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Studie zeigt: Zeit ist nicht immer Geld  
  "Zeit ist Geld" lautet ein bekanntes Sprichwort, das nun von US-Forschern wissenschaftlich hinterfragt wurde: Sie fanden mittels Verhaltensexperimenten heraus, dass diese Gleichsetzung nicht immer gilt. Wer mit Bargeld zahlt, ist eher dazu geneigt, den Wert von Dienstleistungen und Produkten kritisch zu hinterfragen.  
Zahlt der Konsument hingegen mit investierter (Arbeits-)Zeit, kalkuliert er weniger streng und reagiert auch auf enttäuschenden Konsum deutlich gelassener, wie Erica Mina Okada von der University of Washington und Stephen J. Hoch von der University of Pennsylvania in einer aktuellen Studie berichten.
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Der Artikel "Spending Time versus Spending Money" von Erica Mina Okada und S. J. Hoch erscheint demnächst im "Journal of Consumer Research" (Ausgabe vom September 2004).
->   Zur Originalstudie (pdf-File)
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"Time is money"
"Remember, time is money", schrieb bereits im Jahr 1748 der amerikanische Politiker und Wissenschaftler Benjamin Franklin in seinem "Advice to a young tradesman".

Interpretiert man diesen Satz in moralischer Hinsicht, dann bedeutet er wohl, dass Zeit nicht verschwendet werden sollte. In ökonomischer Lesart drückt er wiederum die seit 250 Jahren bestehende Überzeugung der Wirtschaftswissenschaftler aus, dass Zeit und Geld gleichwertige Güter darstellen.
->   Lexikalisches zu Benjamin Franklin (Wikipedia)
->   "Advice to a young tradesman" (historycarper.com)
Geld sparen - Zeit investieren
Wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, hängen Zeit und Geld tatsächlich zusammen. So spart etwa die Recherche nach dem Bestpreis eines Produktes zwar Geld, dafür kostet sie Zeit, was zu einem Nullsummenspiel führen kann.

Gleichwohl gibt es auch offensichtliche Unterschiede: Geld kann für später angespart werden, der (subjektive) Wert des Geldes ist außerdem relativ situationsunabhängig, während beides für Zeit nur sehr bedingt zutrifft.
Sprichwort experimentell untersucht
Okada und Hoch haben die postulierte Äquivalenz von Zeit und Geld nun in Experimenten untersucht, bei denen Zeit als eine Art Währung behandelt wurde.

"Unsere Forschungen zeigen, dass Zeit leichter abgeschrieben werden kann als Geld", fasst Okada die Ergebnisse der Studie zusammen: "Menschen wissen relativ genau, wie viel ihr Geld wert ist, aber wenn es um Zeit geht, beurteilen sie deren Wert weitaus weniger sicher."
Konsumation im Test: Abendessen oder Sportschuhe
Die beiden Forscher führten mit 350 Studenten Versuche durch, in denen sie für ein Abendessen im Stadtzentrum bzw. für ein Paar Sportschuhe bezahlen mussten. Als Zahlungsmittel fungierte entweder "Cash" - 50 US-Dollar -, alternativ dazu konnten die Probanden auch vier Stunden Arbeit investieren.
Wer mit Zeit zahlt, bleibt gelassener
In einem Szenario waren die Testpersonen mit der Dienstleistung bzw. dem Produkt äußerst zufrieden, im alternativen Szenario war das Gegenteil der Fall. Okada und Hoch erhoben nun, wie die Reaktionen der Konsumenten ausfielen.

Es zeigte sich, dass diejenigen, die mit barem Geld gezahlt hatten, stärker mit Befriedigung (Szenario eins) bzw. Unzufriedenheit (Szenario zwei) reagierten, als das bei den "Zeit-Zahlern" der Fall war. Mit anderen Worten, bei Letzteren fiel der Unterschied zwischen den beiden Testsituationen deutlich geringer aus.
Auch Investitionsverhalten unterschiedlich
Das hänge, so die Forscher, mit der mehrdeutigen Wertzuschreibung von Zeit zusammen. Bei echten Geldbeträgen agiere man eher nach dem konservativen Motto "Man bekommt, wofür man bezahlt hat".

Weitere Versuche zum Investitionsverhalten ergaben außerdem, dass Menschen eher geneigt sind, mit Zeitäquivalenten ein höheres Investitionsrisiko einzugehen, als das bei Barem der Fall ist. Anders ausgedrückt: Beim (Bar-)Geld hört offenbar der Spaß auf.
->   Website von Erica Mina Okada (University of Washington)
->   Website von Stephen J. Hoch (University of Pennsylvania)
Mehr zu diesem Thema in science.ORF.at
->   Sex macht glücklich: Auch in Geldwerten gemessen (15.6.04)
->   Wie Emotionen ökonomische Entscheidungen beeinflussen (24.3.04)
->   Kann man Lebensglück messen? (27.8.03)
->   Psychologische Grundlagen der Ökonomie (29.5.01)
 
 
 
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01.01.2010