News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 
Musterbildung auf Schmetterlingsflügeln aufgeklärt  
  Schmetterlinge weisen auf ihren Flügeln oft wunderbare Muster auf, die verschiedenste biologische Funktionen erfüllen. Über die genetischen Mechanismen, die solchen Musterbildungen zugrunde liegen, war bis dato noch relativ wenig bekannt. Diese dürften einfacher sein als bisher angenommen, wie US-Biologen herausfanden. Einzig die Aktivitätsveränderung zweier Entwicklungsgene führt zur Herausbildung von Augenflecken und anderen Verzierungen auf den Flügeln der Insekten.  
Wie Robert D. Reed von der University of Arizona und Michael S. Serfas von der University of Wisconsin berichten, gibt es offenbar zwei genetische Hauptschalter, die für die Musterbildung verantwortlich sind: die Gene "Notch" und "Distal-less".
...
Die Studie "Butterfly Wing Pattern Evolution Is Associated with Changes in a Notch/Distal-less Temporal Pattern Formation Process" von Robert D. Reed und Michael S. Serfas erschien im Fachjournal "Current Biology" (Band 14, S. 1159-1166, Ausgabe vom 13 Juli 2004; DOI:10.1016/j. cub. 2004. 06. 046).
->   Current Biology
...
Schmetterlinge - artenreiche Tiergruppe
dpa/d/Harald Tittel
Schmetterlinge gehören zu den prominentesten Vertretern der Insekten. Zum einen, weil sie mit mehr als 160.000 verschiedenen Spezies eine der artenreichsten Gruppen der Kerbtiere darstellen. Zum anderen, weil sie Naturforscher seit jeher wegen ihrer schillernden Farben und Musterungen fasziniert haben.

Die Zeichnungen auf den Schuppenflügeln wurden allerdings von der Natur nicht aus ästhetischen Gründen "erfunden", sie haben vielmehr ganz konkrete biologische Funktionen zu erfüllen.

So dienen etwa die berühmten Augenflecken - hierzulande u.a. am Tagpfauenauge (Bild rechts) zu beobachten - der Irritation von Angreifern. Andere Muster sind wiederum für die Arterkennung und Partnerfindung sowie als Warn- oder Tarntracht im Einsatz.
->   Lexikalisches zu Schmetterlingen bei Wikipedia
Schlüsselrolle zweier Gene
Wie diese "Verzierungen" gebildet werden, war bis dato nicht im Detail bekannt. Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Flügelmuster vermutete man allerdings, dass auch die ihnen zugrunde liegenden genetischen Mechanismen alles andere als einfach sein sollten.

Diese Annahme haben nun Robert D. Reed und Michael S. Serfas in ihrer aktuellen Studie widerlegt. Sie zeigten, dass die Entstehung komplexer Muster durch feine Abänderungen der Aktivität weniger Gene im Insektenflügel erklärt werden kann.

Aufgrund bisheriger Untersuchungen wusste man bereits, dass die Gene "Notch" und "Distal-less" bei der Musterbildung auf den Schmetterlingsflügeln eine Rolle spielen.
...
"Notch" und "Distal-less"
Das Gen "Notch" codiert für einen Rezeptor, der zur Familie der so genannten Epidermiswachstumsfaktoren gezählt wird. "Distal-less" codiert wiederum für einen so genannten Transkriptionsfaktor, d.h. ein DNA-bindendes Protein, das die Aktivität anderer Gene regelt.
...
Mutante ohne Augenflecken gibt Aufschluss
 
Bild: Reed et al./Current Biology

Die beiden US-Biologen konnten nun nachweisen, dass die Aktivität der beiden Erbfaktoren für die Bildung der Augenstrukturen bei den drei Schmetterlingsarten Vanessa cardui, Junonia coenia, und Bicyclus anynana (im Bild v.l.n.r.) unverzichtbar ist.

Umgekehrt zeigten die beiden Forscher, dass einer Mutante von B. anynana mit dem sinnfälligen Namen "missing" solche Augenflecken fehlen. Offensichtlich deswegen, weil die Aktivität der beiden Gene in den betreffenden Regionen stark vermindert ist.
Muster unter der biochemischen Lupe
 
Bild: Reed et al./Current Biology

Bild: Verschiedene Flügelmuster (oben) und ihre Ursache im Bereich der Moleküle: die Aktivierung bestimmter Entwicklungsgene, visualisiert mit Hilfe von Farbstoffen (unten).
Evolutionsprinzip: Aus Alt mach Neu
Reed und Serfas analysierten auch die raumzeitliche Aktivtät der beiden Gene während der Flügelbildung und stellten fest, dass subtile Änderungen im Timing der Genregulation zu dramatischen Wandlungen auf Merkmalsebene führen können.

Neue Strukturen werden also offenbar weniger durch Hinzufügung neuer Erbfaktoren gebildet, sondern eher durch die Justierung des Zusammenspiels bereits vorhandener Gene.

Eine an acht Spezies durchgeführte Stammbaumanalyse legt außerdem nahe, dass die entdeckten Mechanismen auch bei allen anderen Schmetterlingen am Werk sind. Mit anderen Worten, es handelt sich hierbei um eine "Erfindung" auf molekularem Niveau, die für diese Tiergruppe typisch ist.
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at:
->   Transgener Schmetterling hat leuchtende Augen (10.3.04)
->   Mimikry mit Nachteil: Hoher Energieverbrauch bei Schmetterlingen (4.2.03)
->   Mehr zum Stichwort Schmetterlinge im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010