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Troja: Zentrum oder Nest?  
  Troja liefert nicht nur Stoff für Hollywood, so wie im Freitag anlaufenden Film mit Brad Pitt als Achilles. Die fachlichen Debatten unter Archäologen über die wahre Macht und Bedeutung der Stadt im Nordwesten der Türkei nehmen kein Ende. War das historische Troja eine ausgedehnte Handelstadt oder doch bloß ein Provinznest?  
Gute Geschichte oder wahre Geschichte
Bild: Warner Brothers
Brad Pitt als Achilles
im Film "Troja"
Der griechische Dichter Homer konnte gut Geschichten erzählen, aber er erzählte nicht unbedingt Geschichte. Im achten Jahrhundert vor Christus sorgte Homer mit seiner Ilias dafür, dass der Mythos Troja bis heute anhält.

Das historische Troja hat eine lange Besiedlungsdauer, erklärte die Alt-Historikerin Birgitta Eder von der Mykenischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im ORF-Radio - beginnend im dritten Jahrtausend vor Christus bis in die byzantinische Zeit im dreizehnten Jahrhundert.

Eine bedeutende Phase liegt in der späten Bronzezeit - und damit in jener Epoche, in der nach Homer der sagenhafte Krieg um Troja stattgefunden haben könnte. Mehrmals wurde Troja zerstört - durch Erdbeben, Brand und möglicherweise durch Krieg.
->   Die Ilias in deutscher Übersetzung (Projekt Gutenberg)
Trotz Skepsis: Gesichertes Wissen?
Was ist denn - aller Skepsis zum Trotz - gesichertes Wissen um die Stadt in Kleinasien? Dazu meint die Alt-Historikerin Birgitta Eder:

"Wir wissen, dass Troja in der späten Bronzezeit (in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends) eine durchaus imposant befestigte Burg hatte, gelegen an einem Brückenkopf zwischen Kleinasien und Europa. Troja konnte diese geopolitisch bedeutende Position sicher als Handelsplatz, als Umschlagplatz und als bedeutender Hafen im eigenen Interesse gut nutzen. Diese Lage ist ein Grund für die wirtschaftliche Bedeutung Trojas im größeren regionalen Umfeld in der späten Bronzezeit."
Legendärer Wissenschaftler-Streit
Ebenso legendär wie die Stadt sind die Meinungsverschiedenheiten zweier Troja-Spezialisten von der Universität Tübingen: zwischen dem Archäologen Manfred Korfmann und dem Althistoriker Frank Kolb.

Korfmann gräbt seit 16 Jahren nach Resten der sagenumwobenen Stadt, seiner Ansicht nach ein bedeutendes Handelszentrum. "Trojanische Schaumschlägerei" meint hingegen der Historiker Frank Kolb und wirft Korfmann vor, lediglich wenige Hausreste aus verschiedenen Siedlungsschichten ergraben zu haben.

Die Debatte ist laut Birgitta Eder in gewissem Maße auch vor dem Hintergrund zu verstehen, dass Forscher ihre Ergebnisse attraktiv präsentieren müssen - gerade wenn sie zur Finanzierung ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf Drittmittel (sprich: Sponsoren) angewiesen sind.
->   Mehr zu dem Streit in: War Troja ein unbedeutendes Nest? (19.2.02)
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Handelszentrum oder Provinznest?
Handelszentrum oder Provinznest? Zur Beantwortung dieser Frage zieht die Alt-Historikerin Eder von der Akademie der Wissenschaften andere Orte der späten Bronzezeit heran, z.B. die Residenzstadt Hattusa (Hethiterreich) oder die Handelsmetropole Ugarit, eine Stadt mit großer Bedeutung in den machtpolitischen Verhältnissen des östlichen Mittelmeeres:

"Da können wir im Vergleich sagen: Troja war so etwas bestimmt nicht. Andererseits ist Troja ganz bestimmt kein Fischernest. Wir können schon aufgrund der Ausdehnung und der Befestigung der Burg sagen, dass Troja ein regionales machtpolitisches Zentrum war - so etwas wie der Zentralort der ihn umgebenden Landschaft und sicher auch ein bedeutender Ort für den Handel in der Nordost-Ägäis", so Eder im ORF-Radio.
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Bedeutung Homers
Für Birgitta Eder liegt die Bedeutung Trojas - abgesehen vom archäologischen Befund - im literarischen Werk von Homer: "Homer und seine Ilias bzw. seine Odyssee haben bis heute eine Reichweite, die für mich erklärt, warum der Mythos Troja noch so bedeutend ist. Es ist einfach eine sehr gut erzählte Geschichte, die uns bis heute etwas sagt, Filme inspiriert oder moderne Literatur inspiriert."

Hätte Homer über eine andere Stadt der Antike geschrieben, würden wir heute nicht über Troja diskutieren, meint die Althistorikerin. Die Kontroversen werden andauern, der Mythos "Troja" bleibt.

Barbara Daser, Ö1-Wissenschaft
->   Projekt Troja (Uni Tübingen)
->   Troja - Der Film (Warner Brothers)
Mehr über Troja in science.ORF.at:
->   Troja: Geologische Daten geben Homer Recht (30.1.03)
->   Streit um Troja-Bedeutung geht weiter (6.8.01)
 
 
 
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01.01.2010