert. Späterer Lebenspartner war ihr Mitarbeiter Rudolf Kießlinger.
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Präsidentschaftswahl 1951: Sechs Kandidaten
Bei der Bundespräsidentenwahl, bei der zum erstenmal in der jungen Zweiten Republik der Präsident direkt vom Volk gewählt wurde, gab es insgesamt sechs Kandidaten. Die Mitkandidaten waren Heiner Gleißner (Landeshauptmann von Oberösterreich, ÖVP), Theodor Körner (Bürgermeister von Wien, SPÖ), Burghard Breitner (Chirurg, VdU), Gottlieb Fiala (Bundesrat, Vizepräsident des ÖGB, Linksblock) und Johannes Ude (Philosoph und katholischer Priester, parteilos).
Hainisch-Marchets Programm: Frieden, Frauen, Demokratie
Unterstützt wurde Hainisch-Marchet von Frauenvereinen, besonders von der Bertha von Suttner-Frauengemeinde. Ihr Programm war u.a. die Friedensförderung, mehr direkte Demokratie, Respekt vor der gesamten Natur, Existenzsicherung, Veränderung des monetären Systems, Abbau der Bürokratie und die ökologische Landwirtschaft.

Sie kandidierte unter dem Motto: "Männer haben Kriege verloren, Frauen müssen den Frieden gewinnen." Da sie von keiner Partei aufgestellt bzw. unterstützt wurde, war sie auf die finanzielle Hilfe ihrer Anhänger angewiesen. Sie konnte ihre Mitmenschen begeistern, hatte eine starke Ausstrahlungskraft und hatte aufgrund ihrer Erziehung keine Scheu vor Menschen zu sprechen, wie man in der Diplomarbeit von Eva Koss nachlesen kann.
Schutz der Umwelt
Ludovica Hainisch-Marchet setzte sich bereits in den 1950er Jahren für Ideen ein, die erst in den 1970er eine Mehrheit der Bevölkerung interessierte und auch teilweise umgesetzt wurden.

Der Schutz der Umwelt war ihr ein wichtiges Anliegen: Sie sprach sich für neue Methoden der Bodenpflege in der Landwirtschaft aus. Mit diesen Forderungen war sie ihrer Zeit um mindestens zwanzig Jahre voraus. In ihrem Werk "Ehrfurcht vor dem Leben als Staatsgrundgesetz" aus dem Jahr 1952 veröffentlichte sie ihre Ideen und Vorstellungen. Ihr Hauptanliegen war die Erziehung zum Frieden. Das war auf die Menschen und auf die Natur bezogen.
Völkerverständigung und Weltföderalismus
Sie setzte sich für die Völkerverständigung und für den Weltföderalismus ein: Der Frieden sollte nach ihren Vorstellungen durch einen Weltbundesstaat erreicht werden. Weiters war ihr die gewaltfreie Erziehung wichtig, so hielt sie Vorträge nach dem Muster von Paulus Geheebs "Ecole d¿Humanite" in der Schweiz. Wichtig war ihr auch die Einbindung und Engagement der Frauen in der Politik. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Überlingen, Deutschland, wo sie 1993 verstarb.
->   "Die Universität"
->   Mehr über Ludovica Hainisch-Marchet (Lexikon österreichischer Frauen)
->   Worldwide Guide to Women in Leadership
 
 
 
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01.01.2010