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Historiker: Heidegger schrieb Reden für Hitler  
  Eine gewisse Faszination, die Adolf Hitler auf Martin Heidegger ausübte, ist bekannt, doch der deutsche Philosoph soll für den Führer sogar in den Jahren 1932-1933 einige Reden geschrieben haben.  
Das behauptet der französische Historiker Emmanuel Faye in einem neu erschienenen 570-seitigen Buch, das sich der eindeutigen politischen Positionierung Heideggers widmet.

"Heidegger, l'introduction du nazisme dans la philosophie", heißt das Werk, mit dem sich die Mailänder Tageszeitung "Corriere della Sera" (Freitag-Ausgabe) beschäftigt.
Seminare vor SS- und SA-Mitgliedern
In Fayes Werk wird ausführlich über Heideggers Seminare aus den Jahren 1933 bis 1935 berichtet, die Heidegger teilweise vor uniformierten SS- und SA-Mitgliedern abhielt. "War Heidegger der Philosoph Hitlers?", fragt sich der "Corriere".

Emmanuel Faye will beweisen, dass sich Heidegger weder aus Zufall noch aus Opportunismus mit dem Regime einließ.

Seine Beweisführung erfolgt mit Autoren wie Erich Rothacker, Alfred Bäumler und Ludwig Clauss, die Rassisten waren und dem Nationalsozialismus nahe standen.
Heidegger als "Chefdenker der Nazis"
Emmanuel Faye sieht den Philosophen als Chefdenker der Nazis: "Heidegger definierte das Volk als Einheit von Blut und Rasse. Er propagierte das Führerprinzip. Der Hitlerismus ist die Grundlage seiner Lehre", so der Franzose.

In Interviews erklärte Faye, er habe zwei unveröffentlichte Seminare konsultieren können. Im Wintersemester 1933/34 habe Heidegger vor einer "ausgewählten Hörerschaft" gesprochen, die Mehrheit der Anwesenden trug die Uniform der SS oder der SA.
"Apologie der Weltvision des Führers"
Die Historiker Hugo Ott und Victor Farias hatten die politische Verstrickung des Philosophen bereits beschrieben. "In den unveröffentlichten Seminaren betreibt Heidegger offenkundig eine Apologie der Weltvision des Führers."

Er erkennt ohne Wortspiele, dass der Feind, den man "zur Rettung des deutschen Volkes als ersten ausrotten muss", der "assimilierte Jude" ist", so der "Corriere della Sera".
Der Philosoph und die Jugendorganisationen
"Emmanuel Faye ergründet die enge und intensive Bindung zwischen Heidegger und den antisemitischen Jugendorganisationen, die im ganzen Reich Aktionen gegen den 'undeutschen Geist' durchführten und die Bücherverbrennung organisierten", so der "Corriere".
Kinder nach Werten der Hitlerjugend erzogen
Heidegger sei in Geheimberichten der SS u. a. als "treuer Nazi-Aktivist" bezeichnet worden, der seine Kinder in Übereinstimmung mit den Werten der Hitlerjugend erziehe und den Nazi-Staat mit Enthusiasmus befürworte.

Heidegger habe auch NS-Arbeitsgruppen und Studienkreise im Schwarzwald geleitet, wie aus einem seiner Briefe an Erich Rothacker, Leiter der Bonner Universität und Freund von Propaganda-Minister Joseph Göbbels, hervorgeht.

[science.ORF.at/APA, 3.6.05]
Mehr über Martin Heidegger in science.ORF.at:
->   Die Frage nach dem Sinn von Sein (25.5.01)
 
 
 
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01.01.2010