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Cassini macht eine "Vollbremsung im Weltall"  
  Fast sieben Jahre war die Raumsonde Cassini im Weltall unterwegs, jetzt hat sie ihr Ziel erreicht: den riesigen Gasplaneten Saturn. Um ihn und seine Monde genauer erforschen zu können, muss die Sonde allerdings ein noch hoch komplexes Manöver meistern. Eine "Vollbremsung im Weltall" steht bevor.  
Am 15. Oktober 1997 gestartet, rast die amerikanisch-europäische Planetenmission Cassini-Huygens seit fast sieben Jahren durch das Weltall Richtung Saturn.

Rund 3,5 Milliarden Kilometern hat sie auf dieser Reise zurückgelegt und dabei - um ihre Geschwindigkeit zu erhöhen - zwei nahe Vorbeiflüge, so genannte Swing-by-Manöver, an Venus und jeweils eines an Erde und Jupiter gemacht.
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Planetare Schwerkraft für genügend Reise-Schwung
Die von der US-Weltraumorganisation NASA entwickelte Sonde musste mehrmals die Schwerkraft von Planeten nutzen, um genügend Schwung für ihre Reise zum zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems zu bekommen. Vor allem wegen dieses Swing-by-Manövers um die Erde stand Cassini-Huygens mehrfach im Zentrum von Kritiken. Stein des Anstoßes war die Plutonium-Batterie des Raumschiffs, welche im Falle eines Absturzes zu einer radioaktive Verseuchung geführt hätte.
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"Vollbremsung im Weltall"

Cassini und Saturn in einer künstlerischen Darstellung
Die momentane Geschwindigkeit von Cassini beträgt denn auch rasante 21.000 Kilometer pro Stunde.

Diese muss nun deutlich verringert werden, damit die Sonde in eine Umlaufbahn einschwenken kann: "Was nun am 1. Juli 2004 am Saturn passieren soll, kommt einer Vollbremsung im Weltall gleich", erklärt dazu Ralf Jaumann vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Hinzu kommt: In den letzten Stunden der Annäherung an Saturn wird das Raumschiff von der Schwerkraft des Planeten immer stärker angezogen und dadurch noch einmal stark beschleunigt.
Bremsmanöver: Drehung für maximale Wirkung
Um nicht auf den Planeten zu stürzen, wird die Raumsonde am 1. Juli 2004 um 4.36 Uhr MESZ mit ihrem Bremsmanöver beginnen, das genau 96 Minuten dauern wird. Dazu wird das Raumschiff gedreht, so dass das Haupttriebwerk in Richtung Saturn weist und seine maximale Bremswirkung entfalten kann.

"Durch das Bremsmanöver wird sich die Geschwindigkeit des Raumschiffs um 2.250 Kilometer pro Stunde verringern. Es ist das kritischste Missions-Manöver seit dem Start vor fast sieben Jahren", so Jaumann weiter.

"Am Ende dieses Bremsmanövers wird die Sonde von dem zweitgrößten Planeten des Sonnensystems praktisch eingefangen, und sie kann Saturn und seine Monde in den nächsten vier Jahren bei 74 Umkreisungen genauestens erforschen. Darauf warten weltweit 260 unmittelbar beteiligte Forscher bereits mit Spannung", fügte er hinzu.
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Schon zuvor Eintauchen in die Saturnmagnetosphäre
Cassini taucht allerdings bereits vor dem Zünden des Haupttriebwerks in die so genannte Saturnmagnetosphäre ein. Dort werden die Messinstrumente Signale von neutralen und geladenen Teilchen aufzeichnen. "Wenn der Einschuss in das Saturnsystem geglückt ist, kann man einen Quantensprung im Verständnis der Prozesse bei Saturn und seiner Monde, in seiner Magnetosphäre und im Sonnensystem erwarten", sagt Andreas Lagg vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, das sich bislang MPI für Aeronomie nannte.
->   Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung
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Durch eine Lücke in den Ringen
Besonders spannend ist bei diesem Bremsmanöver in den frühen Morgenstunden des 1. Juli 2004, dass das Raumschiff, von Süden kommend, durch eine Lücke in den Ringen auf die nördliche Seite der Ringe stoßen wird.

Um die Sonde vor möglichen kleinen Staubteilchen zu schützen, die in dieser Region erwartet werden, wird das Raumschiff so gedreht, dass die große Hauptantenne als Schutzschirm fungiert. Die verbleibende Zeit reicht dann gerade noch aus, mit den Steuerdüsen das Raumschiff wieder um 180 Grad zu drehen, um in "Bremsstellung" gehen zu können.
Keine Eingriffe von der Erde möglich
Eingriffe von der Erde sind während dieser kritischen Flugphase nicht mehr möglich, da ein Funksignal für den Weg vom Saturn zur Erde und zum Kontrollzentrum der NASA am Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (Kalifornien) 84 Minuten benötigt - alles muss also so klappen, wie es die Flugingenieure seit vielen Jahren sekundengenau antizipiert haben.
Nur Stunden später erste Ringaufnahmen?
"Wenn alles gut verläuft, wird Cassini-Huygens bereits vom Saturn als Satellit "eingefangen" sein, bevor uns auf der Erde das erste Signal vom Start des Bremsmanövers erreicht", erläutert DLR-Forscher Jaumann das, was für die beteiligten Wissenschaftler eine äußerste Nervenanspannung sein wird.

"Aber vor allem werden bei dieser einmaligen Aktion fast permanent wissenschaftliche Daten aufgenommen, so dass wir vielleicht schon wenige Stunden später die ersten sensationellen Aufnahmen der Ringe aus unmittelbarer Nähe haben werden", fügt der Experte hinzu.

"Und tags darauf fliegt Cassini während des ersten Orbits bereits in 400.000 Kilometer an Titan vorbei: Da hoffen wir, mit dem Spektrometer durch die dicke Wolkenschicht auf die Oberfläche des größten Saturnmondes blicken zu können."
Huygens trennt sich im Dezember

Trennung von Cassini und Huygens
Die europäische Landesonde Huygens schließlich soll am 25. Dezember 2004 von der Hauptsonde Cassini abgetrennt werden und am 14. Januar 2005 am Fallschirm auf dem größten Saturnmond Titan, der eine dichte Atmosphäre besitzt, niedergehen und ihn dabei genau erforschen.

Die Mission, benannt nach dem italienisch-französischen Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625-1712) und seinem holländischen Kollegen Christiaan Huygens (1629-1695), wurde 1997 an Bord einer Titan 4b-Centaur-Rakete von Cape Canaveral/USA aus gestartet.
->   Die Cassini-Huygens-Mission bei der ESA
->   Die Cassini-Huygens-Mission bei der NASA (JPL)
->   Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
->   Mehr dazu in oe1.ORF.at
->   Alles zur Cassini-Huygens-Mission in science.ORF.at
 
 
 
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01.01.2010