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Salz: Maya hatten komplexes Versorgungssystem  
  Um das Inland mit wertvollem Salz zu versorgen, verfügten die Maya an den Küsten über zahlreiche Salzfabriken, in denen das wertvolle weiße Gewürz in großen Bottichen durch Verdunsten von Salzwasser gewonnen wurde. Das Inland versorgten sie, indem sie regelmäßige Lieferungen per Kanu losschickten.  
Diese Schlussfolgerungen zieht die Anthropologin Heather McKillop von der Louisiana State University aus neuen Funden vor der Küste des mittelamerikanischen Staates Belize.

Die Entdeckung zahlreicher "Salzfabriken" interpretiert sie als Hinweis, dass die so genannten "prämodernen", eingeborenen Kulturen über deutlich komplexere ökonomische Strukturen verfügten als bisher angenommen.
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Der Artikel "Finds in Belize document Late Classic Maya salt making and canoe transport" von Heather McKillop erscheint zwischen dem 4. und 10. April 2005 in den "Proceedings of the National Academy of Science" (PNAS) (DOI:10.1073/pnas.0408486102).
->   Der Artikel (erst nach Erscheinen)
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Trotz Zentralismus funktionierende Regionalverwaltung
Das Erstaunliche an den Funden: Bisher nahm man an, dass die großen Städte im Inland auch die ökonomischen Zentren gewesen sind und die wichtigsten Güter in direkt an das Herrscherhaus angegliederten "Betrieben" produziert wurden.

Die nun veröffentlichten Funde weisen aber darauf hin, dass die großen Städte auch von außen mit zentralen Gütern versorgt wurden. Die Forscherin folgert deshalb, dass es trotz des zentralistischen Systems eine Art von selbstständiger "Regionalverwaltung" gegeben haben muss.
Frage nach dem Transportmittel geklärt
 
Bild: PNAS

Die Wissenschaftlerin konnte mit ihrer Forschungsarbeit aber nicht nur ein komplexes Wirtschaftssystem belegen, sondern auch die Frage nach dem Transportmittel beantworten: Der "Zustellung" der Waren funktionierte nicht per Träger über Land, sondern per Wasser mit Kanus.

Zwar wusste man schon länger durch Zeichnungen und die Migrationsgeschichte, dass die Maya prinzipiell der Schifffahrt kundig waren. Welche Bedeutung die Fortbewegung über Wasser für sie hatte, konnte bisher nicht geklärt werden.

Bild oben: Eine auf einem Knochen eingeritzte Zeichnung zeigt, dass die Maya Schiffe und Paddel zu gebrauchen wussten. Ihre Handhaltung ähnelte der unseren: Eine Hand umfasst das Paddel ganz oben, die andere greift knapp über dem Ruderblatt zu.
41 neue Stätten und ein Paddel gefunden
Um ihre Thesen belegen zu können, untersuchte die Anthropologin Heather McKillop systematisch die Punta Ycacos Lagune an der Küste von Belize. Sie konzentrierte sich auf den heute rund einen Meter unter Wasser liegenden, östlichen Teil der Lagune. Schon vor ihrer Arbeit war bekannt, dass dort durch einen plötzlichen Anstieg des Wasserspiegels Mayastätten versunken sind - konkret wusste man bereits von vier Funden.

Die Resultate: 41 neue Stätten wurden identifiziert, wodurch man heute von 45 Plätzen allein in der Punta Ycacos Lagune weiß. Identifiziert wurden sie anhand von Überresten von Keramikbehältern, die zur Salzproduktion in Gebrauch waren.

Dabei handelte es sich hauptsächlich um Scherben von Schalen und Krügen, die zum Erhitzen von Salzwasser über offenem Feuer eingesetzt wurden. Sie datieren aus der "Spät-Klassik" der Maya zwischen 600 und 900 n.Chr.
Paddel aus der Zeit zwischen 680 und 880 n.Chr.
 
Bild: PNAS

Die Frage nach dem Transportmittel sieht McKillop durch den Fund eines Paddels als nun eindeutig geklärt an. Das hölzerne Rudergerät ist fast vollständig erhalten geblieben, laut Kohlenstoff-Analyse datiert es aus der Zeit zwischen 680 und 880 n.Chr.

Bild oben: Das in Belize gefundene Paddel (Mitte oben: Naheaufnahme des - wurmstichigen - Paddelblattes).
Salzproduktion eigenständig verwaltet
Wie die US-Anthropologin schreibt, müsse man aufgrund der Funde das Bild so genannter "vormoderner", eingeborener Kulturen zurechtrücken: Ihr Wirtschaftssystem war diffiziler und politische Kontrolle weniger wichtig als bisher angenommen.

Offensichtlich gab es neben den Machtzentralen in den großen Städten auch Regionalverwaltungen, die einzelne Bereiche wie eben die Salzproduktion eigenständig verwalteten.

Im Fall der Maya wurde der Handel über den Seeweg erst von den spanischen Eroberern im 16. Jahrhundert unterbrochen - wahrscheinlich nach mehr als einem Jahrtausend.
Wege anderer Handelsgüter sollen untersucht werden
McKillop schlägt aufgrund ihrer Funde vor, den Handel mit anderen an der Künste produzierten Gütern zu untersuchen: Die Wege, der Stachel des Stachelrochens, Schneckenmuscheln und andere Meerestiere genommen haben, könnten das Bild einer komplexen Ökonomie noch verdichten.

[science.ORF.at, 5.4.05]
->   Website von Heather McKillop (Universität von Louisiana)
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01.01.2010