News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 
Computertomographie so schädlich wie Atombomben?  
  Die Computertomographie (CT) ist ein bildgebendes Verfahren, das in der Medizin routinemäßig zum Aufspüren von Gewebsveränderungen - etwa Tumoren - eingesetzt wird. CT-Scans können aber selbst auch Krebs auslösen, warnen nun US-Radiologen. Sie haben hochgerechnet, dass Ganzkörper-CTs bei Patienten zu Strahlenbelastungen führen, die mit jenen von Überlebenden der Atombombe in Hiroshima zu vergleichen sind.  
Bei Gesunden überwiegen die Gefahren
CT ist eine diagnostische Methode, mit der Veränderungen im Körper sichtbar gemacht werden können. Wie bei normalen Röntgenuntersuchungen nützt man dabei die unterschiedliche Durchlässigkeit verschiedener Körpergewebe für Röntgenstrahlen.

Aber: Bei gesunden Menschen überwiegen die Gefahren der Behandlung, meint der Radiologe David Brenner von der Columbia University in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift "Radiology".
...
Die Studie ist unter dem Titel "Estimated Radiation Risks Potentially Associated with Full-Body CT Screening" in "Radiology" (Bd.232, S. 735-738, Ausgabe vom September 2004) erschienen.
->   Original-Abstract in "Radiology"
...
CT als Vorsorgeuntersuchung
Gerhard Lechner, Vorstand der Universitätsklinik für Radiodiagnostik am AKH Wien, bestätigt gegenüber science.ORF.at, dass CT jene radiologische Untersuchung ist, die "insgesamt und anteilsmäßig zur höchsten Strahlendosis führt". Im Diagnostik-Bereich sei sie für mehr als 50 Prozent der vermittelten Dosen verantwortlich.

CT sei für die Diagnostik aber unglaublich wichtig, alleine am AKH würden jährlich bis zu 30.000 Tumorpatienten damit untersucht, der größte Teil davon freilich nur partiell.

In den USA, aber in geringerem Umfang auch in Großbritannien, setzt sich laut BBC eine wachsende Anzahl von Menschen CT-Scans wiederholt aus, obwohl bei ihnen keine Hinweise auf eine Krankheit bestehen - sie nutzen die Diagnostik im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen.
Gradmesser Atombomben-Verstrahlung
David Brenner und Kollegen haben nun versucht, das Krebsrisiko bei der regelmäßigen Wiederholung derartiger Untersuchungen im Vergleich zu den Strahlenbelastungen nach den Atombombenabwürfen 1945 in Hiroshima und Nagasaki einzuschätzen.

Die errechneten Strahlungsmengen, denen die Menschen in Japan ausgesetzt waren, werden bis heute für die Berechnung des Krebsrisikos herangezogen.
...
Direkte Messung der Neutronen-Strahlung von Hiroshima
Unklarheit herrschte lange bei der Frage, welche Strahlungsdosen von schnellen Neutronen 1945 tatsächlich freigesetzt worden waren. Einige Studien gingen davon aus, dass sie weit höher lagen als ursprünglich angenommen - was bedeutet hätte, dass das Risiko dieser Teilchen bis dahin unterschätzt worden war - und damit auch die Berechnung des möglichen Krebsrisikos durch andere Strahlungsquellen. Wie science.ORF.at berichtete, wurde die Neutronenstrahlung von Hiroshima im Juli 2003 erstmals direkt gemessen.
->   Mehr dazu in science.ORF.at (31.7.03)
...
Nach 30 CT-Scans Krebsrisiko von 1:50
Nach Auskunft der Radiologen entsprach die Strahlenbelastung in Lunge und Magen durch einen einzigen Ganzkörper-CT-Scan jener Menge, die Überlebende der Atombomben mit dem geringsten Verstrahlungsniveau ausgesetzt waren. Diese Überlebenden haben das gleiche erhöhte Krebsrisiko wie die CT-Patienten, schreiben die Forscher, die dafür laut BBC "handfeste Beweise" durch ihre Studien gewonnen haben.

Bei einem 45-Jährigen schätzen sie das Krebsrisiko nach einer einmaligen Behandlung auf 1:1.200 (d.h. jeder 1.200ste entwickelt danach Krebs), bei einem 45-Jährigen, der 30 Jahre lang pro Jahr einen CT-Scan erhalten hat, steigt das Risiko auf 1:50 - d.h. zwei von hundert entwickeln Tumore.
Für Vorsorge nicht zu empfehlen
Dieses Risiko ist nach Ansicht von Brenner bei all jenen gerechtfertigt, die bereits Krebssymptome ausgeprägt haben. Bei all jenen, die CTs aber als Teil einer Vorsorgeuntersuchung betreiben, würden die Nachteile die Vorteile überwiegen.

Zumindest in Großbritannien scheint das tatsächlich ein Thema zu sein, denn hier existieren laut BBC eine Reihe privater Institutionen, die CT-Scans als "Screening tool" verwenden.

In Österreich aber, so der Radiodiagnostiker Gerhard Lechner gegenüber science.ORF.at, werden Ganzkörper-CTs nicht für die Vorsorge eingesetzt. Abgesehen von den hohen Kosten, die damit verbunden wären, und den Belastungen für das Gesundheitsbudget sei dies auch aus medizinischen Gründen "nicht zu empfehlen", so Lechner.

Lukas Wieselberg, science.ORF.at
->   David Brenner, Columbia University
->   Universitätsklinik für Radiodiagnostik am AKH Wien
->   BBC News
Mehr zu dem Thema in science.ORF.at:
->   Reinhard Krepler über Multislice-CT (22.2.01)
->   Archiv
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010