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Sternen-Stethoskop stellt Sonnen-Theorie in Frage  
  Die Sterne ticken doch nicht so, wie sich das die Wissenschaftler auf Grund ihres physikalischen Modells unserer Sonne erwartet hätten. Hinweise auf Fehler in den Theorien über unser Zentralgestirn lieferten nun Beobachtungen des Sterns Procyon mit dem kanadischen Weltraumteleskop "MOST", an dem auch österreichische Astronomen beteiligt sind.  
Denn der Stern pulsiert nicht so, wie die Forscher prognostiziert haben. "Entweder ist Procyon ein Sternen-Zombie oder es gibt ein massives Problem im Sonnenmodell", kommentierte der Ko-Autor der Studie, Werner Weiss vom Institut für Astronomie der Universität Wien, die nun veröffentlichten Ergebnisse.
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"No stellar p-mode oscillations in space-based photometry of Procyon" von Jaymie M. Matthews et al. erschien im Fachjournal "Nature" (Band 430, S. 51-3, Ausgabe vom 1.7.04).
->   Nature
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Messung feinster Helligkeitsschwankungen
Der kanadische Mini-Satellit "MOST" ("Microvariability & Oscillations of Stars") kreist seit genau einem Jahr um die Erde. Einem Stethoskop vergleichbar lauscht das Gerät dem Pulsieren der Sterne.

Um diese Vibrationen, quasi die Musik der Sterne, zu registrieren, werden geringste Helligkeitsschwankungen gemessen. "Es ist, als würde man das Flackern einer Kerze um einen halben Millimeter in einem Kilometer Abstand messen", vergleicht Weiss die Herausforderungen der Asteroseismologie, wie diese Methode heißt.
->   Mehr zur Asteroseismologie (kepler.de)
Puls der Sterne gibt Hinweise auf inneren Aufbau
Dazu wird das Raumteleskop bis zu 60 Tage lang auf einen Stern fixiert. Die Pulsation lässt einerseits Rückschlüsse auf den inneren Aufbau der Sterne zu, sie können aber auch Hinweise auf extrasolare Planeten liefern.

Weiss ist das einzige nicht-kanadische Mitglied im wissenschaftlichen Konsortium für "MOST". Außerdem steht in Wien eine von drei Bodenstationen für die Kommunikation mit dem Satelliten.
Stern Procyron unter die Lupe genommen
"Procyon ist der erste untersuchte Stern im Wissenschaftsprogramm von 'Most', und gleich der hat eine riesige Überraschung geliefert", erklärte Weiss im Gespräch mit der APA.

32 Tage lang wurde der Himmelskörper, der zum Sternbild des "Kleinen Hundes" gehört und von der Erde rund elf Lichtjahre entfernt ist, nahezu ununterbrochen beobachtet. Unsere Sonne, mit etwa zwei Drittel der Masse Procyons, schwingt mit einer Periode von etwa fünf Minuten.

Die Hochrechnungen, die auf dem Standard-Sonnenmodell basieren, ließen für den Stern eine Schwingungsperiode von etwa 15 Minuten erwarten. Die Amplitude der Schwingung - quasi die Lautstärke der Sternenmusik - sollte etwas höher sein als jene der Sonne.
->   Mehr zu Procyon bei Wikipedia
Ergebnisse widersprechen Sonnenmodell
Doch die Wissenschaftler wurden enttäuscht: "Unsere Messinstrumente haben keine Schwingungen wahrgenommen", erklärte Weiss.

Der Stern könnte dennoch pulsieren, allerdings außerhalb des Messbereichs der Satelliteninstrumente. "Klar ist damit jedenfalls, dass Procyon nicht so schwingt, wie wir das auf Basis des Sonnenmodells vorhergesagt haben", sagte der Astronom.

Grund dafür könnten die zahlreichen Annahmen und Vereinfachungen sein, die man für dieses Modell unseres Zentralgestirns treffen musste.
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Pulsation beruht auf Konvektion
Die Pulsation unserer Sonne wird durch Konvektion in der äußersten Hülle verursacht, ähnlich wie kochendes Wasser in einem Topf Schallwellen erzeugt und damit hörbar wird. "Die Theorie solcher turbulenter Konvektion ist extrem kompliziert, von einer befriedigenden Turbulenztheorie ist man noch weit entfernt", betonte Weiss.
->   Mehr zur Konvektion bei Wikipedia
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Grenzen des Modells aufgezeigt
Die daher notwendigen Vereinfachungen ermöglichen nach Angaben des Wissenschafters zwar eine gute Beschreibung der Funktion der gegenwärtigen Sonne, "dafür funktioniert das Sonnenmodell sehr gut".

Probleme gebe es aber offensichtlich dabei, eben mit diesem Modell Eigenschaften von anderen Sternen bzw. die Zukunft unserer Sonne in Millionen oder Milliarden Jahren vorherzusagen.

Noch einmal überprüfen müssen einige Wissenschafterteams auch jene Beobachtungsergebnisse, die sie von Procyon mit Hilfe spektroskopischer Untersuchungen von der Erde aus gemacht haben.

Damals glaubten die Forscher nämlich ein Pulsieren gemessen zu haben, was aber nach Meinung Weiss' auch auf unzureichende Messungen zurückführbar wäre.
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Literaturtipp
Zu diesem Thema erschien in "Nature" (Band 430, S. 29-30, Ausgabe vom 1.7.04) der Begleitartikel "Where are Procyon's quakes?" von Jorgen Christensen-Dalsgaard und Hans Kjeldsen.
->   Nature
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->   MOST-Website (University of British Columbia)
->   Institut für Astronomie der Universität Wien
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
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01.01.2010