News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Wie Neutrinos ihre Zustände wechseln  
  Neutrinos wurden im Teilchenzoo der Physiker lange als "Geisterpartikel" bezeichnet. Hochsensible Detektoren bringen aber immer mehr Beweise für ihre seltsamen Verhaltensweisen. Ein japanisches Forscherteam berichtet nun von einem Muster, demzufolge Neutrinos zwischen verschiedenen Zuständen wechseln.  
Schon vor sechs Jahren sorgten die Forscher des Super-Kamiokande-Detektors (Super K) in Japan für Aufregung, als sie den Nachweis erbrachten, dass Neutrinos über eine Masse verfügen. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass die Teilchen weder Ladung noch Masse haben.

Wie der Online-Dienst von "Science" berichtet, konnte das Forscherteam um Yoichiro Suzuku von der Universität Tokio nun beweisen, wie die Neutrinos oszillieren - also zwischen verschiedenen Zuständen hin- und herwechseln.
...
Neutrinos entstehen unter anderem in der Sonne, in der Erdkruste durch Radioaktivität, bei Sternenexplosionen und in Kernkraftwerken. Auf Grund ihrer hohen Durchdringungsfähigkeit sind sie nur sehr schwer zu fassen. Neutrinos haben zwar eine Masse, sind nach den bisherigen Erkenntnissen aber so leicht, dass sie sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die nun untersuchten Neutrinos entstehen beim Zusammenprall kosmischer Strahlen mit Partikeln der Erdatmosphäre.
->   Mehr über Neutrinos und Neutrinooszillation (Uni Heidelberg)
...
Von der Spekulation zum Nachweis
Lange galten Neutrinos in der Wissenschaft als reine Spekulation. 1930 postulierte der österreichische Physiker Wolfgang Pauli die Existenz von leichten, neutralen Teilchen, um die scheinbare Verletzung der Energieerhaltung im so genannten Betazerfall erklären zu können.

Erst 1956 gelang deren direkter Nachweis durch die Physiker Reines und Cowan.
Neutrinos verändern sich auf ihrer Reise
Allerdings waren damit noch nicht alle Schwierigkeiten beseitigt: Man konnte das kosmische Teilchen zwar nachweisen, aber in viel geringeren Mengen, als es vom Standard-Erklärungsmodell ("solar standard model") vorhergesagt wurde.

Der theoretische Schluss daraus: Die Neutrinos mussten sich auf ihrer langen Reise zur Erde so verändert haben, sodass sie von den Detektoren nicht mehr registriert werden konnten.
Die drei Arten der Teilchen
Neutrinos treten in drei Klassen auf: Myon-, Tau- und Elektron-Neutrinos. Eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Jahre ist es, dass die Teilchen ihre Klassenzugehörigkeit offensichtlich verändern können. Dies erklärt auch die zu niedrige Nachweisrate, da man mit den irdischen Detektoren nur Elektron- und Myon-Neutrinos erfassen kann.
...
2002 erste Beobachtung der Oszillation
2002 gelang es erstmals, die Teilchen bei ihren Umwandlungen in flagranti zu beobachten. Dabei verwendeten die Physiker Daten, die mittels des "Sudbury Neutrino Observatory" (SNO) sowie des "Super K" in Japan generiert wurden.
->   Mehr dazu: Physikalische Sensationen des Jahres 2002 (20.12.02)
...
Myon-Neutrinos werden Tau-Neutrinos
Der Super-Kamiokande-Detektor beobachtet Neutrinos, die beim Zusammenprall kosmischer Strahlen mit Partikeln der Erdatmosphäre entstehen.

Seit Jahren weist er mehr Myon-Neutrinos nach, die den (kurzen) Weg von der Atmosphäre bis zum Detektor zurücklegen, als jene, die ihn durch die Erde erreichten - ein Beweis dafür, dass sie ihren Zustand geändert hatten und zu Tau-Neutrinos oszillierten. Diese sind für den Detektor "unsichtbar".
Neutrino-Oszillation ...
Je weiter ein Neutrino "reist", desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es seinen Zustand ändert - und die "Neutrino-Oszillation" stattfindet. Diese Wahrscheinlichkeit kann auch als Funktion des Verhältnisses von "Reisedistanz" und seiner Energie beschrieben werden.

Theoretisch sollten die von einem Detektor beobachteten Neutrinos mit einer klassischen Sinuskurve beschrieben werden können, so der Online-Dienst von "Science".
... dargestellt als Sinuskurve
Zwar hat Super Kamiokande das Verschwinden der Myon-Neutrinos bereits länger gezeigt, aber nicht in jenem Ausmaß, um die Sinuskurve zu vervollständigen.

Nach sechs Jahren Beobachtung und rund 14.000 detektierten Neutrinos ist nun genau dies gelungen - ein komplettes Oszillationsmuster gefunden und die Theorie praktisch bestätigt. Die Resultate der Experimente sollen in einer der kommenden Ausgaben der "Physical Review Letters" veröffentlicht werden - und somit das Standard-Erklärungsmodell erschüttern.
->   Successful Observation of the Oscillatory Pattern of Neutrino Mixing (Super K)
->   Super-Kamiokande home page
->   Mehr über Neutrinos (University of California)
->   "Science Now"
->   science.ORF.at-Archiv zu Neutrinos
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010