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Das bronzezeitliche Weltbild der "Himmelsscheibe"  
  Das Weltbild der Bronzezeit ist auf der 3.600 Jahre alten "Himmelsscheibe von Nebra", der ältesten konkreten Sternenabbildung der Welt, von einer dreiköpfigen Forschergruppe entschlüsselt worden.  
"Damit haben wir zum ersten Mal Einblick in ein kosmisches Modell der vorgeschichtlichen Kulturen und zugleich einen komplexen Einblick in die geistige Welt Mitteleuropas", sagt Landesarchäologe Harald Meller.

"Bislang wurde diese schriftlose Kultur unterschätzt. Jetzt müssen wir endgültig unser Bild vom unwissenden Urzeitmenschen revidieren."
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Runde Scheibe mit Sonne, Mond und Sternen
Die rund zwei Kilogramm schwere Bronzescheibe mit Goldauflagen ist fast kreisrund mit einem Durchmesser von 31 bis 32 Zentimetern. Eindeutig ist ein Schiff, Sonne, Mond, Sterne und als Ansammlung von sieben Goldpunkten der Sternenhaufen der Plejaden in einer Konstellation wie vor 3.600 Jahren zu erkennen. Dazu sind am Rand der Scheibe zwei Bögen, so genannte Horizontbögen, zu sehen.
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Kuppelförmiges Weltmodell
 
Bilder: EPA/dpa

Die berühmte "Himmelsscheibe von Nebra"

Für die Forscher steht fest, dass sich die bronzezeitlichen Menschen bereits die Erde als flache Scheibe vorgestellt hatten, die von einem Himmel kuppelförmig überwölbt wird. Die Erde wird umkreist von Sonne, Sternen, Plejaden und Mond.

Das Schiff trägt die Sonne nach dem Untergang im Westen über das dunkle Wasser wieder in den Osten.

"Diese Vorstellung von einem kuppelförmigen Weltmodell wird erst 1.000 Jahre später durch den griechischen Philosophen, Astronom und Mathematiker Thales von Milet (ca. 640/39 - 546/45 v. Chr.) beschrieben", sagt Meller als Mitglied der Forschergruppe.
Ähnliche Vorstellungen im alten Ägypten
Interessant sei auch, dass es ähnliche Vorstellungen von der Welt im alten Ägypten, in Persien und in der Bibel gab, die in erweiterter Form bis in die Neuzeit verwendet wurden.
Festgelegte Himmelsrichtungen
Den "Schlüssel" zum Weltbild fand der Archäo-Astronom Wolfhard Schlosser von der Ruhr Universität Bochum Anfang 2004.

Nach seinen Berechnungen existieren auf der Himmelsscheibe festgelegte Himmelsrichtungen. "Erstaunlich ist, dass Ost- und Westrichtung bewusst vertauscht wurden, genauso wie es heute bei Sternenkarten gemacht wird", beschreibt Schlosser seine Entdeckung.

Während bei Landkarten die Ostrichtung immer rechts liegt, ist es bei Sternenkarten genau umgekehrt, weil der Betrachter von der Erde zum Himmel schaut.
Kontakte mit den Babyloniern?
"Es spricht vieles dafür, dass die Erbauer der Himmelsscheibe Kontakte mit den Babyloniern gehabt haben könnten", sagt Physiker und Astronom Rahlf Rahlf Hansen vom Planetarium in Hamburg.

"Von den Babyloniern wurden mehrere Siegelzylinder mit den Plejaden, ähnlich der Abbildung auf der Sternenscheibe, gefunden. Aber es existiert keine Abbildung eines komplexen Weltbildes, diese Leute haben ihre Beobachtungen in endlosen Zahlenreihen in Keilschrift verfasst."

Die Himmelsscheibe wurde bisher nur als Instrument zur Bestimmung eines bronzezeitlichen Kalenders gesehen.
Fundort als Kultstätte und Observatorium
Die Archäologen gehen davon aus, dass der Fundort auf dem 252 Meter hohen Mittelberg bei Nebra (Burgenlandkreis) eine Kultstätte und ein Observatorium war.

Mit Hilfe der Himmelsscheibe wurde dort die Sommer- und Wintersonnenwende bestimmt, was für die damalige bäuerlich geprägte Gesellschaft zur Bestimmung von Aussaat und Ernte sehr wichtig war.
Krimireife "Vorgeschichte"
Zwei bereits verurteilte Raubgräber hatten die Scheibe zusammen mit einem Bronzeschatz am 4. Juli 1999 entdeckt.

Nach einer krimireifen Odyssee der Stücke konnte die Polizei am 23. Februar 2002 bei einer fingierten Verkaufsaktion im Baseler Hilton Hotel in der Schweiz den Schatz sichern.

Thomas Schöne, dpa
->   Landesmuseum für Vorgeschichte (Sachsen-Anhalt)
->   Die Himmelsscheibe (Landesmuseum für Vorgeschichte)
Mehr zur Himmelsscheibe in science.ORF.at:
->   Himmelsscheibe aus Nebra hat "österreichische Wurzeln" (3.2.04)
->   Ältestes Sonnenobservatorium Europas entdeckt (30.7.03)
->   Otto Urban: Vom Mond zur Sonne: Zur Himmelsscheibe von Nebra (29.5.03)
 
 
 
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01.01.2010