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250. Todestag des Aufklärers Montesquieu  
  "Das Wohl des Volkes ist das oberste Gesetz" - so lautete die Maxime von Charles-Louis de Montesquieu. Sein Name ist mit der Theorie der Gewaltenteilung im Rechtsstaat verbunden. Die Trennung von Legislative, Exekutive und Judikative bestimmt auch heute noch die Verfassung demokratischer Staaten. Am 10. Februar jährt sich sein Todestag zum 250. Mal.  
Garantie für den Rechtsstaat
Die Lehre von den einander stärkenden und hemmenden Gewalten, die zu einer Balance der Macht führen, gilt als Grundlage und Garant bürgerlicher Freiheit.

Nur ein Rechtsstaat, der diese Gewaltentrennung ernst nimmt, vermittelt den Bürgern und Bürgerinnen das Gefühl, ihr Leben in geordneten Bahnen führen zu können.
Raus aus dem Elfenbeinturm der Spekulation
Montesquieu befasste sich eingehend mit Philosophie, Geschichte, Physik, Geografie, Klimatologie und Ethnologie. Sein Credo lautete: Alles hängt zusammen.

Dementsprechend sollte die Philosophie sich nicht in den Elfenbeinturm der reinen Spekulation zurückziehen, sondern den konkreten Menschen in der Gesellschaft untersuchen.
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Biografie
Geboren wurde Charles-Luis de Secondat, Baron de la Brede et de Montesquieu am 19. Jänner 1689 als Sohn einer adeligen Familie in der Nähe von Bordeaux. Nach einem Studium der Jurisprudenz und der Philosophie führte er das geruhsame Leben eines Parlamentsrats in Bordeaux. Gleichzeitig betrieb er intensive natur- und geisteswissenschaftliche Studien und unternahm zahlreiche Reisen. Er verstarb am 10. Februar 1755 in Paris.
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Künstlichkeit der Verhältnisse beschrieben
1721 veröffentlichte Montesquieu den satirischen Briefroman "Persische Briefe", in dem er die
politischen, sozialen und religiösen Verhältnisse in Frankreich schilderte, wie sie von zwei persischen Reisenden wahrgenommen wurden.

Die fremden Besucher beschrieben eine Gesellschaft, die sich durch eine "universale Künstlichkeit" auszeichnete.
Frage nach einer tugendhaften Gesellschaft
Die Intention des Briefromans war es, eine Gesellschaft zu demaskieren, die sich von der tugendhaften Lebensweise verabschiedet hatte.

Die Frage nach einer Staatsform, die eine tugendhafte Gesellschaft hervorbringt, tauchte dann auch in Montesquieus Hauptwerk "Vom Geist der Gesetze auf".

Das Buch, an dem er rund 20 Jahre lang arbeitete, analysierte die idealtypischen Staatsformen der Republik, der Monarchie und der Despotie.
"L'esprit general" - "Die Geisteshaltung eines Volkes"
Montesquieu verwies darauf, dass Gesetzgebungen keineswegs bloß als rationale Konstruktionen fungierten, sondern von den wirtschaftlichen, geographischen oder klimatischen Bedingungen und auch vom "l'esprit general"", von der "Geisteshaltung eines Volkes" abhängig seien.

Darunter verstand Montesquieu die Sitten, Gewohnheiten, Bräuche und Lebensstile, die eine spezifische Gesellschaft charakterisieren.
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Radio-Hinweis
Die Ö1-Dimensionen widmen sich am Donnerstag, den 10.2.05, um 19.05 Uhr dem 250. Todestag von Montesquieu.
->   Ö1
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Staatsformen: Die Republik
In seinem Werk "Vom Geist der Gesetze" nahm Montesquieu eine Klassifizierung verschiedener Staatsformen vor, um das Verhältnis von Rechtsnormen zur Geisteshaltung eines Volkes zu analysieren.

Besonders schätzte er die Republik, in der die Liebe zum Allgemeinwohl und zur Verfassung leitende Prinzipien sind. Hier ist der Ort der bürgerlichen Tugend, die geordnete Existenz, ein gutes Leben in gesicherten Verhältnissen ist möglich.
Monarchie: Zwischen Republik und Despotie
Die Republik ist für Montesquieu die beste Staatsform, weil dort die Selbstkontrolle der Bürger ein Leben in Freiheit garantiert. Die Monarchie gilt als Verfallsform der Republik, weil dort das Eigeninteresse im Vordergrund steht; die Tugend wird durch den Ehrgeiz und Habgier ersetzt.

Dennoch zählt er die konstitutionelle Monarchie - im Gegensatz zum Despotismus der absoluten Monarchie, in dem der Terror regiert - zu den gemäßigten Regierungsformen.
Gegen die staatliche Machtkonzentration
Um nun ein Abgleiten in den Despotismus der absolutistischen Monarchie zu verhindern, schlug Montesquieu das Modell der Gewaltenteilung vor: Die staatliche Machtkonzentration sollte durch die Aufteilung in legislative, exekutive und judikative Gewalt verhindert werden.

Das Vorbild dafür war die englische Verfassung, die Montesquieu während eines zweijährigen Aufenthalts kennen lernte.
Für ein ruhiges Leben
Solch eine Verfassung stellt die Voraussetzung für ein gutes, glückliches Leben des Bürgers in Freiheit dar. Darunter verstand er "jene Ruhe des Gemüts, die aus dem Vertrauen erwächst, das ein jeder zu seiner Sicherheit hat".
Denker der Mäßigung
Montesquieu zählt nicht zu den Aufsehen erregenden Denkern der Französischen Aufklärung. Missionarischer Wahrheitseifer, religiöser Fundamentalismus und politischer Extremismus waren ihm fremd.

Sein Hang zur Mäßigung trug ihm den Vorwurf des Konservativen ein, sich gegen die radikalen politischen Utopien seiner Zeit abzuschotten. Genau diese mäßigende, abwägende Haltung gegenüber politischen Entwicklungen ist das Zeitgemäße an Montesquieu.

Nikolaus Halmer, Ö1-Dimensionen, 9.2.05
->   Montesquieu bei Wikipedia
->   Montesquieu bei der University of Stanford
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Literaturhinweise:
Montesquieu: Persische Briefe, Reclam Verlag
Montesquieu: Vom Geist der Gesetze, Reclam Verlag
Michael Hereth: Montesquieu zur Einführung, Junius Verlag
Jean Starobinski: Montesquieu, Fischer Wissenschaft, Band 12 774
Helmut Stubbe da Luz: Montesquieu, rororo- monografie, Band 50
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01.01.2010