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HIV: Warum Impfungen bisher scheiterten  
  Warum gibt es noch immer keine wirksame Impfung gegen HIV und AIDS? Im Prinzip gäbe es nämlich Abwehrmoleküle des Immunsystems, die die Vermehrung des Virus eindämmen. Das Dumme ist nur: Sie greifen auch körpereigene Strukturen an. Genau aus diesem Grund scheiterten die bisherigen Impfversuche.  
Wie Forscher der Duke-University in Durham, der Tulane School of Medicine in New Orleans sowie der Boku Wien herausgefunden haben, hat das HI-Virus eine Art Tarnkappe entwickelt und entgeht so den Angriffen des Immunsystems.
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Die Studie "Cardiolipin Polyspecific Autoreactivity in Two Broadly Neutralizing HIV-1 Antibodies"von Barton F. Hayne et al. erschien auf der Website des Fachjournals "Science".
->   ScienceExpress
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Impfen schützt...
Was ist das beste Mittel gegen eine gefährliche Infektionskrankheit? Man nimmt harmlose Bestandteile des Erregers, etwa typische Oberflächenmoleküle, und spritzt sie in die Blutbahn des Patienten. Das ist gewissermaßen ein Trockentraining für das Immunsystem, womit der Körper gegen Angriffe des Erregers gewappnet werden soll. Also die klassische aktive Immunisierung, sprich: Impfung.
...leider nicht gegen HIV
Dieses Prinzip wurde selbstverständlich bei der Bekämpfung von HIV-1, der wichtigsten Familie unter den HI-Viren, angewandt. Allerdings ohne großen Erfolg. Denn Patienten, bei denen eine Impfung mit Bestandteilen der HIV-1-Hülle versucht wurde, produzierten keine Antikörper, die das Virus in den Griff bekommen hätten.
->   Mehr zu HIV bei Wikipedia
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Antikörper
Als Antikörper bezeichnet man Proteine, die vom Immunsystem (genauer: von B-Lymphozyten) gegen Fremdkörper und Krankheitserreger gebildet werden. Sie können sehr spezifisch an Strukturen der Erreger binden, sie gewissermaßen als "fremd" erkennen und sie somit über weitere immunologische Reaktionen neutralisieren.
->   Antikörper bei Wikipedia
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Wirksame Abwehrmoleküle bekannt
Allerdings sind, wie AIDS-Forscher etwa letztes Jahr in der Zeitschrift "Nature Immunology" (Band 5, S. 233) festhielten, eine Reihe von Antikörpern bekannt, die das HI-Virus sehr wohl neutralisieren können. Das nährt die Hoffnung, dass es im Prinzip möglich sein sollte, irgendwann einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln.

Drei der vier derzeit bekannten wirksamen Antikörper gegen HIV-1 wurden an der Boku Wien entdeckt. Sie stammen aus Blutproben von anonymen Patienten, die die Infektion offenbar gut kontrollieren konnten. In Durchschnittspatienten sind diese Moleküle jedoch so gut wie nie nachweisbar, wie die Co-Autorin der Studie, Gabriela Stiegler vom Institut für Angewandte Mikrobiologie der Boku Wien, betont.
->   Zum Artikel in Nature Immunology
Gesucht: Ursachen des Misserfolgs
Ein wichtiger Schritt am Weg zu einer wirksamen Impfung ist zu verstehen, warum die bisherigen Versuche gescheitert sind. Die Antwort darauf dürfte nun die Autoren der aktuellen Studie gefunden haben.

Sie untersuchten zwei Antikörper namens 2F5 und 4E10: Das Besondere an diesen Molekülen: Sie erwiesen sich als wirksame Waffe gegen das tödliche Virus, d.h. sie verhinderten in einigen wenigen Patienten den Befall von weiteren Immunzellen.
Ähnlichkeit zu Autoantikörpern
Den Forschern fiel auf, dass 2F5 und 4E10 eine biochemische Struktur ihr Eigen nennen, die sonst nur von so genannten Autoantikörpern bekannt ist. Dabei handelt es sich um fehlgeleitete Abwehrmoleküle, die irrtümlich an Strukturen des eigenen Körpers binden und damit Autoimmunkrankheiten auslösen.

Ein Beispiel dafür ist die Schmetterlingsflechte, auch "Systemischer Lupus erythematodes" (SLE) genannt: Hier bilden die Patienten Antikörper gegen DNA, Proteine des Zellkerns sowie gegen Bestandteile des Zellplasmas. Das führt wiederum zu Haut- und Gefäßentzündungen, Organ- und Gelenkschäden sowie Ausfällen im Nervensystem.
->   Mehr zu Autoantikörpern (Uniklinik Mainz)
Passiv-Impfung möglich
Die Vermutung der Forscher erwies sich als richtig. Beide Antikörper reagierten mit dem so genannten Cardiolipin, das in Mitochondrien vorhanden ist, sowie mit anderen körpereigenen Molekülen.

Aus Sicht des Virus bedeutet das: HIV-1 verwendet offenbar eine Art Tarnkappe, indem es Strukturen des Körpers imitiert. Und das ist wiederum der Grund dafür, dass die bisherigen Versuche einer Aktivimpfung gescheitert sind. Die Produktion von Autoantikörpern ist in einem funktionsfähigen Immunsystem einfach verboten.

Allerdings könnte man Patienten auch einer Passivimpfung unterziehen und ihnen 2F5 und 4E10 direkt verabreichen. Genau das werde bereits in klinischen Studien untersucht, so Gabriela Stiegler gegenüber science.ORF.at. Beispielsweise an Kindern AIDS-kranker Mütter.
Warum sich SLE-Patienten kaum mit HIV infizieren
Die Ergebnisse der Studie passen auch gut zu folgendem Befund: Unter Patienten mit Schmetterlingsflechte sind HIV-1-Infektionen äußerst selten. Ihr Immunsystem scheitert nämlich bei der Bekämpfung selbstreaktiver Antikörper. Was unter Umständen ein großer Vorteil sein kann.

Robert Czepel, science.ORF.at, 28.4.05
 
 
 
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01.01.2010