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Die Konzentration im Lebensmittelhandel  
  Durch die zunehmende Konzentration im Lebensmittelhandel wachsen die großen Ketten weiter. Die Spar- und die BML-Gruppe (Billa, Merkur, Mondo, Emma) beherrschen gemeinsam bereits mehr als zwei Drittel des rund 170 Milliarden Schilling schweren österreichischen Marktes.  
Aber allein 1999 mussten etwa 300 Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von weniger als 400 Quadratmeter schließen. Die Auswirkungen dieses "Greißlersterbens" und der Dominanz der Lebensmittelketten auf Industrie, Bauern und Konsumenten war eines der zentralen Themen der Enquete "Lebens-Mittel" im ORF-Zentrum.
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Die Teilnehmer an der Podiumsdiskussion waren Johannes Hornig (Unternehmer), Franz Floss (Verein für Konsumenteninformation), Erich Morianz (Chef Spar Österreich) und August Astl (Landwirtschaftskammer).
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Nachteile für den Konsumenten
"Ich denke mir, dass sich der Konsument in der letzten Zeit nicht als König gefühlt hat", meinte Franz Floss vor allem in Hinblick auf BSE und den Schweineskandal. Er kritisierte darüber hinaus, dass "sieben bis acht Chefeinkäufer bestimmen, was der Österreicher isst, was auf den Tisch kommt".

Floss bezweifelt, dass wirklich das in den Regalen der Supermärkte landet, was die Kunden wünschen. Allerdings habe die Konzentration im Lebensmittelhandel auch einen Vorteil gebracht: den Erfolg der biologischen Nahrung.
Falschinformation des Kunden
Heftige Kritik gab es von Seiten des Konsumentenschützers hingegen an der Werbung für Lebensmittel: Beim Konsumenten entstünde der Eindruck, dass er nicht nur billig, sondern auch qualitativ hochwertige und absolut unbedenkliche Ware einkaufe. Folglich bestimme der Preis, was im Einkaufswagen landet.
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Scharfe Kritik an Billa & Co
Floss verurteilte vor allem die "fehlgeleitete Werbung" der BML-Gruppe. Die "Bauernhof-Garantie", mit der sie etwa die Fleischprodukte in ihren Filialen anbietet, suggeriere dem Kunden artgerechte Haltung der Tiere auf einem idyllischen Bauernhof und möglichst naturnahes Wirtschaften.

Tatsächlich könne man aus dieser "Garantie" nichts über Aufzucht, Tierhaltung oder Produktion ableiten, sagte Floss. Das Fleisch könne genauso gut aus einem Betrieb mit Massentierhaltung stammen.
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Lebensmittelsicherheit nicht gegeben
Als problematisch stuft der Konsumentenschützer auch die Lebensmittelsicherheit in Österreich ein. Er ortet diesbezüglich ein "unangenehmes Spiel zwischen Produzenten und Handel" und verlangt bessere Gesetze.

In 93 Prozent der Fälle, in denen bei Kontrollen in Geschäften verdorbene Lebensmittel aufgespürt wurden, musste die Staatsanwaltschaft die Anzeigen zurücklegen. Die Verschuldensfrage lasse sich in der Regel nicht klären, stellte Floss fest.
Mit strengen Kontrollen gegen Kritik
"Heute sind wir schuld an BSE, der Maul- und Klauenseuche, am Antibiotika-Skandal und morgen auch am schlechten Wetter", ärgerte sich Spar Österreich-Chef Erich Morianz über Floss' Kritik und verwies im Gegenzug auf die rigorosen konzerninternen Überprüfungen. In ganz Europa gebe es keine bessere Kontrollkette.

