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Eisarchitektur für Kuppelbau  
  Ob Iglu oder Eishotel - im Hohen Norden wird gefrorenes Wasser schon seit längerem als Baustoff genutzt. Forscher der Technischen Universität Wien haben nun ein patentiertes Verfahren entwickelt, bei dem sie aus einer wenige Zentimeter dünnen Eisscheibe eine stabile Kuppel formen.  
Bis zu 30 Meter Durchmesser
Nach Vorstellung ihrer Erfinder könnten die Wiener Eiskuppeln unter dem Stichwort "Event-Architektur" in den alpinen Wintersportregionen künftig als ebenso exklusive wie attraktive Überdachung dienen.

Die Wissenschaftler spannen einen weiten Bogen - von der Schneebar über die Konzertbühne bis hin zum Eislaufplatz. Immerhin sollen die Eiskuppeln bis zu 30 Meter Durchmesser und fünf Meter Höhe erreichen.
Improvisierter Kühlraum an TU Wien
Die wichtigste Voraussetzung sind Minusgrade über einen möglichst langen Zeitraum. Spätestens mit der Schneeschmelze im Frühjahr verschwindet das saisonale Kunstwerk dann wieder.

Um während der Sommermonate an ihren Eiskuppeln arbeiten zu können, richteten die Forscher des Instituts für Stahlbeton- und Massivbau der TU Wien eigens einen improvisierten Kühlraum ein.
Von der Scheibe zur Kuppel ...
 
Bild: ORF

Dort erzeugen sie in tagelanger Arbeit spezielle Eisscheiben von fünf Meter Durchmesser und vier Zentimeter Dicke.

Rings um den Rand der Scheibe ist ein Stahlseil eingefroren. Per Hydraulikpumpe wird dieses Seil nach und nach zusammengezogen. Die Folgen sind spektakulär: knirschend und knackend wölbt sich die Eisscheibe langsam empor - bis zu einer Höhe von knapp einem Meter (siehe Bilder).
... mit Hilfe von Styroporkeilen
Dieser Schritt von der Scheibe zur Kuppel wurde erst durch einen Trick möglich: die Eisscheibe ist in 32 Segmente unterteilt, zwischen denen sich schmale, nachgiebige Styroporkeile befinden.

Diese bieten den Eissegmenten bei zunehmender Spannung genügend Spielraum, damit sich die gesamte Scheibe aufwölben kann.
Verfahren für Beton bereits patentiert
Im Modellversuch funktioniert die ungewöhnliche Methode bereits. Ursprünglich wurde das neue Verfahren für Betonkuppeln entwickelt - und auch schon patentiert.

Die TU-Forscher hatten nach einem Weg gesucht, die aufwändigen und teuren Gerüste und Verschalungen, die für einen Kuppelbau normalerweise notwendig sind, zu vermeiden.
Nächstes Ziel: Serienreife
Eine durchscheinende Kuppel aus Eis regt auch die Phantasie der Architekten an - die neu entwickelten Bauwerke bieten zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten.

Einmal errichtet, sind die Eisschalen stabil und sicher - so sicher, dass die Techniker sogar große Teile der Kuppel ausschneiden können, etwa als Eingang oder Fenster. Dadurch wirkt die gesamte Kuppel sehr filigran und noch attraktiver. Nun wollen die TU-Forscher ihre Erfindung zur Serienreife entwickeln.

"Wir haben hier noch ein paar Monate Zeit, um das Verfahren zu perfektionieren und um verschiedene Formen auszuprobieren", meint Johann Kollegger, Vorstand des Instituts für Stahlbeton- und Massivbau. "Wir werden verschiedene Bereiche der Schale entfernen und Modelle bauen von Schalen, die wir im nächsten Winter in größerem Maßstab realisieren werden."
->   Institut für Stahlbeton- und Massivbau, TU Wien
Farbenpracht: "Eis werde Licht"
Bild: ORF
Im Rahmen der ersten Versuche entstanden auch bereits Eisschalen, bei denen Architekten Lichtleiter aus Glasfasern direkt im Eis einfrieren ließen. Damit sind farbenprächtige Lightshows der Kuppel selbst möglich.

Aber damit nicht genug: Christian Schwarz - einer der beteiligten Architekten - erläutert die weiteren Pläne. "Jetzt haben wir Licht eingelegt und mit farbigem Licht gearbeitet. Als nächstes wollen wir das umdrehen - und eine Schale aus eingefärbtem Wasser bauen. Oder vielleicht auch mit phosphoreszierenden Teilchen - damit sich dann die Schale untertags 'auflädt' und am Abend wieder 'entlädt' - das sind Versuche, die wir noch machen werden."
Attraktion für die kalte Jahreszeit
Bild: ORF
Bei entsprechendem Interesse wollen die Forscher in der kommenden kalten Jahreszeit in Wintersportregionen erste Freiluft-Kuppeln errichten.

Dann wird sich zeigen, ob die ungewöhnliche Bauweise auch in größerem Maßstab funktioniert wie geplant. Die Techniker sind jedenfalls zuversichtlich - wenn es nach ihnen geht, kann der Winter kommen ¿

Ivo Filatsch, Modern Times
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Mehr Informationen zu diesem Thema in der Sendung "Modern Times" am Freitag, 23.7.2004 um 22.35 Uhr in ORF 2.
->   Modern Times
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->   Mehr zu den Eiskuppeln (TU Wien)
 
 
 
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01.01.2010