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Motorräder mit Allradantrieb: Revolution auf zwei Rädern  
  Die ersten Motorräder mit Allradantrieb sind serienreif. Das zusätzlich angetriebene Vorderrad sorgt nicht nur für mehr Sicherheit auf nassem Untergrund, sondern verändert auch vollkommen die Fahrtechnik der Motorradfahrer.  
Jeder Motorradfahrer hat es schon einmal erlebt. Auf nassem oder losen Untergrund beginnt das Hinterrad nach außen zu schieben - die Traktion der Reifen reicht nicht für den Vortrieb, stattdessen weichen die Kräfte seitlich aus. Im Extremfall steht das Motorrad quer und der Fahrer kommt zu Sturz.
Fahren wie auf Schienen
Bild: Modern Times
Allradmotorrad beim Anfahren am Berg
Beim Allradmotorrad ist das Vergangenheit: Das über eine Hydraulikpumpe angetriebene Vorderrad zieht gleichzeitig nach vorn und hält es gerade in der angepeilten Spur - egal ob auf Sand, Schotter oder nassem Asphalt.

Die Technik verändert die Fahrtechnik: Vor allem für normale Motorradfahrer wird es in vielen heiklen Situationen Vorteile bringen. Der Fahrstil wird unspektakulär, stressfrei und sicher.

Möglich ist der Allradantrieb erst durch den Einsatz von Hydraulik-Technologie. Am Vorderrad sitzt nur ein kleiner Motor, der durch Hydrauliköl angetrieben wird. Dieses wird über flexible Leitungen gepumpt. So bleiben Lenkeinschlag und Dämpfungsverhalten voll erhalten. Das Mehrgewicht beträgt derzeit etwa sechs Kilogramm, wird aber noch reduziert werden.
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Prototypen im Exklusivtest
Die Redaktion von Modern Times verfolgt diese Entwicklung seit Jahren. Mit der Fertigstellung von Kleinserienmodellen war es jetzt erstmals und exklusiv möglich, die ersten Allrad-Bikes, von Yamaha und KTM, zu einem Vergleich auf die Teststrecke zu bringen.
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Beschleunigungstests sollen Unterschied zeigen
Konventioneller Hinterradantrieb gegen Allrad - auf standardisierten Messstrecken des ÖAMTC in Melk sollte der Unterschied nicht nur spürbar, sondern auch messbar sein.

Unter der Leitung von Heinz Lukaschek - ein seit Jahrzehnten tätiger Messtechnikexperte - wurden Beschleunigungstests auf 40 Meter gefahren.
Vielfältiges Testprogramm
 
Bild: Modern Times

Das Duell: Startnummer 2 ist das Allradmotorrad.

Trocken und nass, gerade und kurvige Asphaltbahn, Steilhang und Kurve in Sand und Schotter - das war das Testprogramm. Als Fahrer konnten drei Spitzenfahrer gewonnen werden:

Die oberösterreichischen Profis Joe Lechner und Willi Reiter sowie der Tiroler Extrem-Motorradfahrer Bernd Hupfauf.
Doppelter Antrieb - fast doppelt so schnell
Das Ergebnis der Messungen belegt die Theorie. Je rutschiger und loser der Untergrund, umso größer der Vorsprung der Allradmodelle.

Besonders beeindruckend die Vergleichswerte auf nassem Rutschbelag: die Allradmaschinen erreichen eine fast doppelt so große Beschleunigung wie die Hinterradgetriebenen. Konkret betrug der Vorsprung der 2WD-Bikes 90 Prozent.
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Fahren selbst auf eisglatter Fahrbahn?
Anzumerken ist: Wo sich die Profis auf herkömmlichen Motorrädern mit Balanceakten aufrecht halten, ist für normale Motorradfahrer kein Vorwärtskommen mehr. Der nasse Rutschbelag am ÖAMTC-Testgelände entspricht schmieriger oder eisglatter Fahrbahn.
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Renneinsätze für den Alltagsnutzen
Bild: Modern Times
Unsere Testmaschinen hatten zwei Tage zuvor bereits eine ersten Härtetest zu bestehen. Beim spektakulären Erzberg-Rodeo, einem Extremrennen im Steinbruch, kamen die Allradmotorräder zum Wettbewerbseinsatz.

Einer der Fahrer war Motocross-Legende Kurt Nicoll. Auch sein Resümee weist die Richtung der Entwicklung:

"Ich glaube, dass das System vor allem für den Hobbyfahrer große Vorteile bringt. Das System hilft überall dort, wo es rutschig ist, egal ob das nasse Erde oder nasser Asphalt ist."
Allrad beim Auto - zunächst belächelt
Die Entwicklung ist wie beim Auto vor 20 Jahren. Auch damals wurde das Allradkonzept, das im Rallyesport erprobt wurde, belächelt. Mittlerweile ist der Allradantrieb auch bei normalen Personenautos ein Sicherheitsplus, vor allem in Verbindung mit anderen elektronischen Fahrerassistenz-Systemen.
Auslöser für umfassenden Entwicklungsschub
Und wie beim Auto scheint auch beim Motorrad der Allradantrieb zum Auslöser für einen umfassenden Entwicklungsschub zu werden. "Allrad, Traktionskontrolle, ABS, Integralbremse - im Motorrad der Zukunft wird es eine Menge Elektronik geben, die dem Fahrer in schwierigen Situationen hilft" - so die Vision von KTM-Entwicklungsleiter Wolfgang Felber.

Die elektronische Fahrerassistenz ist zum Teil bereits Realität, wenn auch von vielen, vor allem sportlichen Motorradfahrern noch nicht so recht akzeptiert. Im Bereich der Reisemotorräder werden aber ABS und Integralbremse bereits eingesetzt.
Motorradfahren wird leichter
Auch die Traktionskontrolle ist still und heimlich im Kommen. Bei Motorrad-Grand-Prixs werden bereits Schlupfregelungen eingesetzt - um die bis zu 170 PS der Viertakt-Superbikes auf die Piste zu bringen.

Die Elektronik verhindert das Durchdrehen der Reifen. Die Folge: besserer Start, schnellere Rundenzeiten, weil spektakuläre, aber zeitraubende "Rutscher" (so genannte Drifts) verhindert werden.
Traktionskontrolle wird auch Allradantrieb verbessern
Traktionskontrolle wird auch den Allradantrieb noch einmal spürbar verbessern: "Jeder Bodenbelag erfordert eine andere Traktionsaufteilung zwischen vorne und hinten. Die elektronische Schlupfregelung ist unumgänglich. Dann ist es ein erster Schritt für mehr Sicherheit", sagt Testleiter Heinz Lukaschek.

Spartanisch ausgestattete Prototypen aus der Geländesportszene sind so die ersten Modelle für das Motorrad der Zukunft - für rundum mit Messelektronik ausgestatten Zweiräder, die für mehr Spaß und weniger Stress sorgen.

Tom Matzek, Modern Times
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Mehr dazu erfahre Sie in der Sendung "Modern Times" am Freitag, 28. Mai 2004, um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   Modern Times
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->   KTM (unter "News")
->   Bericht über Einsatz einer Allrad-Maschine (Yamaha Rallye Paris Dakar 2004)
 
 
 
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01.01.2010