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Auch bei Pflanzen gilt: Stress ist nicht gleich Stress  
  Widrige Umweltbedingungen verursachen für Pflanzen enormen Stress. Als sesshafte Lebewesen sind sie diesen Umständen bedingungslos ausgeliefert. Damit sie trotzdem wachsen und gedeihen können, haben sie ein umfassendes Portfolio an Stressreaktionen entwickelt. Wie fein die Pflanzen dabei differenzieren können, belegen nun die Forschungsergebnisse von österreichischen Wissenschaftlern.  
Schwermetalle können bei Pflanzen sehr unterschiedliche Stressreaktionen auslösen, wie das Forscherteam um Claudia Jonak vom Campus Vienna Biocenter und Heribert Hirt vom Gregor-Mendel-Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) berichtet.

Nach Angaben der Forscher sind ihre Ergebnisse eine wichtige Grundlage für das Verständnis, wie Pflanzen mit zunehmenden Schwermetall-Konzentrationen in den Böden fertig werden - und wie diese Fähigkeit nutzbringend eingesetzt werden kann.
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Die Studie von Claudia Jonak, Hirufumi Nakagami und Heribert Hirt erscheint in der Oktoberausgabe der Fachzeitschrift "Plant Physiology" unter dem Titel "Molecular Response to Heavy Metal Stress: Activation of Distinct Mitogen-activeted Protein Kinase Pathways by Copper and Cadmium". Die Arbeit wurde unterstützt vom Wissenschaftsfonds FWF.
->   "Plant Physiology"
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Toxische Belastung durch Umweltverschmutzung
In der Natur kommen Schwermetalle in geringen Konzentrationen im Boden vor und stellen so keine Schwierigkeit für Pflanzen dar. Hohe Konzentrationen, wie sie zunehmend durch Umweltbelastungen auftreten, wirken hingegen toxisch.

Die Wissenschaftler verglichen nun erstmals die genauen Reaktionen von Pflanzen auf hohe Konzentrationen verschiedener Schwermetalle.
Vier verschiedene Enzyme aktiviert
"Bereits unsere ersten Messungen zeigten, dass die Schwermetalle die Aktivierung von vier verschiedenen Enzymen hervorrufen, die eine ganz zentrale Rolle bei pflanzlichen Stressreaktionen haben", erläuterte Heribert Hirt die Ergebnisse in einer Aussendung.

"Diese Enzyme sind so genannte MAPKs." MAPKs ist die Abkürzung für "mitogen-activated protein kinases", eine Klasse von molekularen Schaltern, die von zentraler Bedeutung für die Steuerung der Genexpression sind.
Je nach Metall schneller oder langsamer
Eine interessante Entdeckung machte das Team, als es die Aktivitäten der Enzyme im Detail analysierte.

Dabei stellte es fest, dass unterschiedliche Schwermetalle zwar die gleichen vier Enzyme aktivieren, jeweils aber mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. So erfolgte durch Kupfer eine Aktivierung sehr schnell; durch Cadmium aber im Verhältnis dazu deutlich langsamer.
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Hinweis auf unterschiedliche Stressreaktionen
"Die Aktivierung einzelner MAPKs durch Kupfer erfolgte bereits nach 5-10 Minuten, während vergleichbare Effekte durch Cadmium erst 20 Minuten später verursacht wurden. Diese Differenz ist zwar für die Fähigkeit der Pflanze, mit dem Stress fertig zu werden, nicht so ausschlaggebend, deutet aber darauf hin, dass unterschiedliche Stressreaktionen stattfinden", so die Erklärung von Heribert Hirt.
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Radikaler Sauerstoff stresst
Obwohl die genaue Ursache für diese Zeitdifferenz noch unbekannt ist, hat Hirt bereits eine Hypothese erstellt, die er in weiteren Arbeiten testen will.

Grundlage ist die Tatsache, dass sowohl Kupfer als auch Cadmium zur Produktion von schädlichen Sauerstoffradikalen in der Pflanze führen. Diese Radikale können die MAPKs direkt aktivieren - im Gegensatz zu Schwermetallen.
Unmittelbar oder auf Umwegen
"Zu viel Kupfer verursacht die unmittelbare Produktion von Sauerstoffradikalen, während Cadmium erst auf Umwegen zu deren Produktion führt", so Hirt. "Die Ursache für diesen Unterschied ist, dass Kupfer in geringen Konzentrationen an verschiedenen lebensnotwendigen Prozessen in der Pflanzenzelle beteiligt ist."

"Erst durch ein Zuviel an Kupfer entstehen Sauerstoffradikale. Im Gegensatz dazu ist Cadmium aber an keinem uns bekannten Stoffwechselprozess beteiligt. Seine Schädlichkeit beruht auf der Verdrängung anderer stoffwechselaktiver Metalle, ohne deren Funktion zu übernehmen. Das führt in der Folge zwar auch zur Produktion von Sauerstoffradikalen, doch dauert dieser indirekte Vorgang einfach länger."
Oder doch keine Radikale als Ursache?
Aber Hirt merkt auch an, dass die durch Schwermetalle provozierte Aktivierung von MAPKs auch durch andere Stoffe als Sauerstoffradikale verursacht werden könnte. Weitere Experimente werden nun diese Vorgänge genau klären.
Ausblick auf die Phytoremedation
Ein besseres Verständnis der Pflanzenreaktionen auf hohe Schwermetallkonzentrationen kann mittelfristig wichtige Bedeutung für unsere Umwelt haben. Zum einen mag es so möglich werden, Pflanzen zu züchten, die eine bessere Überlebenschance auf Böden haben, die mit Schwermetallen belastet sind.

Noch attraktiver sind aber die Möglichkeiten der so genannten Phytoremediation - einer Technik, bei der Pflanzen die Schwermetalle aus dem Boden binden und auf diese Weise belastete Böden langsam wieder säubern.
->   Campus Vienna Biocenter
->   Institut für Mikrobiologie und Genetik der Universität Wien
->   Gregor-Mendel-Institut der ÖAW
->   FWF
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01.01.2010