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Die wissenschaftliche Produktivität der Nationen  
  Wissenschaft und Sport haben eines gemeinsam: In beiden Bereichen sind Ranglisten sehr beliebt, zumindest in jenen Ländern, die auf einschlägigen Klassements die vorderen Plätze einnehmen. Einen weltweiten Vergleich aller Nationen hat nun ein britischer Forscher anhand aktueller Publikationsdaten vorgenommen. Das Ergebnis: Die USA liegen - was die wissenschaftliche Produktivität betrifft - klar an erster Stelle, gefolgt von den anderen größten Industrienationen der Erde.  
Geht man jedoch nicht von Absolutzahlen, sondern von der Qualität der Publikationen aus, dann haben auch Kleinstaaten im globalen Forschungsbetrieb ein Wörtchen mitzureden. In dieser Hinsicht ist die Schweiz Forschungsweltmeister, gefolgt von den USA und Dänemark. Österreich liegt in dieser Rangliste auf dem siebten Platz.
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Die Studie "The scientific impact of nations" von David A. King erschien im Fachjournal "Nature" (Band 430, S.311-6, Ausgabe vom 15.7.04; doi:10.1038/430311a).
->   Zum Originalartikel (kostenpflichtig)
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Olympiade: Medaillensammler USA
Bei den Olympischen Sommerspielen 1996 in Atlanta waren die USA die großen Abräumer. Die Gastgeber holten 44 Gold-, 32 Silber- und 25 Bronzemedaillen und lagen damit in der Gesamtbilanz mit großem Abstand vor Russland (26/21/16) und Deutschland (20/18/27).

Wertet man den Medaillenspiegel jedoch relativ zur Einwohnerzahl, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild: Nach dieser Rechnung belegt das kleine südpazifische Königreich Tonga Rang eins (eine Silber-Medaille durch den Boxer Paea Wolfgram), während die USA lediglich auf Platz 37 rangieren.
->   Olympische Sommerspiele 1996 (www.olympic.org)
"The Scientific Wealth of Nations"
Was das mit Wissenschaft zu tun hat? Das Beispiel entstammt der vielzitierten Studie "The Scientific Wealth of Nations", die der britische Mathematiker Robert M. May 1997 im Fachjournal "Science" (Band 275, S. 793) veröffentlichte.

May verglich darin den wissenschaftlichen Output der Nationen dieser Welt, gemessen anhand der bibliometrischen Daten, die vom Institute for Scientific Information in Philadelphia (ISI) zur Verfügung gestellt werden.
->   "The Scientific Wealth of Nations" im Volltext (Universität Linz)
Vergleiche sind relativ
Mays thematischer Abstecher zu den Olympischen Spielen sollte darauf hinweisen, dass Staaten mit geringer Bevölkerungszahl und/oder Wirtschaftskraft naturgemäß unter "ferner liefen" rangieren.

Nichtsdestotrotz geben relative Vergleiche Aufschluss über die Leistungsfähigkeit nationaler Institutionen - sei es nun im Sport oder in der Welt der Wissenschaft.
Wirtschaftsmächte sind Wissenschaftsmächte
Mays bahnbrechende Analyse der Jahre 1981-94 zeigte - wie bereits der an Adam Smith erinnernde Titel andeutet -, dass offenbar Wohlstand und wissenschaftliche Produktivität zusammenhängen.

Die "Champions League" des Forschungsbetriebs bildeten Mitte der 90er Jahre demnach die G7-Staaten USA, Großbritannien, Japan, Deutschland, Frankreich, Kanada und Italien.
G8: Nur Russland schert aus
Die nun von David A. King vom Office of Science and Technology in London veröffentlichte Studie bestätigt im Wesentlichen das von May gezeichnete Bild. Wie May erfasste er allerdings nur Naturwissenschaften, Medizin und Technik, nicht jedoch geistes- bzw. sozialwissenschaftliche Fächer.

Die G7-Staaten liegen nach wie vor voran, lediglich das zu den (nun acht) größten Wirtschaftsmächten hinzugekommene Russland bildet hier eine Ausnahme. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kam es zu einem radikalen Einbruch bei F&E-Investitonen, der sich auch in der Zahl der Publikationen niederschlug.
Globales Klassement
 


Im internationalen Vergleich liegt die USA unangefochten auf Platz eins, und zwar sowohl in Bezug auf die Gesamtanzahl der Publikationen und Zitate, als auch was die Zahl der "highly cited publications" betrifft.

Nach letzteren hat King auch die Reihenfolge des globalen Klassements erstellt - gemäß der Definition des ISI handelt es sich dabei um jenes Prozent aller erfassten Veröffentlichungen, die im Jahr nach ihrer Publikation am meisten zitiert wurden. Nach der Logik der Bibliometriker sollten das auch die wichtigsten des jeweiligen Faches sein.
->   ISI Highly Cited
USA: Vorsprung schmilzt
Allerdings ist der Vorsprung der USA in den letzten Jahren ein wenig geschmolzen: Publizierten die US-Amerikaner zwischen 1993 und 1997 noch 37,5 Prozent aller Studien, waren es im Zeitraum 1997 bis 2001 "nur noch" 34,9 Prozent.

Die addierten Werte der EU15-Staaten (d.h. exklusive Neumitglieder), liegen laut der aktuellen Analyse nun erstmals über jenen der USA.

Österreich liegt in dieser Liste auf Platz 18 - hinter Ländern wie der Schweiz, den Niederlanden, Schweden und Israel, aber noch vor China, Südkorea und Indien.
Nationaler "Impact"
Ein durchaus anderes Szenario ergeben relative Vergleichsdaten. Die Durchschlagskraft - bzw. genauer: das publizistische Echo nationaler Forschungsarbeiten lässt sich durch die Anzahl der Zitate erheben, die pro Veröffentlichung ausgelöst wurden.

Hier kann man freilich nicht Äpfel mit Birnen vergleichen: So weisen beispielsweise medizinische und mathematische Studien völlig unterschiedliche Charakteristika auf. Ganz zu schweigen von der Zahl der Forscher, die in diesen Gebieten arbeiten.
Schweiz ist Weltmeister in Sachen Qualität
Allerdings kann man die Werte nach Disziplinen sondern und dann in einem Gesamtindex summieren. Ergebnis dieser Rechenarbeit ist der so genannte "re-based impact", mit dem man ebenfalls ein Klassement erstellen kann:

Bezogen auf das Jahr 2002 liegt die Schweiz klar an der Spitze, gefolgt von den USA, Dänemark, Großbritannien und den Niederlanden. Österreich liegt in dieser Wertung hinter Deutschland auf Rang sieben.
Unausgewogene Verteilung
King zeigt in seiner Analyse weiterhin, dass sich auch die wissenschaftliche Welt durch äußerst einseitige Verteilungen auszeichnet.

Die Top-8-Nationen vereinigten im Zeitraum 1993 bis 2001 84,5 Prozent der meistzitierten Arbeiten auf sich, während auf die nächsten neun Länder nur mehr 13 Prozent entfielen. Der Rest der Welt teilte sich die verbleibenden 2,5 Prozent.

Robert Czepel, science.ORF.at
->   Office of Science and Technology
->   Institute for Scientific Information
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01.01.2010