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Zellkraftwerke lösen Alterung aus  
  Theorien über die biologischen Ursachen des Alterns gibt es viele. Eine davon macht gewisse Abläufe in den Mitochondrien - kleine Kraftwerke in der lebenden Zelle - dafür verantwortlich, dass der Körper mit zunehmendem Lebensalter an Vitalität einbüßt. Ein Studie schwedischer Forscher unterstützt nun diese These. Sie stellten Mausmutanten her, bei denen sich im Erbgut der Mitochondrien sukzessive Kopierfehler anhäuften. Das Ergebnis: Die Tiere lebten nur halb so lange wie ihre normalen Artgenossen.  
Wie ein Team um Aleksandra Trifunovic vom schwedischen Karolinska Institut berichtet, wiesen die solcherart modifizierten Nager eine Reihe von Eigenschaften auf, die auch beim Menschen im Alter auftreten: u.a. Gewichtsverlust, Haarausfall, Osteoporose und Blutarmut.
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Die Studie "Premature ageing in mice expressing defective mitochondrial DNA polymerase" von Aleksandra Trifunovic et al. erschien in "Nature" (Band 429, S. 417-23, Ausgabe vom 27.5.04).
->   Zum Original-Abstract
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Mitochondrien - Orte der Energiegewinnung
Mitochondrien sind kleine abgegrenzte Bezirke in der lebenden Zelle, in denen chemische Prozesse ablaufen, die unseren Körper mit Energie versorgen.

Bei dieser Reaktion wird Wasserstoff über eine Reihe von Zwischenschritten zu Wasser oxidiert, die dabei gewonnene Energie wird wiederum in speziellen Molekülen gespeichert, die im Körper als "Währung" für unterschiedlichste biochemische Abläufe verwendet werden.

In etwa so, wie im Haushalt ein und der selbe Wechselstrom auch Kühlschrank, Mikrowelle und TV-Gerät betreibt.
->   Mehr zur Atmungskette in Mitochondrien
Ehemalige Einwanderer
Die Mitochondrien sind jedoch nicht nur wegen ihrer Fähigkeit zur Energiegewinnung besondere Bezirke in der Zelle. Nach der so genannten Endosymbionten-Hypothese handelt es sich bei ihnen um Bakterien, die in Urzeiten in die damals noch einzelligen Vorläufer der heute lebenden Tiere, Pflanzen und Pilze eingewandert sind.

Ein Zeichen dafür ist etwa die Tatsache, dass die Mitochondrien bis heute ihre eigene DNA behalten haben und sich auch selbständig fortpflanzen.
->   Endosymbionten-Hypothese bei Wikipedia
Genetisch von den Chromosomen abhängig
Allerdings sind sie nicht ganz unabhängig von den im Zellkern ansässigen Chromosomen. Zur Vermehrung der mitochondriellen DNA bedarf es nämlich eines Enzyms mit dem Namen "DNA-Polymerase Gamma" (kurz: POLG), das durch den Zellkern genetisch kontrolliert wird.

Das Molekül muss daher eigens in die kleinen Zellkraftwerke importiert werden, um dort seine Arbeit zu verrichten.
->   DNA-Polymerase bei Wikipedia
Alterung: Mitochondrien akkumulieren Fehler im Erbgut
Bild: Nature
Genau dieses Enzym verwendeten Aleksandra Trifunovic und ihre Kollegen, um die molekularen Grundlagen des Alterungsprozess zu untersuchen.

Aus einer Reihe von Studien war nämlich bekannt, dass die Mitochondrien von alterndem Gewebe offensichtlich eine Reihe von Mutationen anhäufen. Das gilt für Nager, Affen wie auch den Menschen. Unklar war bislang, ob das nun Folge oder Ursache der Zellalterung ist.
Enzymfunktion experimentell gestört
Die schwedischen Forscher fanden nun einen eleganten Weg, diese Frage zu beantworten. Sie stellten so genannte Knockout-Mäuse her, bei denen das POLG-Gen dergestalt verändert war, dass das Enzym zwar noch seinen Dienst verrichten konnte, jedoch nicht mehr so akkurat wie zuvor.

Das heißt, das Enzym häufte im Laufe der Kopiervorgänge des mitochondriellen Erbguts ausgesprochen viele Mutationen an.
->   Mehr zu Knockout-Mäusen (Wellcome Trust)
Nager zeigen diverse Alterserscheinungen
Diese biochemische Veränderung zeitigte auf organischer Ebene deutliche Auswirkungen: Bereits 25 Wochen nach der Geburt - in einem Mäuseleben ein junges Erwachsenenalter - stellten sich bei den bemitleidenswerten Nagern Symptome ein, die normalerweise für die letzte Lebensphase typisch sind.

So z.B. Gewichts- und Haarverlust, Rückgradverkrümmungen sowie reduzierte Fruchtbarkeit und Knochendichte. Zudem war ihre Lebensspanne drastisch verkürzt: Die Knockout-Mäuse wurden nur etwa halb so alt wie ihre genetisch unveränderten Artgenossen.
Maus und Mutante im Vergleich
 
Bild: Trifunovic et al. (Nature 429: 417)

Maus aus der Kontrollgruppe (rechts) und die Methusalem-Mutante (links), beide etwa 40 Wochen alt.
Ergebnisse passen gut zu weiterer Theorie
Nach Ansicht von George M . Martin und Lawrence A. Loeb von der University of Washington sind die Ergebnisse der schwedischen Mediziner auch deshalb so überzeugend, weil sie gut zu einer anderen Alterungstheorie passen:

Nach diesem Konzept altern Zellen vor allem deswegen, weil reaktive Sauerstoffverbindungen die Biomoleküle schädigen. Und diese Substanzen ("reactive oxygen species"; kurz: ROS) entstehen wiederum besonders häufig in den Mitochondrien.
->   Mehr über ROS (Linus Pauling Institute)
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Der Artikel "Mice and mitochondria" von George M. Martin und Lawrence A. Loeb erschien in "Nature" (Band 429, S. 357-9, Ausgabe vom 27.5.04).
->   Zum Original-Artikel
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Zukunft: Jungbrunnen statt Turboalterung
Wie die beiden in ihrem Kommentar weiter ausführen, bedeuten die vorliegenden Resultate jedoch nicht, dass dies die einzigen molekularen Vorgänge seien, die Symptome des Alterns auslösen.

Für die Zukunft wünschen sich die beiden Versuche, in denen Mäuse einmal zur Abwechslung mit leistungsfähigeren statt gestörten Enzymen ausgestattet werden. Damit könnte dann - zumindest bei Nagern - die Kehrseite des Alterungsprozesses erforscht werden, nämlich die Biochemie des "Jungbrunnens".

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Karolinska Institut
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Dogma wackelt: mtDNA doch nicht "nur Frauensache"? (17.5.04)
->   Wissenschaftler bestätigen bekannte Alters-Theorie (31.1.03)
->   Das Stichwort Alterung im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010