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Verschränkte Teilchen überwinden Gesetze der Optik  
  Physikalische Gesetze sind ohne Ausnahme gültig - sie lassen sich nicht außer Kraft setzen. Immer? Nicht ganz: Österreichische und kanadische Physiker haben in zwei unabhängigen Studien gezeigt, dass die Gesetze der Optik mit einem aus der Quantenwelt geborgten Phänomen umgangen werden können. Die experimentelle Sensation soll u.a. zur Verbesserung von Mikroskopen und optischen Speichermedien führen.  
Wie eine Gruppe um Anton Zeilinger vom Institut für Experimentalphysik der Uni Wien und Forscher der University of Toronto gezeigt haben, kann mit Hilfe der so genannten Verschränkung von Lichtteilchen ein wichtiger Grenzwert aus dem Bereich der Optik überwunden werden.
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Die Studien "De Broglie wavelength of a non-local four-photon state" von Philip Walther et al. und "Super-resolving phase measurements with a multiphoton entangled state" von M. W. Mitchell et al. erschienen beide im Fachjournal "Nature" (Band 429, S. 158-61 bzw. 161-4, Ausgabe vom 13.5.04).
->   Nature
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Licht: Strahlen und Wellen
Mit den Methoden der so genannten geometrischen Optik kann man Licht so beschreiben, als wäre es aus Strahlen zusammengesetzt. Damit lassen sich beispielsweise Phänomene wie Lichtbrechung oder Reflexion erklären. Doch diese Theorie gilt nur, wenn man etwas Wesentliches außer Acht lässt:

Denn Licht ist, wie allgemein bekannt, eine Welle. Das zeigt sich etwa daran, dass es an Hindernissen auch quasi um die Ecke läuft. Physiker sprechen in diesem Zusammenhang von Beugung. Dies hängt eng mit einem anderen Wellenphänomen, der so genannten Interferenz, zusammen: Der Fähigkeit von Wellen, sich gegenseitig zu überlagern - d.h. sich im Extremfall entweder zu addieren oder auszulöschen.
->   Links zu Strahlen- und Wellenoptik (Uni Würzburg)
Diffraktionslimit begrenzt die Auflösung von Mikroskopen
Letzteres hat auch entscheidende praktische Konsequenzen: Man kann etwa in der Mikroskopie nur so kleine Teilchen unterscheiden, die im Größenbereich der Wellenlänge des eingesetzten Lichtes liegen. Kleiner geht es nicht.

Das liegt an der verwunderlichen Tatsache, dass einzelne Photonen mit sich selbst interferieren - und so das Bild im Mikroskop trüben. Diese von der Wellenlänge abhängige Auflösungsgrenze bezeichnet man auch als "Diffraktionslimit".
Mit Verschränkung Grenzen überschreiten
Österreichische und kanadische Physiker haben nun in zwei Publikationen gezeigt, dass das Diffraktionslimit gebrochen werden kann. Die Strategie der beiden Teams baut auf dem quantenmechanischen Phänomen der Verschränkung auf.

Die Forscher manipulierten mehrere Photonen dergestalt, dass sie gewissermaßen durch ein unsichtbares Band verbunden wurden.
->   Details zur Quantenverschränkung bei Wikipedia
"Spukhafte Fernwirkung"
Dieses Phänomen zeichnet sich dadurch aus, dass eine Zustandsmessung an einem Teilchen unmittelbar - d.h. ohne zeitliche Verzögerung - auch den Zustand des verschränkten Partners festlegt.

Genau diese instantane "Übermittlung" hat Albert Einstein als paradox empfunden - und daher als "spukhafte Fernwirkung" bezeichnet.

Das Prinzip der Verschränkung liegt im Übrigen auch den Aufsehen erregenden "Beam"-Experimenten der Arbeitsgruppe um Anton Zeilinger zugrunde.
->   Mehr dazu: Verschränkung liegt in der Luft (20.6.03)
Der Trick mit der Teilchenenergie
Die österreichischen Physiker verwendeten für ihr Experiment vier verschränkte Photonen, die Kanadier verbanden auf ähnliche Weise drei Lichtteilchen zu einem neuen Ganzen.

Der Clou daran: Die solcherart behandelten Lichtteilchen verhalten sich so wie ein "Multiphoton", das die drei- bzw. vierfache Energie eines einzelnen Lichtteilchens aufweist.

Da das Diffraktionslimit von der Teilchenenergie - und somit von der Wellenlänge - abhängt, kann es mit diesem Trick um den selben Faktor unterschritten werden.
Anwendungen: Mikroskopie...
Die Anwendungen dieser "Gesetzesübertretung" sind vielfältig. So könnte damit etwa das Auflösungsvermögen von Mikroskopen verbessert werden. Die Wiener Physiker verwendeten für ihr Experiment blaues Laserlicht im Wellenlängenbereich von drei bis vierhundert Nanometern.

Wie der Erstautor der österreichischen Studie, Philip Walther, im Gespräch mit science.ORF.at erklärt, könne die Technologie im Prinzip auch bei viel geringeren Wellenlängen - etwa Röntgenstrahlen - eingesetzt werden. Allerdings sei der technische Aufwand dafür noch zu groß.
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High NOON für Photonen
Die physikalische Schreibweise für den verschränkten Zustand von N Teilchen lautet kurz "|N0,0N>". Daher nennt man die nun vorgestellten Experimente unter Fachleuten auch "NOON"-Technologie, wie Dik Bouwmeester im Begleitkommentar "High NOON for Photons" in "Nature" (Band 429, S. 139-41) ausführt.
->   Nature
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...Speichermedien, Quantencomputer
Andere Anwendungsmöglichkeiten dieser "NOON"-Technologie ergeben sich für optische Speichermedien, wie etwa CDs, sowie für Quantencomputer und neue Formen sicherer Datenübertragung. Bis es aber so weit ist, müssen noch leistungsfähigere Geräte für Herstellung und Nachweis von verschränkten Photonen entwickelt werden.

Sollte dies gelingen, "scheinen solche kommerziellen Anwendungen nicht unrealistisch", bemerkt Dik Bouwmeester in einem begleitenden Kommentar in "Nature".

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Institut für Experimentalphysik der Uni Wien
->   University of Toronto
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Quanten können auch ohne Beobachtung verschränkt sein (10.5.04)
->   Quantenpurifikation: Verschränkte Teilchen in der Reinigung (21.5.03)
->   Teleportation: Wiener Physiker erhöhen Effizienz des "Beamens" (12.2.03)
 
 
 
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01.01.2010