Die Konzentration im Lebensmittelhandel stelle für ihn einen völlig natürlichen Vorgang dar, sagte Morianz. Außerdem seien zum Beispiel durch die Übernahme von Meinl österreichische Arbeitsplätze gesichert worden. Spar hat damit seinen Marktanteil auf 30,6 Prozent gesteigert und ist nur mehr fünf Prozentpunkte hinter BML.
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Vertrauensvotum der Kunden
"Ich bin stolz auf unseren Marktanteil von 30 Prozent, weil wir ihn nicht kaufen können und er auch nicht Gott gegeben ist. Er ist das Resultat einer täglichen Abstimmung des Konsumenten darüber, ob er mit dem Unternehmen und seinen Produkten zufrieden ist oder nicht."
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Partisanenkampf im Supermarkt
Die Frage, ob der Verbraucher König oder Bettler sei, stelle sich für ihn daher nicht. "Der Kunde ist wie ein Partisan. Er ist unfassbar und schlägt unerwartet dort zu, wo er das Beste kriegt", meinte Morianz.
Kunde ist Partner
Als Partisanen will Johannes Hornig seine Kunden nicht sehen. Sie seien für ihn vielmehr "Partner". Und gerade als Mitglied der Markant-ZEV-Einkaufsgruppe - "Nah und Frisch" - sei für ihn ein starker regionaler Bezug notwendig.

Dank dieser Verbundgruppe könne sein Unternehmen auch Preisvergleichen mit großen Ketten Stand halten. Dass der Mittelstand ausradiert werden könnte, glaubt Hornig nicht. Vielmehr werde er sich als Alternative etablieren.
Nachfragemacht der Handelsketten problematisch
Der Generalsekretär der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammer, August Astl, bezeichnete die Konzentration im Lebensmittelhandel als problematisch.
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Unglaubliche Macht
"Wir haben eine Konzentration wie sonst nirgendwo in Europa. Die großen Handelsunternehmen haben eine derartige Nachfragemacht, die zu Lasten der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie gehen. Bei vielen Lebensmitteln erhalten die Bauern nur mehr 10 bis 20 Prozent von dem, was der Konsument bezahlt - manchmal sogar noch weniger. Österreich liegt damit im EU-Vergleich unter dem Durchschnitt."
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Hohe Kosten
Astl gab zu bedenken, dass die österreichischen Bauern mit ihren relativ kleinen Höfen nicht so kostengünstig produzieren können wie beispielsweise Großbetriebe in Übersee. Als Ausweg aus der Kostenfalle empfiehlt er, auf Qualität, Nischenprodukte und regionales Marketing zu setzen.
PUBLIKUMSREAKTIONEN
"Werte sind verloren gegangen",
beschwerte sich ein Teilnehmer der Enquete. "Ein Liter Spezialmilch für Katzen kostet 40, ein Liter normale Milch 10 Schilling, ein Kilo Katzenfutter 80, 1 Kilo Extrawurst 30 Schilling." Dies sei eine unglaubliche Diskrepanz.

Der Verein für Konsumenteninformation solle die Konsumenten darüber informieren, "dass irgendwann ein Preislevel erreicht ist, bei dem ein Produkt einfach nicht mehr gut sein kann", schlug er vor. Beim Wein sei dies immerhin gelungen: "Nirgendwo ist noch Werbung für einen Liter Wein im Tetrapak um 7,90 Schilling zu sehen."
Gerechte Preise für Bauern
"Wir Bauern leben nicht von Luft und Liebe", meinte ein anderer Teilnehmer und forderte einen "entsprechenden Preis" für seine Erzeugnisse. Vergangenes Jahr habe er zum Beispiel für ein Rind noch 30 Schilling pro Kilo erhalten, heuer seien es nur mehr 20.

August Astl unterstützte diese Forderung. Die Preispolitik großer Ketten sei nicht immer logisch nachvollziehbar, sagte der Vertreter der Landwirtschaftskammer.
Unverständliche Infos
Eine "besorgte Hausfrau und Mutter" bemängelte, das die Inhaltsangaben auf den Lebensmittelverpackungen für sie nicht mehr verständlich seien. Darüber hinaus vermisse sie eine für Sehbehinderte und Blinde geeignete Beschriftung.

Johannes Stuhlpfarrer, RÖI
Weitere Berichte über die ORF-Enquete "Lebens-Mittel":
->   Die Zukunft der Ernährung
->   Der Wert der Lebens-Mittel
->   Strategien zur Lebensmittelsicherheit
 
 
 
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01.01.2010