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Kongress über Psyche und Trauma in Wien  
  Weltweit leiden rund zwölf Millionen Menschen an Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) als Folge von schrecklichen Lebenserfahrungen. Mit dem Thema wird sich ein Kongress in Wien beschäftigen.  
Die Jahrestagung der deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie (DeGPT) findet von 3. bis 5. September an der Universität Wien statt.

"Wiedergutmachung gibt es nicht. Man kann am ehesten die Betroffenen unterstützen, das Erlebte in ihre Lebensgeschichte zu integrieren", erklärte die federführende Wiener Kongressorganisatorin, Brigitte Lueger-Schuster gegenüber der APA.
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Geschichtlich und kulturell verschiedener Umgang
Die Expertin, Klinische Psychologin am Institut für Psychologie der Universität Wien, beschäftigt sich seit Jahren mit Forschungen und praktischer Arbeit auf diesem Gebiet. Dabei wurde sie automatisch auch mit geschichtlich und kulturell oft völlig unterschiedlichem Umgang von Staaten und Gesellschaften mit Psychotraumata konfrontiert.
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1. Weltkrieg: Psychische Schäden als "Fantasie"
Oft wurden Störungen und Geschädigte einfach verdrängt. So zum Beispiel taten Sigmund Freud und Julius Wagner-Jauregg die psychischen Schäden der Heimkehrer von den Schlachtfeldern des 1. Weltkrieges laut der Psychologin eher als "Fantasie" ab.

Es war offenbar nicht opportun, als zitterndes Wrack nach Monaten im Schützengraben als Opfer anerkannt zu werden.
Ähnliche Situation nach dem 2. Weltkrieg
Ähnliches spielte sich laut Brigitte Lueger-Schuster auch nach dem 2. Weltkrieg in vielen Staaten ab:

"Die Opfer wurden in Österreich damals von der herrschenden Psychiatrie eher schlecht behandelt." Erst der Wiener Tiefenpsychologe Hans Strotzka hätte 1956 auf die vielen Trauma-Patienten als Kriegsfolge hingewiesen.

Eine ganze Gesellschaft fühlte sich als Opfer - und wollte vor allem Optimismus im Wiederaufbau vermitteln. Da war für Geschädigte wenig Platz. Die Shoa-Opfer wurden verdrängt, auch mit den Psycho-Leiden der Heimkehrer oder zum Beispiel der Bombenkriegs-Geschädigten wusste die Nachkriegsgesellschaft wenig anzufangen.
Balkan-Kriege als "Erinnerung"
Das ganze Ausmaß an psychischen Traumaschäden wurde - so die Wiener Klinische Psychologin - in Österreich schließlich in Folge der Balkankriege von der Gesellschaft akzeptiert. Plötzlich waren viele Tausende Kriegsopfer da.

Und nicht nur die direkten Betroffenen, auch deren Angehörige und - "tertiär" - auch deren Betreuer waren einem Schrecken ausgesetzt, das es zu bewältigen galt.
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Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten
Kommt es zur Ausbildung eines Posttrauma-Syndroms, hilft oft eine Kombinationsbehandlung aus Psychotherapie und medikamentöser Behandlung (vor allem mit so genannten selektiven Serotonin-Reuptake-Hemmern; ursprünglich aus der Behandlung von Depressionen). Seit einigen Jahren wird auch mit gutem Erfolg das so genannte Eye Movement Desensitation and Reprocessing (EMDR) der US-Psychologin Francine Shapiro eingesetzt.
->   Schnelle Augenbewegungen zur Angstbewältigung (6.9.02)
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Langfristige, wenn nicht gar lebenslange Hilfe nötig
Doch alle Hilfe für Psychotrauma-Patienten muss oft langfristig, wenn nicht sogar lebenslang erfolgen. Nach Angaben von Brigitte Lueger-Schuster gibt es Studien mit Begleitung von Betroffenen über ein halbes Jahr oder ein Jahr hinweg. "Doch manche Menschen benötigen auch immer wieder Hilfe."

Manche Häftlinge aus Konzentrationslagern seien bis heute in Therapie, so die Expertin. "Oft muss das Erlebte erst in eine mittlerweile schon 40 Jahre dauernde (Nachkriegs-)Biografie integriert werden" - um zu einem besser erträglichen Bestandteil der Psyche zu werden.
->   Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie
->   Informationen zur Tagung unter www.trauma2004.at
->   Mehr zu diesem Thema im science.ORF.at-Archiv
 
 
 
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01.01.2010