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Bioethikkommission für beschränkte PID-Zulassung  
  Im Reagenzglas gezeugte Embryonen können genetisch untersucht werden, noch bevor sie in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt werden. Die Bioethik-Kommission des Bundeskanzlers hat in den vergangenen Monaten darüber beraten, ob diese so genannte Präimplantationsdiagnostik (PID) ethisch vertretbar ist. Ihr mehrheitlicher Schluss: in gewissen Fällen ja. Außerdem dürfte die PID in eingeschränkterer Weise durch die herrschende Gesetzeslage bereits heute erlaubt sein, so die Kommission.  
Eigentlich verboten, aber nicht ausdrücklich ...
Sollen künstlich befruchtete menschliche Embryonen genetisch untersucht werden dürfen, bevor sie in die Gebärmutter einer Frau eingepflanzt werden - und falls ja, unter welchen Bedingungen?

Die PID gilt in Österreich als gesetzlich verboten - wenn auch nicht ausdrücklich. Die künstliche Befruchtung ist hier im Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG) geregelt - und dort steht, dass alles getan werden darf, was zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist.
... deshalb in bestimmten Fällen schon heute erlaubt
Eine eindeutige Auslegung dieses Gesetzes gibt es nicht, die Bioethik-Kommission kommt in diesem Punkt jedoch zu einem gemeinsamen Schluss, so Kommissionsvorsitzender Johannes Huber. PID wäre nach Ansicht aller Kommissionsmitglieder in jenen Fällen auch in Österreich heute schon erlaubt, wo es darum geht, zu testen, ob ein Embryo überhaupt überlebensfähig wäre.

Wenn es darum geht, zu testen, ob ein künstlich gezeugter Embryo eine genetische Krankheit trägt, die dazu führen würde, dass das Kind schon während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt sicher stirbt, soll diese Untersuchung erlaubt sein.

Sieben Mitglieder der Kommission sehen die rechtlichen Voraussetzungen dafür mit der bestehenden Gesetzeslage abgedeckt und daher keinen weiteren Handlungsbedarf.
Kommissionsmehrheit für breitere Anwendung
Zwölf Mitglieder der Kommission sehen allerdings eine breitere Anwendung der PID als ethisch gerechtfertigt an. Für diese Mehrheit, zu der auch der Kommissionsvorsitzende Johannes Huber gehört, kommt die PID auch bei Erkrankungen infrage, die prinzipiell mit dem Leben vereinbar wären.

Das können etwa Stoffwechselerkrankungen sein, so Johannes Huber im ORF-Radio, die zum Beispiel mit einer schweren Neurodegeneration einhergehen, mit denen Menschen zehn bis fünfzehn Jahre lebensfähig wären.

Heute würde beim Verdacht auf eine solche Erkrankung eine Untersuchung des Ungeborenen im Mutterleib durchgeführt - oft mit der Folge einer Abtreibung, wenn die Krankheit beim Fötus nachgewiesen wird. Solche "Schwangerschaften auf Probe" könne man durch eine vorsichtige Anwendung der PID verhindern, so Johannes Huber.
->   PID - Der Bericht der Bioethikkommission (pdf-Datei; Juli 2004)
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Ulrich Körtner, evangelischer Theologe, Bioethikkommissionsmitglied und science.ORF.at-Host, führt in einem Gastbeitrag die Argumenten beider Seiten auf.
->   Ulrich Körtner: Argumente für eine beschränkte PID-Zulassung (19.7.04)
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Kritik: Diskriminierung und sozialer Druck
Gerade auch hier sehen Kritiker der PID Gefahren: Menschen mit Erbkrankheiten oder Behinderungen könnten künftig zunehmend als "verhinderbar" gelten. Durch einen so entstehenden sozialen Druck könnten außerdem die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Menschen immer schwieriger werden.
"Indikationskatalog" noch offen
Genaue Vorgaben, für welche Krankheiten Tests erlaubt werden sollen, macht auch die Bioethik-Kommission nicht, in ihrer Stellungnahme ist von einem "Indikationskatalog" die Rede, der freilich erst noch erstellt werden müsste.

"Angedacht sind vor allem Stoffwechselerkrankungen des zentralen Nervensystems, die mit einer Nicht-Lebensfähigkeit während der Schwangerschaft oder unmittelbar nach der Schwangerschaft verbunden sind," sagt Johannes Huber im ORF-Radio. Darin sind sich auch noch alle Kommissionsmitglieder einig.

Für die Mehrheit der Kommission fügt Huber außerdem jene schweren Stoffwechselerkrankungen hinzu, mit denen Menschen zehn bis 15 Jahre überlebensfähig wären. Ein Beispiel dafür wäre Morbus Gaucher.
Derzeit kein politisches Thema
Zumindest für die Empfehlungen der Kommissionsmehrheit müssten die bestehenden Gesetze geändert werden. Eine solche Änderung wird derzeit auf politischer Ebene nicht diskutiert.

Die Stellungnahme der Bioethik-Kommission ist allerdings, so Johannes Huber, auch nicht als direkte Politik-Empfehlung zu verstehen. Sie soll viel mehr zu einer differenzierten Diskussion aller beteiligten Gruppen und der Öffentlichkeit beitragen.

Birgit Dalheimer, Ö1-Wissenschaft
->   Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Bioethikkommission mehrheitlich für PID (7.7.04)
->   Studie: Mehrheit gegen Präimplantationsdiagnostik (26.5.04)
->   Markus Hengstschläger: Geregelte PID auch in Österreich? (1.7.02)
->   Ulrich Körtner: PID - Hilfe für Betroffene oder neue Eugenik? (30.7.01)
 
 
 
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01.01.2010