News
Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 
Herz und Hirn geben Symmetrieforschern Rätsel auf  
  Einer von zehntausend Menschen trägt seine inneren Organe auf der "falschen" Seite, also etwa das Herz rechts oder die Leber links. Britische Forscher haben nun herausgefunden, dass diese Laune der Natur offenbar nicht das Gehirn betrifft. Denn Personen mit rechts sitzendem Herzen sind vorwiegend Rechtshänder. Das heißt, sie müssen wie die meisten anderen Menschen eine dominante linke Hirnhälfte aufweisen.  
Daraus schließen I.C. McManus und Mitarbeiter vom University College in London, dass die bisherige Theorie zur Erklärung geistig-körperlicher Asymmetrien nicht richtig sein kann.
...
Die Studie "Handedness and situs inversus in primary ciliary Dyskinesia" von I.C. McManus et al. erschien auf der Website des Fachjournals "Proceedings of the Royal Society London B" (doi:10.1098/rspb.2004.2881).
->   Royal Society Publications
...
Spiegelbildlicher Körper - situs inversus
Die spiegelbildliche Vertauschung aller Eingeweide im Körper bezeichnet man als situs inversus. Sie ist relativ selten und tritt nur bei rund 0,01 Prozent aller Menschen auf.

Bei Personen die am so genannten Cilienlähme-Syndrom leiden (auch als Primäre Ciliäre Dyskinesie oder Siwert-Kartagener-Syndrom bezeichnet), ist der Anteil jedoch ungleich höher. Jeder zweite dieser Patienten ist spiegelbildlich gebaut, und das ist auch kein Zufall:

Denn beim Cilienlähme-Syndrom ist - wie der Name bereits andeutet - die Mobilität der Cilien (Wimpern) in Körperzellen und Spermien gestört, was etwa den Transport von Schleim aus Nase und Lunge beeinträchtigt und bei Männern sogar zur Sterilität führen kann.
->   Mehr dazu bei kartagener-syndrom.de
Embryonale Cilien heben Symmetrie auf
Der Zusammenhang zum situs inversus ist nun insofern gegeben, als die Aufhebung der perfekten Körpersymmetrie in der Frühphase der Embryonalentwicklung von der Rotation kleiner Cilien ausgelöst wird.

Dem folgt eine Kaskade biochemischer Signale, die festlegt, dass Herz, Leber & Co. eben nicht in der Mitte, sondern auf einer Seite des Körpers zu liegen kommen.
->   Warum das Herz auf der linken Seite sitzt (8.1.04)
Auch das Gehirn agiert asymmetrisch
Ist die Rotation der Cilien des Embryos gestört, dann kann die ursprüngliche Symmetrie auch in die andere Richtung gebrochen werden, womit sich der hohe Anteil der spiegelbildlich gebauten Patienten mit erwähntem Sydrom erklärt.

In punkto körperlicher Asymmetrie kennt man noch einen zweiten prominenten Fall. Nämlich die Dominanz einer Gehirnhälfte bei psychischen Prozessen, die nicht nur beim Menschen, sondern etwa auch bei Vögeln und Säugetieren auftritt.

Diese äußert sich unter anderem darin, dass die meisten Menschen Rechtshänder sind (weil sich die Steuerzentrale für die rechte Hand in der linken Hirnhälfte befindet). Was liegt also näher, als eine Verbindung zwischen diesen beiden Sachverhalten anzunehmen?
Gemeinsame Ursache von Organlage und Händigkeit?
Genau das wird nach der orthodoxen Lehrmeinung auch postuliert, schreiben McManus und Kollegen. In diesem Modell werden die Organlage und Händigkeit einfach durch die Cilienrotation im Embryo festgelegt. Folglich sollte bei Patienten mit Cilienlähme-Syndrom (kurz: PCD) der Anteil an Rechts- und Linkshändern ungefähr gleich groß sein.
Orthodoxe Theorie widerlegt
Diese Vorhersage haben die Forscher nun an 46 PCD-Patienten (sowie 42 mit einem ähnlichen Syndrom) überprüft. Das Ergebnis: Der Anteil der Linkshänder war viel geringer als erwartet, er betrug nur rund 15 Prozent.

Daraus folge, so McManus und Mitarbeiter, dass das orthodoxe Erklärungsmodell nicht richtig sei kann. Erklären ließe sich die Situation auf zwei Weisen:

Entweder werden körperliche und psychische Asymmetrie durch zwei gänzlich unabhängige Faktoren bedingt - oder aber es gibt eine noch unbekannte "erste Ursache" die dann bei PCD-Patienten auf Organebene selektiv aufgehoben wird.
Probanden tragen Armbanduhr rechts
Kurioses Detail am Rande: Die britischen Forscher fanden heraus, dass die Probanden der Studie signifikant häufiger die Armbanduhr am rechten Handgelenk trugen - und zwar unabhängig davon, ob diese Rechts- oder Linkshänder waren. Eine schlüssige Begründung dafür können McManus und sein Team allerdings nicht anbieten.

[science.ORF.at, 10.12.04]
->   University College London
Mehr zu diesemThema in science.ORF.at
->   Körper-Symmetrie und Verhalten hängen zusammen (3.9.04)
->   Stammt die Form der Biomoleküle aus dem Kosmos? (20.2.04)
->   Warum Mütter ihre Kinder links tragen (28.1.04)
->   Schon Babys haben einseitige Sprachverarbeitung (9.9.03)
->   Linkshänder - Initiative Wien
 
 
 
ORF ON Science :  News :  Medizin und Gesundheit .  Leben 
 

 
 Übersicht: Alle ORF-Angebote auf einen Blick
01.01.2010