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Feuergebrauch bereits vor 790.000 Jahren  
  Die Entdeckung des Feuers war eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung der menschlichen Kultur - nicht zuletzt der griechische Mythos des Prometheus legt davon Zeugnis ab. Israelische Archäologen haben nun Hinweise entdeckt, dass Feuer bereits viel früher gebraucht wurde als bisher gedacht - unsere Vorfahren wärmten sich ihnen zufolge bereits vor 790.000 Jahren am Lagerfeuer.  
Wirklich ältester Fund?
Bild: Goren-Inbar/Science
Mikroskop-Aufnahme eines der entdeckten verkohlten Getreidekörner
Die Forscher um Naama Goren-Inbar von der Hebräischen Universität in Jerusalem haben verkohlte Samenkörner, Holzreste und Feuersteine neben noch unbenutztem Holz und Feuerstein in Gesher Benot Ya'aqov, im Norden von Israel, gefunden, was auf einen beabsichtigten Umgang mit Feuer hinweist.

Sie geben sich zurückhaltend in der Einschätzung, ob es sich dabei tatsächlich um den ältesten Beweis für den Gebrauch von Feuer handelt. Tatsächliche gebe es ältere Fundstellen in Afrika, deren Zuverlässigkeit aber weniger gesichert seien. In jedem Fall handle es sich um die ältesten Funde im eurasischen Bereich, die auch erklären könnten, warum die Menschen etwa zur gleichen Zeit in die kälteren Klimazonen Europas wanderten, schreiben sie in "Science".
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Die Studie ist unter dem Titel "Evidence of Hominin Control of Fire at Gesher Benot Ya'aqov, Israel" in "Science" (Bd. 304, S. 725, Ausgabe vom 30. April 2004) erschienen.
->   "Science"
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Prometheus: Schuf Mensch und brachte Feuer
Schon die Alten Griechen haben es gewusst: Mensch und Feuer gehören zusammen. In ihrer Mythologie war es Prometheus, der die beiden verband. Der Sohn des Titanen Iapetos und der Klymene schuf aus Lehm und Wasser die ersten Menschen, gegen den Willen von Zeus holte er ihnen auch noch das Feuer vom Himmel. Aus Rache schmiedete der Göttervater nicht nur Prometheus an einen Felsen, sondern brachte über die Büchse der Pandora auch noch allerlei Unheil über die Menschen.

"Fakt" dieser Erzählung: Die Menschheit litt fortan nicht nur an einer Reihe von Unannehmlichkeiten (Krankheiten, Tod ...), sondern war auch im Besitz eines wesentlichen Kulturinstruments - dem Feuer.
Nur ein geringer Prozentsatz war verkohlt ...
Goren-Inbar und sein Team machten sich nun in Nordisrael auf die Suche nach den irdischen Überbleibseln der prometheischen Tat. Sie untersuchten insgesamt 23.454 Samen und Überreste von Früchten sowie 50.582 Stückchen Holz an der Fundstätte.

Nur zwei Prozent der Holz- und Feuersteinrückstände und ein ähnlich kleiner Anteil der Samen und Fruchtreste war verkohlt, heißt es in "Science". Das schließe ein natürliches Feuer aus, das etwa durch einen Blitz hervorgerufen worden sein könnte.
... das lässt auf Feuer-Gebrauch schließen
Die Forscher räumen ein, dass sie ein natürliches Feuer statt eines von Menschen kontrollierten Feuers in Gesher Benot Ya'aqov nicht völlig ausschließen können. Aber die Verteilung des verkohlten und noch unbenutzten Holzes und die Rückstände, die auf prähistorische Feuerstellen schließen lassen, legten ihren Schluss sehr nahe.

Außerdem seien Holz und andere Reste von drei Nahrungspflanzen an der Fundstelle angezündet worden: Olive, wilder Wein und wilde Gerste.
Nicht unumstritten, aber Expertenlob
Bisher hatten einige alte Fundstätten in Afrika, Europa und China als Beweis gegolten, dass Menschen schon vor mehr als 300.000 Jahren mit Feuer umzugehen verstanden. Obwohl nicht unumstritten, wird die jüngste Entdeckung in Israel von anderen, in "Science" befragten Wissenschaftlern akzeptiert.

"Ich finde, dies ist der beste Nachweis, den es bisher für die Nutzung von Feuer in der Zeit von vor 250.000 Jahren gab", lobt etwa Richard Klein von der Stanford Universität in Kalifornien.
Homo erectus, ergaster oder sapiens?
Den Autoren der "Science"-Studie zufolge kommen der Homo erectus, der Homo ergaster oder auch ein direkter Vorfahre des Homo sapiens als Feuermacher in Frage. Die Fähigkeit, mit Feuer umzugehen, gilt als entscheidender Schritt in der Entwicklung des Menschen, der drastische Verhaltensänderungen nach sich zog, in der Ernährung, im Umgang miteinander und der Verteidigung.
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Prometheus-Tragödie von Aischylos
Erstmals gefasst wurde der Mythos von Prometheus vom griechischen Tragödiendichter Aischylos. "Der gefesselte Prometheus" handelt von der ersten tragischen Stufe eines Prozesses, auf der sich der Götterfeind und Menschenfreund Prometheus gegen die Allmacht des Zeus und gegen das Schicksal stellt. Beschrieben wird die Auseinandersetzung des Individuums mit den Göttern, die für das Abendland bedeutsame Dialektik zwischen Schuld, Sühne und Erlösung.
->   Aischylos: Der gefesselte Prometheus (Projekt Gutenberg)
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Feuer im kalten Europa
Vor allem aber könnte sie die Kolonialisation Europas ausgelöst haben. Gesher Benot Ya'aqov liegt im Zentrum des so genannten levantinischen Korridors - einer Region, aus der die Menschen aus Afrika nach Europa aufgebrochen sind. Das Alter der Fundstelle, so der Archäologe Clive Gamble von der Universität Southampthon, korreliere mit den ersten menschlichen Funden in Europa vor ebenfalls rund 800.000 Jahren.

Der Gebrauch von Feuer wäre in den - weit kühleren - neuen Breitengraden nur allzu willkommen gewesen. Und zwar schon lange, bevor sich der griechische Dichter an seine Tragödie "Der gefesselte Prometheus" machen konnte.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   Hebräische Universität Jerusalem
 
 
 
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01.01.2010