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Genetische "Puffer" erhöhen Krankheitsdisposition  
  Im Zeitalter der Genomentzifferung spielen so genannte Mutationen in der medizinischen Forschung eine große Rolle: Veränderungen des zellulären Erbgutes, die etwa zur Entstehung von Krankheiten wie Krebs beitragen können. Der Körper verfügt allerdings über eine ganze Reihe von Mechanismen, um eventuelle DNA-Schäden zu reparieren. Gerade durch diese "genetischen Puffer" könnten sich allerdings auch schädliche Mutationen im Erbgut einer Population anhäufen, so das Ergebnis eines neuen mathematischen Modells.  
Das Computermodell wurde von Steven Frank vom Department of Ecology and Evolutionary Biology der University of California in Irvine entwickelt. Die Ergebnisse des Forschers sind in den "Proceedings of the National Academy of Sciences" erschienen.
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Der Artikel von Steven Frank erscheint unter dem Titel "Genetic variation in cancer predisposition: Mutational decay of a robust genetic control network" zwischen 10. und 14. Mai 2004 als Online-Vorabpublikation in den PNAS (doi:10.1073/pnas.0400561101).
->   PNAS Early Edition
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Vielfältige Ursachen der Krebsentstehung
Die Ursachen von Krebs sind vielfältig. Aufgrund von epidemiologischen Untersuchungen und Laborexperimenten weiß man heute etwa, dass viele Krebsarten mit genetischen Faktoren zusammenhängen.

Aber auch die DNA schädigende Umwelteinflüsse haben einen bedeutenden Einfluss auf die so genannte Kanzerogenese. Dazu gehören beispielsweise bestimmte Viren, chemische Substanzen oder energiereiche Strahlung.
Unterschiedliche Mechanismen zur Reparatur
Körperzellen besitzen jedoch verschiedene Mechanismen, um Schäden am Erbgut zu reparieren. Eine Rolle spielen dabei vor allem biologische Moleküle - wie etwa das bekannte Tumorsupressorgen p53.
Beispiel p53: Reparatur oder Apoptose
Trifft beispielsweise ein toxischer Schadstoff auf eine Zellen, so setzt p53 einen Regualtionsmechanismus in Gang, der die Körperzelle zur Reparatur veranlasst. Ist der Schaden am Erbgut jedoch zu groß, wird der programmierte Zelltod - die so genannte Apoptose - ausgelöst.
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Eine Ursache für das Wachstum bösartiger Tumore
In sehr vielen Krebszellen ist das Gen allerdings mutiert und fehlt daher funktionell. Die Folge: Die bösartigen Zellen ignorieren ihren biologisch vorprogrammierten Zelltod. Zudem nehmen sie die toxischen Schädigungen der Chemo- und Strahlentherapie einfach nicht wahr.
->   Mehr zu p53 (Human Genome Center, University of Tokio)
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Auch als "Puffer" gegen Mutationen?
Im Regelfall hilft also p53 dem Körper, Schädigungen der zellulären DNA so zu verarbeiten, dass daraus kein Krebs entsteht. Und nur wenn Mutationen die vielfältigen Kontrollstufen im Rahmen der Zellteilung bezwingen, kann eine Krebserkrankung entstehen.

Das körpereigene Kontrollsystem scheint also recht ausgefeilt zu arbeiten. Doch: "Ein solches System, das vor Umwelteinflüssen schützt, könnte auch als Puffer gegenüber den negativen Effekten ererbter Mutationen wirken", lautet die These von Steven Frank.
Schädliche Wirkung würde kompensiert
Demnach könnten beispielsweise solche Veränderungen des Erbgutes, welche etwa die Reparatur der DNA verlangsamen oder größere Schäden an den Genen erlauben, dank p53 weniger Auswirkungen haben.

Das auch als "Torwächter" bezeichnete Gen würde die schädliche Wirkung der Mutationen kompensieren, indem es den Reparaturprozess entsprechend anpassen würde.
Folge: Langsamere natürliche Selektion
Gleichzeitig jedoch könnte das Tumorsupressorgen damit die Geschwindigkeit, mit der solche an sich schädlichen Mutationen durch natürliche Selektion aussortiert werden, verlangsamen.
Bessere Überlebenschancen für den Einzelnen
Genau diesen angenommenen Effekt hat sich Steven Frank nun mithilfe seines mathematischen Modells genauer angesehen.

Das Ergebnis seiner Berechnungen: Je mehr der genetischen Puffer-Phasen durchlaufen werden müssen, umso höher ist für das Individuum die Überlebensrate bzw. die Wahrscheinlichkeit, nicht an Krebs zu sterben.
Höheres Krebsrisiko innerhalb einer Population
Doch dadurch sammeln sich gleichzeitig auch mehr solcher potenziell schädlichen Mutationen im Ergbut der gesamten Population an. Deren genetische Prädisposition für Krankheiten wie Krebs steigt damit an.

Ganz allgemein illustriere das Modell, wie alle robusten Kontroll-Netzwerke die Anhäufung schädlicher Mutationen begünstigen, schreibt Steven Frank in den PNAS. Sein Modell soll zukünftig die genetische Veranlagung zur Krebsentstehung besser verstehen helfen.
->   Department of Ecology and Evolutionary Biology der UCI
->   Homepage von Steven Frank (UCI)
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01.01.2010